"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Dienstag, 19. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 6:

Die Vorrunde ist vorbei, endlich, möchte ich hinzufügen. Ich habe wenig ansprechenden Fußball gesehen, man könnte sagen, die meisten Spiele waren auf hohem Niveau unattraktiv. Meistens schiebt sich die Mannschaft, die gewinnen muß/sollte, den Ball zwischen Mitte der gegnerischen Hälfte und Strafraum hin und her, die andere verteidigt den Strafraum mit acht bis zehn Mann. In den wenigen Situationen, die nicht nach diesem Schema ablaufen, entscheidet dann individuelle Klasse - oder Mangel selbiger bei den Torleuten. Z.B. bei der gestrigen Partie der Schweden gegen Frankreich, als Ibrahimovic für ein Highlight mit seinem Seitfallzieher sorgte. Ibrahimovic ist ohnehin einer der wenigen auffallenden Stars der EM (gewesen). Stolziert 85 bis 88 Minuten lang wie eine beleidigte Diva auf dem Bolzplatz daher. In den restlichen Spielminuten aber pures Genie. In der ganzen spielerischen Armut ist mir wenig positives im Gedächtnis geblieben. Iniesta ist eine Augenweide, vielleicht der beste Mittelfeldspieler der Welt im Moment, die zwei Tore durch Schweinsteiger/Gomez gegen die Niederlande gehören sicher auch zu den Höhepunkten der Vorrunde. Entdeckungen? Aus deutscher Sicht fallen mir zuerst Badstuber und Hummels ein, also zwei, die man früher als Vorstopper bezeichnet hätte. Und der Konservatismus von Löw bei der Aufstellung, er läßt Spieler auf der Bank schmoren, die den ersten elf ebenbürtig sind, vielleicht sogar in besserer Form, riskiert damit langfristig, daß wir holländische Verhältnisse bekommen, frustrierte Spieler, die keine Perspektive sehen und dann, wenn sie doch mal spielen dürfen, nicht präsent genug sind.
Der auffälligste Deutsche war bisher dieser Schiedsrichter, der schon so oft nicht so gepfiffen hat, wie er heißt. Überhaupt, was soll dieser "Torrichter", der nun schon zweimal an ganz prominenter Stelle so versagt hat. Zunächst im Spiel Spanien - Kroatien, wo er höchstens zwei Meter vom Foul entfernt stand und wie gelähmt erstarrte, anstatt das Offensichtliche zu signalisieren. Dann beim Tor der Ukraine, wo er ebenfalls gut postiert war und nicht reagierte, als der Ball hinter der Linie war.
Heutzutage geht es technisch so schnell, eine Zeitlupe zu erstellen, daß endlich der Videobeweis, zumindest in der Torfrage, eingeführt werden sollte. Auch die Einführung eines zweiten Hauptschiedsrichters sollte kommen, durch weniger Laufarbeit könnte es den Schiedsrichtern leichter fallen, Entscheidungen zu treffen.
Die Fernsehberichterstattung läßt auch noch viele Wünsche offen. Im ZDF wie gehabt das hölzerne Duo Hohenstein/Kahn auf dieser dämlichen Bühne, ohne jeglichen Bezug zu Fußball, ohne Atmosphäre, was die Defizite der Moderatoren noch stärker bloßlegt. In der ARD immerhin Mehmet Scholl, der sowohl mit Opdenhövel als auch mit Beckmann (der halt doch in erster Linie Sportjournalist und danach erst windelweicher, einfülsamer Talkshow-Gastgeber und Gittarist ist) gute Analysen abliefert, auf seine Art, die ihn schon als Spieler auszeichnete, spritzig und inspiriert. Ein Ärgernis bleiben aber die dauernden Unterbrechungen durch die Interviews vom Spielfeld und die Werbung für "Waldis Club". Denken die Verantwortlichen, ihre Zuschauer litten alle unter ADHS, so daß man ihnen keine Ausführungen, die über drei Sätze hinaus gehen, zumuten darf, oder warum wird Scholl so oft unterbrochen? Zugunsten von Interviews, die keinerlei Informationsgehalt haben, überflüssig sind, ja sowieso abgeschafft gehören. Oft sogar noch schlecht übersetzt, die meisten Reporter scheinen überfordert mit der sportspezifischen Sprache der Spieler. Also: Schluß mit den Spielfeldrandinterviews. Und Schluß mit Waldis Club, was soll ich Bärbel Schäfer beim Reden über Fußball zuhören, oder Ede Geyer, oder dem (zugegeben begabten) Komiker, der sich als alle möglichen Spieler verkleiden kann. Matthäus-Verarsche? Völlig unnötig, das Original ist sowieso nicht zu überbieten. Man lasse Mehmet Scholl einfach mal ausreden, führe mal ein Gespräch über mehr als zwei Minuten am Stück. Die Interviews kann man, wenn man sie schon nicht wegläßt, auch noch später, im Zusammenhang zeigen.
Für die verbleibende EM hoffe ich einfach nur auf attraktiven Offensivfußball anstelle des Handball-ähnlichen Ballgeschiebes und, daß die Mannschaften, die sich stärker für das Spiel engagieren auch belohnt werden.

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