"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Freitag, 29. Juni 2012

Versuch eines EURO-Tagebuchs 12:

Was war denn das Gestern? Balotelli trifft, und wie! Deutschland scheitert, allerdings wohlgemerkt an sich selbst und nicht an irgendeinem Fluch.
Gerade hatte ich noch erklärt, daß es in grauer Vorzeit in der deutschen Mannschaft die Rolle des Sonderbewachers im Mittelfeld gab (verkörpert durch Matthäus, Rolff, Briegel, Buchwald in erster Linie), da führt Löw diese Rolle wieder ein. Nach vier erfolgreichen Spielen wird auf einmal die vorher durchgehaltene Grundordnung verändert, die Aufstellung und Ordnung dem Gegner angepasst. Mutmasslich hätte es gereicht, so wie immer zu stehen und zu spielen. Wenn die Grundordnung stimmt, dann kann doch eigentlich nicht viel passieren, wenn Pirlo seine 30-50 Meter-Pässe aus der eigenen Hälfte heraus spielt. Ein Gegner, der es mit langen Bällen versucht ist doch grundsätzlich gut zu verteidigen. Erklären kann Löw seine Maßnahme, berechtigt war sie m.E. nicht. Ganz zu schweigen vom Einsatz von Podolski, vor dem ich ja immer wieder gewarnt hatte. Nichts hatte darauf hingedeutet, daß Podolski etwas zu einem Erfolg beitragen würde. Gomez hat auch nur unglücklich ausgesehen und erneut gezeigt, daß er nicht aus eigener Kraft Chancen generiert, er kann nur verwandeln. Dazu muß man aber die Spielweise an ihn anpassen, nicht ihn aufstellen, in der Erwartung, daß er zur Spielweise - die im übrigen auch gar nicht erkennbar war - passt.
Die Deutschen mußten zwei Totalausfälle verkraften und waren zu keinem Zeitpunkt des Spieles präsent, kamen nicht gut in die Zweikämpfe, vorne fehlten Tempo und vor allem Präzision.
Wie ist diese fehlende Präsenz zu erklären? War die Pause von fast einer Woche zu lang? Die Mannschaft wirkte vom Anpfiff weg nicht vorbereitet, planlos wie lange nicht mehr. Mir fällt auf, daß sich eine gewisse Selbstzufriedenheit breit zu machen scheint. Die am häfigsten gehörten Sätze dieser Tage waren "Wir haben tolle Spieler", "Wir können stolz auf diese Mannschaft sein" und "Wir spielen einen tollen Fußball". Erinnert mich an die Holländer - außer bei dieser EM, nach drei Niederlagen vergeht selbst denen der Stolz.
Seit spätestens 2006 hat sich der Fußball zu einem Event und weg vom Sportwettkampf entwickelt. Die Stadien sind immer voll, die Fans hüpfen und singen, egal, wie die Mannschaft spielt und egal, wie es steht. Hunderttausende stehen bei den Großereignissen vor irgendwelchen Bildschirmen und feiern - vor allem sich selbst, berauscht vom Massenerlebnis.
Heutzutage kommen zu irgendwelchen Saisoneröffnungen und öffentlichen Trainingseinheiten mehr Zuschauer als früher zu Bundesligaspielen.
Hat das inzwischen auf die Spieler übergegriffen? Ich habe die letzte Überzeugung vermisst, die Ausstrahlung. Die Botschaft "wir wollen heute unbedingt gewinnen" ging von den deutschen Spielern nicht aus. Löw hat auch vielleicht im entscheidenden Moment zu wenig auf die aktuelle Verfassung einiger Spieler reagiert, die Möglichkeiten, die der Kader bietet zu wenig genutzt. An Spielern festzuhalten, die außer Form sind, aber früher oft Leistung gebracht haben, ist eigentlich nur vertretbar, wenn die Alternativen fehlen. Löw hat bei dieser EM falsch gemacht, was er in den Personalien Frings und Ballack einst richtig machte: Er stellte damals Leistung über vergangene Verdienste, diesmal nicht. Fehlt ihm das Vertrauen in Götze, Reus, Schürrle und Kroos, um nur die herausragendsten Spieler mit zu wenig Einsatzzeiten zu nennen?

Mir tut der FC Bayern leid, der nun mit einer fast kompletten Elf aus frustrierten bis deprimierten Gescheiterten in die Saison gehen muß: Neuer, Badstuber, Boateng, Lahm, Kroos, Schweinsteiger, Müller, Gomez, Robben und mit Abstrichen auch Ribery.
Vielleicht ist Dortmund auch für die Nationalelf das bessere Bayern, die Mentalität der Borussen unter Klopp passt vielleicht besser zum Konzept von Löw als die selbstgefällig ihren Ansprüchen hinterherlaufenden Bayern. Inspiration ging jedenfalls von den FCB-Spielern bei diesem Turnier zu selten aus.
Es ist natürlich nicht alles schlecht, aber wie lange bleibt Halbfinale und "toller Fußball" noch gut genug.

Nicht falsch verstehen, grundsätzlich ist der Wandel von den griesgrämigen, maulenden und kleinlichen Deutschen zur Eventgesellschaft nicht schlecht für die Stimmung im Lande. Sonst müßten wir uns ja mit den Dingen auseinanderstezen, die nicht stimmen in unserer Gesellschaft, im Staate. Mit gewissenlosen Politikern, die für Gesetze stimmen, gegen die sie und jeder gesunde Menschenverstand in Wirklichkeit sind! Wenn die Events und Parties nicht wären, gäbe es womöglich Aufruhr, Fackelzüge vor die Bankhochhäuser, viel mehr Occupy-Bewegungen, etc.
Also: Wehrt euch nicht, feiert.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Versuch eines EURO-Tagebuchs 11:

Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern? Alle Viertelfinals wurden von Mannschaften gewonnen, die 60% oder mehr Ballbesitz hatten. Sind wir hier beim American Football? Ballbesitz ist die neue Verteidigung, eine neue Art Catenaggio. Hätte eigentlich schon Sepp Herberger drauf kommen können. Hat er bestimmt auch erfunden, obwohl glaube ich von ihm nicht überliefert ist, daß er gesagt hat "solange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor Schießen".
Die Portugiesen wollen den Spaniern den Ball wegnehmen. Klingt vielversprechend, aber Können vor Lachen. Auf die Idee sind glaube ich außer Irland schon alle gekommen, aber wie macht man das? Wenn es gelingt, wird es interessant, wenn nicht, dann wird es wie alle Spanien-Spiele bei dieser EM, außer gegen Irland: Eine Mischung aus ehrfürchtigem Staunen und Langeweile. Immerhin (s.o.), es funktioniert, die Spanier haben erst ein Gegentor kassiert, die deutsche Mannschaft dagegen schon vier, zwei davon sogar gegen Griechenland. Wohlan, ich würde mir für Deutschland die Spanier im Endspiel wünschen, sie haben im Gegensatz zu Portugal keinen Lauf, spielen nur, mässig gefordert und mässig gut ihren Stiefel runter, auch wenn es bisher gereicht hat. Die Portugiesen sind seit dem Auftaktspiel deutlich stärker geworden und ein Ausnahmespieler bleibt ein Ausnahmespieler. Ronaldo ist immer besser ins Turnier gekommen.
Kurzer Ausblick auf unser morgiges Spiel gegen Italien: Cassano, sollte er spielen, wird wenig ausrichten, da er sich vom Strafraum und den deutschen Spielern fernhalten wird, aus Angst vor "der Schwulencombo beim DFB". Pirlo ist zu alt und zu langsam um gegen diese deutsche Mannschaft erfolgreich Regie zu führen und Ballotelli trifft nicht. Sollte also endlich mal klappen gegen die Italiener bei einem Turnier.

Versuch eines EURO-Tagebuchs 10:

Ein weiterer spielfreier Tag. Gelegenheit, sich die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft der letzten zehn Jahre einmal anzuschauen. Zunächst war da die kurze Ära Völler, eine Zeit, in der der Trainer populärer war als die Mannschaft. Deutschland wurde in Japan/Korea Vizeweltmeister. Mit einer Mannschaft, die spielerisch wenig zu überzeugen wußte. Ballack zeigte bereits, was für ein wichtiger Spieler er sein kann, auf der "Sechs" dirigierte Hamann und für die Glanzlichter war Bernd Schneider zuständig. Damit wären schon die wenigen herausragenden Spieler internationaler Klasse genannt. Das Vordringen bis ins Finale war glücklich bis zufällig und die Mannschaft konnte auf dem Weg ins Finale weder gegen Paraguay, noch gegen die USA oder Süd-Korea überzeugen. Ins Endspiel brachte die Deutschen Torhüter Kahn. Selten davor oder danach, wenn überhaupt einmal, hatte ein Torwart so großen Anteil an den Ergebnissen seiner Mannschaft wie während dieses Turniers, Kahn war unbestritten der Beste Torwart der Welt. Im Finale war Deutschland dann chancenlos. Zu wenig konnten Spieler vom Format eines Jeremies oder Ramelow zum Spiel beitragen, Klose, noch weitgehend unbekannt, traf zwar fünfmal, davon aber allein dreifach gegen Saudi-Arabien.
Es folgte ein weiterer sukzessiver Umbau der Mannschaft, bei der EM 2004, über die man besser den Mantel des Schweigens hüllen sollte, kamen immerhin erstmals bei einem Turnier Schweinsteiger und Podolski als Vertreter einer neuen Generation zum Einsatz. Danach übernahm Klinsmann und er brachte Löw mit, den früheren Eintracht-Spieler. Bei der Heim-WM und auch in manchen vorherigen Spielen, insbesondere beim Confed-Cup ein Jahr vor der WM, zeigte die Mannschaft teilweise vielversprechenden Angriffsfußball, ließ erstmals wieder aufhorchen, wenngleich (oder weil) die Vertreter der althergbrachten "deutschen" Tugenden langsam am Aussterben zu sein schienen. Man spielte noch ein 4-4-2, mit Mittelfeldraute, Frings und Ballack in der Mitte, Schneider und Schweinsteiger auf den Außenseiten, im Sturm mit Klose und Podolski. Das sah schon gut aus, gegen gleichwertige oder schwächere Mannschaften konnte diese Mannschaft das Spiel und viel Druck machen. Erstmals kam etwas ganz wichtiges ins Spiel, das den Aufstieg der Deutschen zurück in die Weltklasse deutlich beschleunigen und begünstigen sollte: Die Vorbereitung.  Man begann, Gegner akribisch zu analysieren, die eigene Mannschaft auch durch initial komisch anmutende Fitness-Übungen zu präparieren, Lauf- und Passwege einzustudieren, kurz: es wurde ein Plan, ein Spielsystem erkennbar. Dieses trug bei der WM im eigenen Land erste Früchte, wenngleich es weder gegen Argentinien noch gegen Italien letztlich durchgesetzt werden konnte. Immerhin waren die Deutschen gegen die sehr starken Argentinier noch ebenbürtig und obsiegten im Elfmeterschießen. Die Italiener zeigten dem Team dann die Grenzen auf, auch wenn es bis in die zwei Schlußminuten der Verlängerung noch 0:0 stand. Bei der EM 2008 gab es dann noch durchwachsene Darbietungen, auch, weil noch "Altlasten" wie Mertesacker und Metzelder sowie Ballack und Frings im Team den Ton angaben, Spieler, die entweder Schwächen im kreativen Spielaufbau aufwiesen, oder, im Falle von Ballack und Frings, dem geforderten Tempo nicht mehr gewachsen waren. So war Deutschland gegen Spanien deutlich unterlegen, ja eigentlich ohne Chance. 2010 dann eine deutliche Weiterentwicklung. Bereits in der WM-Qualifikation waren die Russen, bei der EM 2008 noch eine Entdeckung, auch dank eines überragend haltenden Rene Adler zweimal besiegt worden. Der Erfolg in Südafrika kam auch dadurch zustande, daß die verbesserte DFB-Nachwuchsarbeit endgültig zum Tragen kam und auch der damalige Bayern-Trainer Van Gaal, neben dem konsequenten Einsetzen von Müller und Badstuber, Schweinsteiger ins defensive Mittelfeld versetzt hatte, eine Position, die dem Edeltechniker am besten ermöglichte, seine Fähigkeiten einzubringen, vorher war er, trotz starker Leistungen, auf der Flanke verschenkt. Der Ausfall des sehr verdienten Ballack, der zuvor auch viele Spiele für die Deutschen entschieden hatte, ermöglichte in Südafrika endgültig den Wechsel zum schnellen Kombinationsfußball. Wieder war bei diesem Turnier Spanien noch eine Nummer zu groß, aber die Deutschen waren nah dran am Unentschieden, Kroos hatte frei vor Casillas den Treffer auf dem Fuß. Erneut konnte die Löw-Elf gegen die flüssig und schnell kombinierenden Spanier ihr eigenes Spiel nicht durchbringen, am Ende brachte aber erneut ein vermeidbarer Treffer - 2008 war es  ein Fehler von Lahm gewesen - nach Eckball das Aus. In der Zwischenzeit hat sich die deutsche Mannschaft noch weiter entwickelt, vor allem ist das Angebot an Spielern, die Löws Fußball spielen können deutlich breiter geworden, fast jeder kann nahezu gleichwertig ersetzt werden. Daß Deutschland gegen die sogenannten Großen nicht gewinnen kann, wie es noch bis in den Beginn der Löw-Ära hieß, ist längst wiederlegt.
Sieht man sich die Entwicklung der anderen Nationalmannschaften in jenem Zeitraum an, so fällt auf, daß keine, auch die Spanier nicht, seit 2006 so kontinuierlich erfolgreich war, Deutschland war von 2006 an immer unter den letzten vier.
Frankreich und Italien, die beiden Finalisten der WM 2006, wurden in der Vorrunde der EM 2008 von den Holländern vorgeführt und spielten 2010 nur eine unrühmliche Rolle, insbesondere die Franzosen. Aktuell ist Italien wieder da, die Franzosen enttäuschten erneut, wenngleich sie die absolute Blamage vermeiden konnten. Die Holländer blieben außer 2010 weit unter ihren Möglichkeiten, obgleich man ihnen eine zauberhafte, berauschende Vorrunde bei der EM 2008 zu verdanken hat - der allerdings ein jäher Absturz gegen Russland folgte. Portugal war 2004 ganz nah dran, konnte aber die unschönste Überraschung der jüngeren Fußballgeschichte nicht verhindern. Man hätte sich von Figo, Deco und Ronaldo immer etwas mehr erwartet, letztlich wurde die Mannschaft wegen wenigen überragenden Einzelspielern immer auch etwas überschätzt. Erst jetzt, da es Ronaldos Team ist, scheint ein großer Erfolg wieder möglich.
Daneben haben Brasilien und Argentinien bei den Turnieren seit 2002 enttäuscht, es scheint hier auch, im Gegensatz zu Europa, keine Konzepte für eine Entwicklung zu geben, alle vier Jahre wieder versucht man sein Glück mit kaum eingespielten Mannschaften. Was durch die großflächig verstreuten Spieler ohnehin schwer ist, wird auch nicht durch Trainingslager oder Turniervorbereitung versucht, zu kompensieren.

Montag, 25. Juni 2012

Versuch eines EURO-Tagebuchs 9:

Was gibt es an so spielfreien Tagen zu schreiben? Irgendwas mit Fußball ist immer. Aktuell der Fernsehstart einer Dokumentation über das aktuelle Leben und Treiben eines früheren deutschen EM-Teilnehmers. Natürlich habe ich die Sendung nicht gesehen, gehöre wohl auch nicht zur Zielgruppe. Aber eine Meinung habe ich trotzdem. Es geht um Lothar Matthäus und zu dem hat wohl jeder, der ihn als aktiven Spieler erlebt hat eine. Also alle, die mindestens 20 Jahre alt sind und sich für Fußball interessieren. Meine Meinung zu Matthäus weicht von den Leuten, mit denen ich mich austausche deutlich ab. Ich sehe in ihm einen Spieler, der zunächst bereits in sehr jungen Jahren eine ziemlich große Klappe und ziemlich viel Talent hatte. Dieses Talent investierte er in den ersten 5 bis 6 Jahren seiner Karriere (also ca. ab 1980) insbesondere in der Nationalelf in das Kettenhund-artige Bewachen und Verfolgen gegnerischer Stars, er war, was es heute nicht mehr gibt, Sonderbewacher, eine Art Vorstopper oder Manndecker im Mittelfeld. Verhinderte das Spiel von Maradona, Platini, Zico, nahm diese und andere Spielmacher der Gegner aus dem Spiel. Er nahm auch seinerseits nicht am Spiel der eigenen Mannschaft teil, das war für den damaligen "Sechser" auch gar nicht vorgesehen. Der Lauf- und Schußstarke Matthäus, der schon damals auch 50m-Pässe zum Mitspieler brachte, begann nach dieser reinen Zerstörerrolle mehr und mehr, auch an der Spielgestaltung teilzunehmen. Eine zeitlang spielte er fast schon wie die heutigen "Sechser". In den Jahren von 1987 bis 1991 war er dann tatsächlich ein dynamischer Antreiber von Weltklasseformat. Wohlgemerkt Weltklasse auf seine Position beschränkt, so wie Kohler ein Weltklasse-Vorstopper war ohne  zu irgend einem Zeitpunkt einer der besten Spieler der Welt gewesen zu sein. Danach ging es wieder bergab, auch von schweren Verletzungen und zunehmendem Alter geplagt. Als Wendepunkte seiner Karriere kann man aus meiner Sicht die WM 1986 einerseits und 1994 andererseits sehen. 1986 begann er erstmals, vom reinen Zerstören abzuweichen, mehr fürs Spiel der eigenen Mannschaft zu tun, wohl auch wegen des gewaltigen spielerischen Vakuums in der deutschen Elf, die damals mehr Vorstopper und Liberos (Herget, Augenthaler, Jakobs, Eder, Förster, Briegel) in ihrem Kader hatte als Spielmacher (Magath). Matthäus übernahm erstmals ansatzweise eine Führungsrolle, die er fortan auch nicht mehr abgab, auch als er längst nicht mehr die dazugehörende Leistung brachte. Am anderen Ende der Skala steht 1994, als der bereits deutlich alternde Kapitän, sinnbildlich für den Niedergang der Nationalmannschaft stehend, auf dem Platz in keinster Weise mehr den Anspruch erfüllte, Weltklassespieler zu sein, neben dem Platz aber so tat, als sei er es weiterhin. Spätestens von da an versuchte er nur noch seine Pfründe zu behaupten, seinen ihm seiner Meinung nach zustehenden Platz an der Spitze der Nahrungskette. Dabei konnte er immer weniger noch auf Leistungen zurückgreifen, immer mehr ging es außerhalb des Platzes zur Sache, in der Kabine und über die Medien, die sich, so sehr sie ihn benutzten, er für sie ein nützlicher Idiot war, auch ihrerseits von ihm einspannen und instrumentalisieren ließen.
Fußballerisch betrachtet haben wir also von 20 Karrierejahren etwa 3, wohlwollend 4 bis 5 Jahre auf hohem internationalem Niveau. Dem gegenüber stehen 5 Jahre als Wadenbeisser, Terrier im defensiven Mittelfeld, in denen er nichts anderes leistete als zu zerstören und weitere etwa 6-8 Jahre als Intrigant, Medienspitzel und Brunnenvergifter in der eigenen Mannschaft bei nur noch mässigen Leistungen. Sein Geltungsbedürfnis, sein Gehabe und sein Führungsanspruch nach innen und außen stimmten also während der überwiegenden Zeit seiner Laufbahn nicht mit der Leistung und dem Ansehen in der Mannschaft überein. Also wenn meine Kinder mich nach Matthäus fragen, dann sage ich ihnen, in beliebiger Reihenfolge, daß er es war, von dessen Tritt (Foul oder nicht spielt dabei keine Rolle) sich Jürgen Grabowski nicht mehr erholte und der auf solche Taten seine Karriere aufbaute und, daß das einmal, von 1988 bis 1991 ein sehr guter Mittelfeldspieler war. Im Gegensatz zu vielen tatsächlichen Stars, gab es Spiele wie das 4:1 gegen Jugoslawien von ihm aber nicht oft genug zu sehen, um ihn zu den ganz großen zu zählen, obgleich er sich in deren Reihen wähnt.
Nun also eine Doku-Soap über sein Leben. Nun, so konsequent, wie er in seinen guten Jahren auf dem Platz war, so ist er es auch nach seiner Karriere. Er macht sich halt mit allem lächerlich, was er seither anpackt. Auch hier kann man die wahrhaft Großen von den Möchtegernen unterscheiden. Hinzu kommt erschwerend, daß Matthäus entweder schlecht oder gar nicht beraten wird.

Egal, meiner Meinung nach tut man ihm Unrecht, wenn man sagt, sein Tun, aktuell die Fernsehshow, seien unter seiner Würde. Dafür hat er eine solche  bisher zu selten gezeigt.

Sonntag, 24. Juni 2012

Versuch eines EURO-Tagebuchs 8:

Welch freudige Überraschung, gerade, als ich nicht mehr daran geglaubt hatte: Joachim Löw ist noch für Überraschungen gut. So wie damals, im Februar 1982, als die Eintracht den Tabellenführer aus Köln empfing. Die Kölner mit Schumacher, Bonhof und Littbarski (damit die seltene Konstellation mit einem Weltmeister von 1974 und einem von 1990 in einem Team), Klaus Fischer, Cullmann. Ein packendes Spiel auf Messers Schneide. Beim Stand von 1:1 wird Joachim Löw in der 61. Minute eingewechselt. Sechs Minute später gibt es Elfmeter für die Eintracht. Der bewährte Schütze Lorant steht auf dem Platz, auch Körbel, Nickel wären mögliche Schützen. Doch wer schnappt sich den Ball? Ich, in Block L stehend, sage entgeistert zu meinem Begleiter: "Oh nein, der Löw schießt". Der Juniorennationalspieler trifft, bezwingt den Weltklassekeeper vom Punkt, die Eintracht gewinnt letztlich 4:2, das Spiel läuft in der Sportschau. Das war damals keine Selbstverständlichkeit, es wurden von jedem Spieltag nur drei im voraus ausgewählte Spiele gezeigt. Im Winter ein Lotteriespiel, für den Fall eines Spielausfalles blickte man in die Röhre.
Aktuell hat Löw zwar nicht den etablierten Schützen den Ball weggenommen, aber er setzte Podolski, Gomez und Müller auf die Bank. Nach den bisherigen Leistungen vor allem im Falle von Podolski und Gomez vertretbar. Die Maßnahme zeigte Wirkung, mit der Folge einer erheblichen Belebung des deutschen Angriffsspiels. Das Spiel lief viel besser als die bisherigen, ob die Griechen jetzt der bisher schwächste Gegner waren, die Deutschen so stark wie bisher noch nie bei diesem Turnier, oder beides ist schwer zu sagen. Als Optimist tendiere ich zu zweiterem, auch wenn die Mängel im Spiel der Griechen kaum zu übersehen waren. Ein Glück für unsere Mannschaft und für die Zuschauer war sicher das erste Tor der Griechen. Sah es in den Minuten nach der Pause zunächst nur nach einem Verwalten durch die Deutschen aus und wirkten unsere Aktionen nach Wiederanpfiff zunächst halbherzig, so war der Treffer von Samaras ein Weckruf, die deutsche Mannschaft gab danach nochmal Gas und der Sieg fiel noch um ein bis zwei Tore zu niedrig aus. Das Gegentor wäre mit Podolski anstelle Schürrle wohl nicht gefallen, da der perfekt ausgespielte Konter der Helenen von einem Ballverlust des Ex-Mainzers ausgegangen war. Da Podolski nie in ein offensives 1:1-Duell geht, wäre dieser Ballverlust auch nicht entstanden. Da Podolski nie in ein 1:1-Duell geht, ist diese Angriffsseite auch meistens so statisch, wenn er spielt. Schürrle macht ungleich mehr Betrieb, riskiert mehr und generiert so auch viel mehr gute Aktionen und Torgefahr als der zukünftige Gunner. Also sollte Löw gegen die Italiener unbedingt wieder mit der Griechenland-Elf spielen. Schweinsteiger wird er wohl nicht wagen, herauszunehmen, dafür dürfte der Respekt vor Pirlo - zu Recht - zu groß sein. Die Italiener haben sich verdient gegen England durchgesetzt und somit auch verdient, gegen uns zu spielen. Ich habe wenig von ihnen gesehen, was um einen Finaleinzug bangen läßt, so daß der Italien-Fluch, der ja vor allem für Weltmeisterschaften gilt, gebannt werden sollte.
Auf der anderen Seite die Spanier, die sich durch einen großartig spielenden Ribery und einen stark haltenden Lloris alleine nicht aufhalten ließen. Wann hört dieses ewige Ballgeschiebe der Spanier eigentlich auf, attraktiv zu sein oder als attraktiv zu gelten? Jetzt! Es ist eine ständige Gratwanderung zwischen Mittel zum Zweck des Siegens, indem ständig auf den einen Paß in die Spitze zum Torabschluß gelauert wird einerseits, und einem selbstgefälligen Vorführen des Gegners als Selbstzweck, ohne überhaupt aufs Tor zu spielen andererseits.
Der Sieg der Spanier kam jedenfalls "Deutsch" daher, ein toller Spielzug zum Führungstor und danach verwalteten sie das Spiel, ohne noch groß in Gefahr zu kommen, aber auch ohne selbst zu glänzen. "Deutsch" vor der Ära Klinsmann wohlgemerkt. Meistens ist ja das Original besser als die Kopie, das mußten ja auch schon die Holländer feststellen, ein weiteres Team, das für sich in Anspruch nahm, jetzt "deutscher als die Deutschen" zu spielen.

Und bevor ich es vergesse, hier noch ein Gruß an die 11-Freunde-Redaktion bzw. an die Verantwortlichen für das Rätsel. Wolfgang Schäfer, um dessen Lebenswandel zu seinen Frankfurter Zeiten (Rot-Weiß) sich unschmeichelhafte Anekdoten ranken, schoß zwar Bayer zum Pokalsieg. Aber dabei handelte es sich um Bayer 05 und den DFB-Pokal. Seine Ähnlichkeit zu Klaus Täuber ist sicher größer, als die Ähnlichkeit zwischen DFB- und UEFA-Pokal, aber hier wurde wohl etwas schlampig recherchiert. Das besagte Bild im Rätsel zeigt Täuber, den Boxer, beim Versuch, den UEFA-Pokal zu füllen. Der Halter des Pokals könnte A. Reinhardt sein, aber da möchte ich mich nicht festlegen.

Freitag, 22. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 7:

Die Spannung steigt vor dem großen Spiel gegen die kleinen Griechen. Diese leider ohne Kirgiakos, der bei vernünftigem Schiedsrichter immer für 1-2 Elfmeter gegen seine Mannschaft gut ist, für Gegentore durch verlorene Laufduelle sowieso. Vorne lauert Gekas, zum Glück oft im Abseits. Sollte einen Kantersieg geben, wird aber wahrscheinlicher ein zähes 1:0. Löw scheint wieder die selbe Mannschaft (bis auf Boateng für Bender) ins Rennen schicken zu wollen. Schade. Erinnert sei an dieser Stelle mit warnendem Zeigefinger an die Worte des großen Jupp Derwall "was soll ich mich wegen der Algerier Jeck machen?" vor dem ersten Spiel der Deutschen bei der WM 1982. Es folgte ein lahmes, uninspiriertes Spiel einer behäbigen, selbstzufriedenen und überheblichen Deutschen Mannschaft mit verdientem Ausgang. Die Deutschen waren seinerzeit amtierender Europameister und in Derwalls Amtszeit immer noch ungeschlagen gegen Mannschaften aus Europa, hatten in knapp vier Jahren nur gegen Argentinien und Brasilien verloren. Wenn das heute nur mal gut geht!
Hoffentlich im Gegensatz zu unseren Spielern blicke ich schon mal aufs Halbfinale voraus, wo mir England viel lieber wäre, da gegen Italien ein manifester Komplex besteht. Wir haben bei einem Turnier noch nie gegen die Azzurri gewonnen!
Im anderen Halbfinale wartet Portugal auf den Sieger aus Spanien - Frankreich, bleibt eine Überraschung aus, winkt hier also ein Iberisches Derby, in dem die Spanier für mich noch nicht ausgemachter Favorit wären.
Die Portugiesen schafften den Sprung unter die letzten vier in einer für diese EM typischen Begegnung. Nur eine Mannschaft spielt, die andere ist nur aufs Verhindern und den Zufall aus. Unansehnlich aber bei so vielen beteiligten Mannschaften, denen die Klasse fehlt und die nur mittelmässiges Spielerpotential haben wohl schwer zu vermeiden.
Ronaldo und ähnlich begabte Spieler machen also - noch - in der Mehrzahl der Fälle den Unterschied zugunsten der aktiveren Mannschaft aus.
Sonst? Stark, "der Held von Düsseldorf", ist nach Hause geschickt worden, mit Recht. Kahn und Hohenstein kann man nicht nach Hause schicken, da sie sich sowieso in Deutschland aufhalten, gar nicht erst die Reise zur Euro angetreten haben.

Dienstag, 19. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 6:

Die Vorrunde ist vorbei, endlich, möchte ich hinzufügen. Ich habe wenig ansprechenden Fußball gesehen, man könnte sagen, die meisten Spiele waren auf hohem Niveau unattraktiv. Meistens schiebt sich die Mannschaft, die gewinnen muß/sollte, den Ball zwischen Mitte der gegnerischen Hälfte und Strafraum hin und her, die andere verteidigt den Strafraum mit acht bis zehn Mann. In den wenigen Situationen, die nicht nach diesem Schema ablaufen, entscheidet dann individuelle Klasse - oder Mangel selbiger bei den Torleuten. Z.B. bei der gestrigen Partie der Schweden gegen Frankreich, als Ibrahimovic für ein Highlight mit seinem Seitfallzieher sorgte. Ibrahimovic ist ohnehin einer der wenigen auffallenden Stars der EM (gewesen). Stolziert 85 bis 88 Minuten lang wie eine beleidigte Diva auf dem Bolzplatz daher. In den restlichen Spielminuten aber pures Genie. In der ganzen spielerischen Armut ist mir wenig positives im Gedächtnis geblieben. Iniesta ist eine Augenweide, vielleicht der beste Mittelfeldspieler der Welt im Moment, die zwei Tore durch Schweinsteiger/Gomez gegen die Niederlande gehören sicher auch zu den Höhepunkten der Vorrunde. Entdeckungen? Aus deutscher Sicht fallen mir zuerst Badstuber und Hummels ein, also zwei, die man früher als Vorstopper bezeichnet hätte. Und der Konservatismus von Löw bei der Aufstellung, er läßt Spieler auf der Bank schmoren, die den ersten elf ebenbürtig sind, vielleicht sogar in besserer Form, riskiert damit langfristig, daß wir holländische Verhältnisse bekommen, frustrierte Spieler, die keine Perspektive sehen und dann, wenn sie doch mal spielen dürfen, nicht präsent genug sind.
Der auffälligste Deutsche war bisher dieser Schiedsrichter, der schon so oft nicht so gepfiffen hat, wie er heißt. Überhaupt, was soll dieser "Torrichter", der nun schon zweimal an ganz prominenter Stelle so versagt hat. Zunächst im Spiel Spanien - Kroatien, wo er höchstens zwei Meter vom Foul entfernt stand und wie gelähmt erstarrte, anstatt das Offensichtliche zu signalisieren. Dann beim Tor der Ukraine, wo er ebenfalls gut postiert war und nicht reagierte, als der Ball hinter der Linie war.
Heutzutage geht es technisch so schnell, eine Zeitlupe zu erstellen, daß endlich der Videobeweis, zumindest in der Torfrage, eingeführt werden sollte. Auch die Einführung eines zweiten Hauptschiedsrichters sollte kommen, durch weniger Laufarbeit könnte es den Schiedsrichtern leichter fallen, Entscheidungen zu treffen.
Die Fernsehberichterstattung läßt auch noch viele Wünsche offen. Im ZDF wie gehabt das hölzerne Duo Hohenstein/Kahn auf dieser dämlichen Bühne, ohne jeglichen Bezug zu Fußball, ohne Atmosphäre, was die Defizite der Moderatoren noch stärker bloßlegt. In der ARD immerhin Mehmet Scholl, der sowohl mit Opdenhövel als auch mit Beckmann (der halt doch in erster Linie Sportjournalist und danach erst windelweicher, einfülsamer Talkshow-Gastgeber und Gittarist ist) gute Analysen abliefert, auf seine Art, die ihn schon als Spieler auszeichnete, spritzig und inspiriert. Ein Ärgernis bleiben aber die dauernden Unterbrechungen durch die Interviews vom Spielfeld und die Werbung für "Waldis Club". Denken die Verantwortlichen, ihre Zuschauer litten alle unter ADHS, so daß man ihnen keine Ausführungen, die über drei Sätze hinaus gehen, zumuten darf, oder warum wird Scholl so oft unterbrochen? Zugunsten von Interviews, die keinerlei Informationsgehalt haben, überflüssig sind, ja sowieso abgeschafft gehören. Oft sogar noch schlecht übersetzt, die meisten Reporter scheinen überfordert mit der sportspezifischen Sprache der Spieler. Also: Schluß mit den Spielfeldrandinterviews. Und Schluß mit Waldis Club, was soll ich Bärbel Schäfer beim Reden über Fußball zuhören, oder Ede Geyer, oder dem (zugegeben begabten) Komiker, der sich als alle möglichen Spieler verkleiden kann. Matthäus-Verarsche? Völlig unnötig, das Original ist sowieso nicht zu überbieten. Man lasse Mehmet Scholl einfach mal ausreden, führe mal ein Gespräch über mehr als zwei Minuten am Stück. Die Interviews kann man, wenn man sie schon nicht wegläßt, auch noch später, im Zusammenhang zeigen.
Für die verbleibende EM hoffe ich einfach nur auf attraktiven Offensivfußball anstelle des Handball-ähnlichen Ballgeschiebes und, daß die Mannschaften, die sich stärker für das Spiel engagieren auch belohnt werden.

Montag, 18. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 5:

Es bleibt weiterhin unklar, ob die Deutsche Mannschaft wegen der starken Gegner oder wegen einer Formschwäche nicht zu ihrem Tempospiel kommt. Ich bleibe bei meiner Ansicht, daß zumindest Podolski aus der Startelf rausgehört, sein Treffer gegen die Dänen kann seine maue Darbietung auch nicht entscheidend aufwerten, zumal sein Schuß beinahe noch gehalten worden wäre, von einer souveränen Verwandlung kann also keine Rede sein. Schürrle ist, bis auf die Schußstärke, in jeder Beziehung stärker einzuschätzen, hat gerade in der Nationalelf immer viel Dynamik und Torgefahr ausgestrahlt, im Gegensatz zu Podolski. Gegen die Griechen wird es wohl wieder ein Geduldspiel, ob die wahren Deutschen bei dieser Euro also die behäbig den Ball hin- und herschiebenden oder doch die unwiederstehlichen Tempofußball aus der Quali spielenden sind, wird weiter ungeklärt bleiben.
Zum Trost läßt sich feststellen, daß auch die Spanier gegen gut organisierte und ihrerseits zu nadelstichartigen Angriffen fähige Mannschaften Probleme bekommen. Einem Sieg der Kroaten stand in erster Linie der Deutsche Schiedsrichter im Weg. Er brachte es fertig, eine Elfmeter- und dunkelgelb-würdige Situation umzudeuten, für mich völlig unverständlich. Doch halt, das war doch derselbe Schiri, der im unvergesslichen Spiel in Düsseldorf einen Elfer für die Fortuna in der vorletzten Minute gab, obwohl er kein Foul gesehen hatte (welches es auch gar nicht gab), auf Verdacht seines weit entfernt und schlecht postierten Assistenten hin. Das soll der beste Deutsche Schiedsrichter sein? Dann sollten sie über eine Reaktivierung von Hartmut Berg aus Konz nachdenken, damit Stark auf seinem Niveau nicht so alleine ist. Seine indiskutable Leistung rundete er ab, indem er weitere zwei Strafstoss-würdige Fouls - je eines auf jeder Seite - ebenfalls nicht ahndete, jeweils Szenen, in denen tatsächlich das passierte, was in Düsseldorf sein Assistent zu sehen wähnte.

Versuch eines Euro-Tagebuchs 4:

Das mit dem Fußball-freien Abend habe ich so gut wie geschafft. Es blieb bei der zweiten Halbzeit England gegen Schweden. Gut so, war schließlich doch recht unterhaltsam. Der Fußball dieser beiden wird sich wohl nie ändern, in diesem Fall war das für das Spiel positiv, sonst ist es vom ästhetischen Standpunkt her auch oft ärgerlich, dieses Gerenne und die hohen, weiten Bälle mitanzusehen. Naja, die Hauptsache sind immer noch die Tore, und vier in einer Halbzeit sieht man heute ja auch nicht so oft. Und der bisher kurioseste Treffer des Turniers, das 1:1 der Schweden: Ibrahimovic setzt zunächst einen Freistoß in die Mauer, ehe er den zurückprallenden Ball mit einem grotesk anmutenden Scherenschlag weit neben das Tor schießt. Der Ball landet aber, da ganz schlecht getroffen nicht dort, sondern vor den Füßen von Melberg. Dessen Schuß wird von Englands Keeper Hart glänzend abgewehrt, prallt aber von Harts Hand gegen den unglücklichen Abwehrspieler Johnson, von diesem Richtung Tor. In selbiges befördert Johnson den Ball mit seinen Rettungsversuchen dann. Also Freistoß vergeben, Nachschuß total verunglückt, zweiter Nachschuß glänzend abgewehrt, macht zusammen: Tor!
In Gruppe A wurde der Expertise des Kicker-Sonderheftes eine ziemlich lange Nase gedreht, es kam genau entgegengesetzt zur Erwartung. Die Griechen im Viertelfinale und demnächst 24 Mannschaften bei der Euro, das spricht nicht unbedingt für Qualität. Aber wenn sie sich mit ihren äußerst begrenzten Möglichkeiten in dieser äußerst schwachen Gruppe durchsetzen, dann gehören sie eben unter die letzten acht, obwohl sie da nichts zu suchen haben. Für die Holländer natürlich sehr makaber, aber andererseits haben sie auch genau das Gegenteil vorgeführt. Während die Griechen aus fast nichts das Maximum herausholen, machen die Niederlande aus scheinbar beinahe unbegrenzten Möglichkeiten nichts. Die Deutsche Mannschaft hat in einer Gruppe, deren Hochklassigkeit historische Ausmaße besaß, jedes Spiel gewonnen. Das sollte eigentlich zu Jubelstürmen und Euphorie veranlassen. Aber die Spiele waren zähe Angelegenheiten, spielerische Glanzlichter waren Mangelware und die Partien waren sehr eng, standen auf der Kippe und hätten auch anders ausgehen können. Das darf natürlich bei Gegnern dieses Kalibers so sein und die meisten Mannschaften würden liebend gerne mit unserer tauschen. Aber ich weiß nach dieser Vorrunde nicht, wie ich die Form unserer Mannschaft einschätzen soll. Es bleibt trotz der neun Punkte viel Verbesserungsbedarf, vor allem im Spiel nach vorne. Gegen Dänemark bestand die große Gefahr, daß die Deutschen vor lauter Überlegenheit das Toreschießen vergessen und jede Ecke der Dänen hätte den Spielverlauf auf den Kopf stellen können. Gegen die Griechen sollte das nicht passieren, 60% Ballbesitz sind keine Sieggarantie. Der Vorteil dieser Vorrunde ist, daß die Löw-Truppe in jedem Spiel stark gefordert wurde, sie sind auf Betriebstemperatur, jede Begegnung hatte aufgrund der Gruppenkonstellation K.O.-Charakter, das gilt für die Teams der anderen Gruppen nur bedingt. Mal sehen, ob Spanien heute mit Kroatien zurecht kommt, das 4:0 gegen das drittklassige Irland war keine Prüfung, es muß kein Vorteil sein, in der Vorrunde so ein leichtes Spiel zu haben. Gegen Italien fehlten den Titelverteidigern jedenfalls die Antworten.
Ich finde das Turnier fußballerisch nicht so ansprechend wie es in den Medien dargestellt wird. Nehme ich die Deutschen Begegnungen wegen der emotionalen Beteiligung aus, so habe ich bisher vielleicht drei bis vier attraktive Spiele gesehen, von denen zwei (Russland gegen Tschechien und Spanien gegen Irland) jedoch sehr einseitig waren.
Und die Berichterstattung? Die Ostseebühne wurde ja schon viel gescholten, und das völlig zurecht. Viel schlimmer aber aus meiner Sicht das Duo Hohenstein/Kahn. Der Ex-Torhüter wirkt staubtrocken, die Sportjournalistin gehemmt. Von beiden geht keinerlei Esprit aus, da kommt nichts rüber. Auch im 21. Jahrhundert gibt es noch Frauen, die im Sportjournalismus deplatziert wirken. Sprachduktus, Sachkenntnis, Spritzigkeit. Hat Hohenstein nicht. Sie befruchten sich nicht gegenseitig, sie lockt Kahn nicht aus der Reserve, er sie auch nicht. Außerdem macht es einen Unterschied, ob die Moderatoren vor Ort sind, oder nicht. Scholl kann in seinen Analysen die nicht auf die Fernsehbilder beschränkten Einblicke einbringen, im Stadion sieht man mehr als vorm Fernseher. Auch sonst sind die Moderationen von und mit Scholl besser, wirken auch fundierter. ZDF nur Zweiter! Waldis Club spare ich mir, nicht nur wegen der Sendezeit. Ich kann darauf verzichten, diesen vielen Ex-Fußballern und geneigten fußballaffinen Promis beim Phrasendreschen zuzuhören. Kein Nährwert. Amüsant dagegen, den Kaiser bei einem Grillfest im Kleingartenverein als Ehrengast zu sehen, er war offenbar der Gewinn bei irgendeinem Preisausschreiben. Fühlte sich sichtlich wohl, unsere Lichtgestalt. Wie zu vernehmen war, stellt die UEFA oder eine ihrer Unterorganisationen zentral die Fernsehbilder zur Verfügung. Dabei nimmt man es mit der Authentizität wohl nicht immer so genau. Möglich, daß das mit dem Demokratieverständnis eines der Gastgeberländer korrespondiert, andererseits scheint sich die UEFA ja inzwischen auch auf dem Weg zur Schurkenorganisation zu befinden, in Anpassung und nicht mehr wie früher in Abgrenzung zur FIFA. Naja, so ein Schurkenstück wie die WM-Vergabe nach Katar wird der UEFA wohl lange nicht gelingen. Pikant am Rande, daß Blatter wohl diesen Gipfel der Dekadenz gar nicht mehr erleben wird. Gemeint ist die WM in der Wüste, wo für Milliarden Infrastruktur erstellt werden wird, die das Land nicht braucht, ein Land, das nicht demokratisch ist, in einer Region, die ein weltumspannendes Freudenfest, wie es eine Fußball-WM sein sollte, eigentlich wegen der oft zur Schau gestellten dort herrschenden Intolleranz nicht verdient hat. Hat aber mit der EURO nichts zu tun.

Freitag, 15. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 3:

Ein gutes 2:1 gegen die Niederlande, viele mässige Spiele und ein mir selbst genehmigter fußballfreier Tag heute, so sieht's aus.
Das Spiel der Deutschen gegen die Holländer war von Deutscher Seite 60 Minuten lang sehr gut, dann wirkte unsere Elf ziemlich platt, ohne daß noch groß etwas angebrannt wäre. Nur ein Gegentor, so ziemlich der einzige Fehler von Badstuber und von Hummels, den sie glücklicherweise gleichzeitig beim Treffer von Van Persie machten. Auf Deutscher Seite durch die Bank gute Leistungen, Podolski würde ich hier etwas ausnehmen, von ihm geht zur Zeit gar keine Offensivgefahr aus, er hat aus meiner Sicht den Platz in der Startelf 2 x nicht gerechtfertigt. Ich warte nun schon seine gesamte Nationalmannschaftskarriere darauf, daß er endlich zum ersten Mal ein 1:1 in der Offensive gewinnt, einen Gegenspieler ausspielt, umdribbelt. Die Bank ist zu gut besetzt, um ihn weiter mitzuschleppen, schwächer können die anderen, die einen Einsatz verdient haben, auch nicht spielen. Bei den Oranjes wieder einmal zu wenig von den Stars, der Rest der Mannschaft fällt zu stark ab, das Problem ist nicht die fehlende Bindung zwischen Offensive und Defensive, sondern das zu große Gefälle zwischen Van Persie, Sneijder und Robben sowie dem Rest. Robben ist gerade dabei, seinen Marktwert in den Keller zu treiben, die Bayern-Verantwortlichen werden es mit großer Besorgnis sehen.
Sonst? Gruppe A ist sportlich ungleich schwächer als die Deutsche Gruppe. Unklar, wie stark die Russen wirklich sind, die Polen haben vor allem großen Willen, die Tschechen harm- und ideenlos, die Griechen können von allem zu wenig, um selbst in dieser Gruppe mitzuhalten - aber immerhin auch schon gemerkt, daß Sotorios Kyrgiakos kein Fußballspieler ist.
In Gruppe C das altbekannte Bild von Italien, wie man es seit mindestens 50 Jahren kennt: Teilweise begnadete Spieler (Mazzola, Riva, Rivera, Bettega, Antognioni, Rossi, Baggio, Del Piero, Totti etc.) und doch versuchen sie dauernd, das Spiel kaputtzumachen. Hartes, teils hinterfotziges Spiel, Schauspielerei und immer rückwärtsgewandt. Bisher nicht mit einem sieg belohnt, aber als nächstes kommt ja Irland, gegen die müßten sie eigentlich ihre 1:0 Führung durchbringen. Spanien spielte gegen eben diese Iren so wie meistens, Ballbesitz und -zirkulation bis der Arzt kommt, die reichlich vorhandenen Lücken der gegnerischen Abwehr ausnutzend und sogar aufs und ins Tor schießend. Schön anzusehen, die Fußballwelt hat ihre Spanier wieder, schwärmt und staunt. Dennoch können die Spanier gegen die Kroaten im Fall einer Niederlage ausscheiden. Die Bilic-Mannschaft, so etwas wie die Italiener des Balkans, nur vielleicht etwas angriffslustiger, werden sicher etwas eher den endlosen Ballstaffetten der Spanier gewachsen sein als die Iren. Wie sind der Sieg und die Leistung der Spanier einzuordnen? Erstmal war es eine der wenigen Begegnungen, die höheren Unterhaltungswert besaßen. Trotzdem ein Muster ohne Wert. Gegen diese völlig indisponierten und überforderten Iren, die ohne jeden Plan in das Spiel gegangen zu sein schienen, hätte die Deutsche Elf auch ein 4:0 geschafft oder mehr. Die Iren traten auf, wie man es sonst vor allem von den wenigen übriggebliebenen Exoten bei den weltmeisterschaften her kennt. Als spielten sie ein anderes Spiel. Erstmal also müssen die Spanier diese Leistung gegen eine nicht Skandinavische oder Britische Mannschaft bestätigen. Nächste Chance wie gesagt gegen die giftigen, galligen, nicht immer fairen Kroaten, die dazu auch noch kicken können. Heute schaue ich kein Spiel, das erste interessiert mich nicht und Schweden gegen England? Da könnte ich mir genausogut nochmal England gegen Irland von der WM 1990 ansehen.    

Mittwoch, 13. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 2:

Was gibt's vor dem großen Nachbarschaftsduell gegen Holland noch zu sagen? Hoffentlich ist der ZDF-Kommentator besser auf der Höhe als der völlig indisponierte Kommentator des Spiels Frankreich gegen England. Der hatte bei einer Großchance der Franzosen (schon die ganze Zeit ganz in dunkelblau) nach Eckball eine Glanzparade von Lloris (schon die ganze Zeit ganz in rot mit Kapitänsbinde) gesehen, obwohl der hellblond gesträhnte, in grün mit 80er Jahre Retromuster auftretende Engländer Hart parierte. Warf dann später noch Cordoba (siehe Orte der Schande) und Gijon (ebenfalls siehe Orte der Schande) durcheinander, als hätte die aktuelle Partie zweier doch arg limitierter aber bemühter Mannschaften irgendetwas mit dem großen Auftritt der Prohaska, Krankl und Co. in Argentinien oder dem schmählichen Ballgeschiebe von Deutschland und Österreich in Spanien 1982 gemeinsam. Solche Fehltritte sehen wir heute hoffentlich nicht von der Löw-Elf. Spannend und vielleicht spielentscheidend wird sein, wer am besten seine Defizite aus dem ersten Spiel ausmerzen kann. Da sollten die Deutschen im Vorteil sein, da ihre Mängel aus dem Portugal-Spiel keine prinzipiellen oder strukturellen sind, eher an der Tagesform und der Spielweise des Gegners festzumachen. Insgesamt ist es ein großer Fortschritt, daß die Mannschaft, obwohl sie kein Mittel gegen einen kompakt stehenden Gegner fand, ihr Spiel nicht durchbringen konnte, nicht die Nerven verlor und gewann. Anders die Holländer, die gegen Dänemark genau ihr Spiel spielten, es aber einfach nicht reichte, und die sich nun mehr mit dem schwer zu ändernden Charakter vor allem ihrer Stars als mit der Spielweise oder Taktik auseinander setzen müssen.
Ansonsten: Griechenland hat verloren, nichts besonderes, und Polen hat sich deutlich gesteigert, es hat aber gegen die Russen nicht gereicht, so daß sie jetzt gegen die Tschechen einen Sieg brauchen. Am Ende könnte ausgerechnet die schlechteste Mannschaft des Turniers (neben Irland) das Zünglein  an der Waage sein. Immerhin muß ich den Griechen bzw. ihrem Trainer Respekt zollen, dafür, daß auch sie inzwischen gemerkt haben, daß Sotorios Kyrgiakos gar kein Fußballspieler ist.
Und a propos Cordoba: Hier spielten Deutschland und Holland auch einmal, in der zweiten Finalrunde der WM 1978, gegeneinander. Das Spiel lief Abends zu spät, so daß ich es nicht sehen durfte. Ich hörte also im Radio, wie der Freistoß von Rainer Bonhof an der Mauer vorbeisauste, vom übergewichtigen Piet Schrijvers (der Holländische Dietmar Linders) nur abgeklatscht werden konnte, wie Abramczik heranrauschte und mit Flugkopfball den Abpraller ins Tor wuchtete. Ich bin dann schnell die Treppe heruntergerannt, um das Tor in der Zeitlupe sehen zu können. Als ich dann am nächsten Morgen aufstand, hörte ich den Ausgang, ein 2:2, Arie Haan hatte mit einem Fernschuß aus 30 Metern den Deutschen Sieg vereitelt. Sepp Maier war auch nicht mehr der, der er einmal gewesen war. Mit diesem Unentschieden war für die Deutsche Elf noch alles drin, im letzten Spiel wartete die leichte Aufgabe Österreich, während die Mitkonkurrenten Italien und Holland direkt aufeinandertrafen. Der Rest ist Geschichte.
Was das für heute bedeutet? Keine Ahnung. Jedenfalls gewinnt nicht immer die meist-tätowierte Mannschaft.

Montag, 11. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 1

Was geschah bisher?
Schwache Eröffnung der Polen, die dennoch auf ein Weiterkommen hoffen dürfen, da hinter den Russen, die beeindruckten, alles offen scheint. Schwache Gruppe, der Erste der Gruppe B darf sich auf einen leichten Viertelfinal-Gegner freuen.
Die Holländer wie erwartet, von den Egos ihrer großen drei, Sneijder, Robben, Van Persie erdrückt. Keiner läuft für den anderen, schon gar nicht selbstlos, also wenn für ihn selbst nichts drin ist, sie bleiben stehen und schauen zu, wenn sie nicht direkt beteiligt sind, sie arbeiten nicht nach hinten. Wenn ihre Mannschaft ein Tor erzielen würde, würden sie sich wohl sogar noch ärgern, wenn es ein anderer erzielte. Ist es Pech, wenn man so selbstgefällig auftritt? Ist eine Besserung zu erwarten, wenn nach dem Spiel keinerlei Selbstkritik, keine Einsicht geäußert wird?
Deutschland tat sich sehr schwer und sofort werden Bedenken laut. Erstens habe ich Portugal noch nie so stark spielen sehen, zweitens sind diese drei Punkte Gold wert. Es gab viel positives in der deutschen Mannschaft. Die Debatte um die Scholl-Kritik an Gomez finde ich sehr spannend. Das was Scholl als Problem sieht, hat in vergleichbarer Form die Eintracht mit Gekas erlebt - und stieg ab. Sobald ein solcher Stürmer nicht trifft, schwächt er die Mannschaft, ist ein Ausfall, was sich nicht nur auf das Spiel auswirkt, sondern auch außerhalb des Spielfeldes Unruhe in die Mannschaft bringen kann, weil andere Leistungs- und Aufstellungskriterien zu gelten scheinen als für den Rest der Mannschaft. Wie oft darf ein Spieler schwach spielen, ohne aus der Startelf auszuscheiden? Ist Gomez wirklich so stark, daß man Leistungsprinzipien außer Kraft setzen muß? Und was darf ein - im übrigen ebenso unterhaltsamer wie kundiger - TV-Experte sagen, was nicht? Reicht nicht das Weichspüler-Gewäsch von Beckmann, Steinbrecher und co.? Auch was Kahn abliefert ist ein Jammer, er hangelt sich von Phrase zu Phrase. Natürlich darf Scholl Spieler bewerten, die sind ja auch keine Waisenknaben, und so unanständig war seine Äußerung ja nun auch nicht. Gomez darf dafür ja auch 70 Minuten nebenher laufen um sich dann für eine gute Aktion von Tausenden im Stadion und Millionen zu Hause feiern zu lassen.
In der nächsten Gruppe die Spanier, die sich einen Wolf spielen und sich weigern, aus einer Entfernung von über 10 Metern abzuschließen, mit der Folge, daß es kaum einmal zum Abschluß kommt. Die Italiener dagegen wiedererstarkt, ebenbürtig. Eigentlich schön, wenn es nicht einen totalen Kulturwandel bedeutete, da ich noch nie eine italienische Nationalmannschaft sympathisch fand. Kroatien, Irland? Uninteressant. Außer Bilic, den am finstersten und furchteinflössendsten schauenden Trainer, den ich jeh gesehen habe.
Vor dem Turnier war für mich Frankreich zweitgrößter Favorit neben Deutschland. Im ersten Spiel gegen biedere aber mit viel Herz spielende Engländer habe ich nichts gesehen, was eine Favoritenrolle begründen würde, im Gegenteil, einen vom Robben-Bazillus befallener Ribery, der sich noch öfter verdribbelte als das Münchner Mobbing-Opfer und einen stets bemühten Nasri als einzige Aktivposten. 
Schweden und Ukraine? Auch uninteressant.
Nach der ersten Runde der Gruppenphase ist im Grunde Deutschland als einziger der Favoritenrolle gerecht geworden. Gegen eine sehr starke portugiesische Mannschaft wurde gewonnen, man kann einen solchen Gegner nicht einfach wegspielen. Das Spiel zeigte exemplarisch den neuen spielerisch-taktischen Trend auf. Dieser scheint auf eine Wiedergeburt des Mauerfußballs hinzudeuten, als backlash auf die kombinations- und gedankenschnellen, technisch starken und spielfreudigen Mannschaften wie Deutschland und Spanien. Mann steht tief, baut vor der Viererkette noch einen Riegel auf, in den 30 Metern vor dem Tor tummeln sich acht bis neun Verteidiger. So können die fußballerisch limitierten Mannschaften die Niveau-Unterschiede nivellieren, Tore werden immer seltener und kostbarer. Den Spaniern könnte dies, wie schon Barcelona in der Champions-League, zum Verhängnis werden, ihre Neigung, sich durch endlose Ballstaffetten selbst einzulullen, könnte hier ein übriges tun. Wenn der Gegner, wie weiland Ali, die "rope and dope"-Taktik wählt, einfach die Angriffe anrollen und über sich ergehen läßt, dabei den Strafraum oder wenigsten den 5-m-Raum sauberhält, kann das ganze Konzept über den Haufen geworfen werden. Eine gelungene Offensivaktion der defensiven Mannschaft, ja nur eine gut ausgeführte Ecke kann reichen und die, die sich um Offensive bemühen, verlieren. Ob Spanien einen Plan B hat oder ob das Projekt ohne Stürmer wieder beerdigt werden muß, bleibt abzuwarten.
Ich traue den Deutschen jedenfalls eher zu, auf ein frustrierendes Anrennen oder Nicht-Aufgehen des Spielkonzeptes eine Antwort zu haben, als Spanien. Was die Leistung der Russen wert ist, bleibt ebenfalls abzuwarten, so daß Deutschland der Top-Favorit auf den Titel bleibt.

Euro 2012, was war davor?

Meine bisherigen Turniere im Schnelldurchlauf:
1976 - Das erste große Turnier, an das ich mich erinnern kann, war eine Europameisterschaft, die von 1976. Die WM 1974 hatte ich im fernen Singapur verbracht, gar nicht wissend, daß es sowas gibt. Die Euro 1976 war eigentlich gar kein großes Turnier, nur ein Halbfinale und ein Finale. Es gab den kometenhaften Aufstieg des Dieter Müller, Flohes Eleganz, Hölzenbeins last-minute-Treffer, den famos haltenden Viktor im Tor der Tschechen, das Elfmeterschießen. Jubelnde CSSR-Spieler in Deutschland-Trikots.
1980 - Ein in Europa seit zwei Jahren ungeschlagenes Derwall-Team gewinnt glanzlos ein glanzloses Turnier. Aber zugleich der Aufstieg von Schumacher, Kaltz, Förster, Rumenigge, Stielike und Schuster in die internationale Klasse. Im Wartestand dahinter bereits die U 21-Spieler Littbarski, Völler, Matthäus (1 Kurzeinsatz bei der Euro), also rosige Aussichten für die DFB-Elf.
1984 - Ein Michel Platini in überirdischer Form, nach zwei für ihn bitter verlaufenen WM und der nicht geschafften Quali für die vorhergegangene Euro auf dem Höhepunkt seiner großen Karriere. Die Deutschen raus in der Vorrunde, verdient nach erbärmlichen Leistungen, wenngleich mit einigen zukünftigen Weltmeistern am Start. Noch waren diese nicht so weit, die alten Kämpen wie Kaltz und Rumenigge dagegen waren schon über ihren Zenit hinaus.
1988 - Die Deutsche Mannschaft spielte eine anständige Vorrunde, im Halbfinale waren aber die Holländer zu stark. Das Gerüst des Weltmeisters von 1990 zeichnete sich schon deutlich ab. Bemerkenswert war, daß Matthäus hier in einem entscheidenden Spiel noch selbst zum Elfmeter antrat. Und daß Wolfram Wuttke, dieser unvollendete, bei dem fußballerische Klasse und Persönlichkeit so weit auseinander klafften, daß er statt der potenziell vorstellbaren 80 nur 4 Länderspiele bestritt, hier tatsächlich nominiert und einmal eingesetzt wurde.
1992 - Deutschland im Finale, gegen die Dänen, die erst kurzfristig ins Turnier nachrückten. Eine deutsche Mannschaft mit großem Potential, Effenberg und Sammer, Häßler und Möller, Klinsmann und vor allem ohne Matthäus! Dennoch ist mir am bleibendsten der Co-Komentator des Finales, Rumenigge in Erinnerung geblieben, der über eine Halbzeit lang unermüdlich lamentierte, daß der Führungstreffer der Dänen irregulär gewesen sei - wegen eines vorangegangenen Fouls. So blutleer waren die Darbietungen der Vogts-Truppe.
1996 - Die zweite Euro unter Vogts, erneut ohne Matthäus, erneut ins Finale vorgedrungen. Vogts wurde belohnt, für den Mut, ohne einen Lothar Matthäus anzutreten, so wie er für sein windelweiches Einknicken vor demselben bei den WM '94 und '98 bestraft wurde. Neben dem Durchbruch von Bierhoff bleibt vor allem die Partie gegen Kroatien im Gedächtnis, quasi das Pendant zum Holland-Spiel von 1990, als Klinsmann durch ein völlig überflüssiges Foul im Mittelfeld ein Zeichen setzte und Sammer sich wie ein Stier durch die kroatische Abwehr zum Siegtor ackert.
2000 - Wieder knickt ein Trainer ein und nimmt wider besseren Wissens Matthäus mit, mit dem bekannten Resultat. Beide sind bald darauf Geschichte, wobei nur einer genug Stil für einen würdevollen Ruhestand aufweist.
2004 - Als frischgebackener Vizeweltmeister angereist, werden Trainer und Mannschaft schonungslos entlarvt, auch ohne Ramelow nur ideen- und konzeptloser Rumpelfußball.
2008 - Nicht mehr so frisch wie 2006 zu Hause, noch nicht so inspiriert wie 2010, eine Mannschaft im Umbruch. 2 1/2 gute Spiele, aber noch mit den Tempoverschleppern Ballack und Frings in der Schaltzentrale war gegen die Spanier kein Mittel zu finden. Lehmann als bester deutscher im Finale, das sagt alles.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Remembering Vladimir Krutov

                               KRUTOV
                               
                                   9


Vladimir Krutov ist tot! Er starb nur fünf Tage nach seinem 52. Geburtstag. Ersten Meldungen zufolge an Leberversagen und inneren Blutungen.
Auch heute, 25 Jahre nachdem er auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit war, ist der einst vielleicht weltbeste Linksaußen unvergessen. Sein Name bleibt für immer mit der wohl besten Sturmreihe aller Zeiten verbunden, der legendären "KLM-Reihe", Krutov-Larionov-Makarov. Auch im Zeitalter der Malkin, Datsyuk und Ovechkin sind Krutov und seine Mitstreiter noch präsent und werden mit Recht weiterhin verehrt.
Krutov war als Linksaußen dieser Reihe bei vielen internationalen Turnieren bester Scorer. Sowohl beim ZSKA Moskau als auch in der Sbornaja wirbelten diese drei jahrelang unaufhaltsam, oft schwerelos wirkend, scheinbar nach Belieben gegnerische Abwehrreihen durcheinander. Es wirkte oft so, als spielten sie in Überzahl, selbst bei 5:5. Vieles ist heute vergänglich, wer heute noch Superstar ist, von dem spricht morgen schon keiner mehr. Zum Glück sind vom ewigen Höhepunkt des Eishockeysports, dem besten Eishockey, das je gespielt wurde und das niemals nicht überboten werden kann, der Finalserie des Canada Cup 1987, komplette Aufzeichnungen erhalten. Jeder sollte zusehen, sich die drei Final-DVD zu besorgen, z.B. unter dem unangemessen reißerischen Titel "Blade Wars" über e-Bay.
Ein unglaubliches, galaktisches Duell, annähernd nur vergleichbar mit dem "Rendezvous" 1986 in Quebec, als ein NHL-Allstarteam gegen die UdSSR zwei sehr intensive, hart umkämpfte Duelle ausfocht, je ein Sieg, die Sowjets siegten 5:3, die NHL 4:3.
Das Canada-Cup Finale ging über drei Spiele, alle endeten 6:5, das erste für die UdSSR, die weiteren für Kanada, zwei wurde im sudden death entschieden. Es war jenes Turnier, das vor allem durch die regelmässig eingesetzte Kombination Gretzky und Lemieux legendär ist, die auch das Finale entschied. Die Kanadier hatten Messier, Hawerchuk, Coffey (angeschlagen), Bourque, den spektakulären, akrobatischen Fuhr im Tor. Sie alle verblassten, genau wie die weiteren NHL-Stars neben diesem unheimlichen Duo. Viele Experten und auch Lemieux selbst sagten hernach, daß das Spielen an der Seite von Gretzky in diesem Turnier die Reifung und den Durchbruch zum Superstar für Lemieux erst möglich gemacht hätten. Zu dieser Zeit waren die sowjetischen Kuvenstars noch ferne Phänomene aus Amerikanischer Sicht, man nahm sie, da direkte Vergleiche rar waren und der eiserne Vorhang noch Dicht, nicht ganz für voll. Bei den Weltmeisterschaften und Olympiaden, die von den Sowjets dominiert wurden, traten schließlich nur minderwertige Kanadische Teams an. Daß die Sbornaja "for real" war, konnten die etwas überheblichen Kanadier dann erstaunt beim Rendezvous und dem Canada-Cup aus erster Hand feststellen. Die UdSSR, mit einer wahrhaft goldenen Generation, Fetisov, Kasatonov, Khomutov, Kamensky und Bykov (einer zweiten Sturmreihe, die besser als alle übrigen ersten Reihen war) und eben "KLM", zeigten sich den Kanadiern in jeder Hinsicht ebenbürtig, wenn nicht leicht überlegen. 
Den Ausschlag für die Ahornblätter gab letztlich die größere körperliche Härte (aber weitaus fairer ausgetragen als frühere Duelle zwischen den beiden, als z.B. der Kapitän der "Broad Street Bullies", Bobby Clark mit einem Stockschlag Charlamov den Knöchel brach) und natürlich die hohe Kunst von #99 und #66.
Das gute an dieser Finalserie ist, daß es völlig egal ist, wer am Ende den Pokal gewonnen hat, das Betrachten der Spiele ist der ultimative Eishockey-Genuß, nie vorher oder nachher gab es so intensive, spannende Spiele auf einem so hohen Niveau. Und einen Krutov in der Form seines Lebens, einer der besten auf dem Eis, dieses etwas rundliche, untersetzte Kraftpaket. Kanadas Coach Mike Keenan schickte im Gegensatz zu Viktor Tichonov ständig wechselnde Formationen, keine festen Reihen aufs Eis, so daß es Krutov mit den härtesten Arbeitern und Kämpfern zu tun bekam, den Tocchet, Sutter,  Messier, Propp, Dineen, Patrick, Hartsburg, Crossman, Rochefort u.a. Sie bekamen ihn kaum zu fassen, trotz der seinerzeit noch etwas laxer ausgelegten Regeln. Die Kanadier setzten trotz Gretzky und Lemieux, Bourque und Coffey vor allem auf Kampfkraft. Filigranere Spieler wie Yzerman, Francis und vor allem Denis Savard waren nicht dabei, Trainer Keenan konnte mit Eleganz und Schnörkeln nie etwas anfangen.
Was hätte diese Sbornaja, mit Fetisov und Kasatonov in der Verteidigung wohl angestellt, wenn es damals schon den Zweilinienpaß nicht gegeben hätte?
Im damaligen Turnier wurde Krutov hinter Gretzky, Lemieux und Makarov viertbester Skorer, erzielte in neun Spielen je sieben Tore und Assists und wurde ins abschliessende Allstar-Team gewählt (Tor: Fuhr; Verteidigung: Bourque und Fetisov; Sturm: Lemieux, Gretzky, Krutov)
Als 1989 die großen sowjetischen Stars in die NHL wechseln durften, war Krutov, unerwartet wegen seiner vorher gezeigten Leistungen, der, der sich am schwersten in der neuen Liga und Lebensweise zurechtfand. Es waren Anekdoten zu vernehmen, seine Frau sei mit den amerikanischen Autos nicht zurecht gekommen, Einkäufe seien zur Herausforderung und Belastungsprobe geworden, Krutov habe nicht professionell gelebt. Nach nur einer Saison verlies er die NHL frustriert, spielte noch einige Jahre in Europa. Seinem großen Vermächtnis kann das nichts anhaben.
Nun ist also einer der ganz großen des Eishockey gegangen, es bleibt die Erinnerung an einen flinken und trickreichen, immer leicht melancholisch blickenden Torjäger. 

Montag, 4. Juni 2012

Stadionalbum Teil 19: Hommage an Martin Parr

Kleine, bescheidene Verbeugung vor dem großen Ansichtskartensammler und Buchherausgeber Martin Parr, mit Karten, die aus seiner Sammlung stammen könnten (die meisten hat er womöglich sogar):