"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Donnerstag, 26. Juli 2018

Stell Dir vor es ist WM und keiner ... Nachtrag

Es gibt viel Schönes - und U. Hoeneß

Man sollte ja nicht nachtragend sein, aber nun hat ja die WM ein Nachspiel, also trage ich noch etwas nach.
Die Özil-Angelegenheit füllt das Sommerloch weit über den Fußballkosmos hinaus, beherrscht Schlagzeilen nicht nur bundesweit und außerhalb der Sportteile. 
Auf der einen Seite ein wohl eher schlicht gestrickter türkischstämmiger Fußballspieler, der seine Position, so wie die meisten seiner öffentlichen Äußerungen, von einer Agentur formulieren und verbreiten lässt. Der hatte sich mit dem Herrscher des Heimatlandes seiner Vorfahren getroffen und war dabei fotografiert worden. Mit einem Herrscher, der nach weit verbreiteter Lesart (aber nicht in den Augen etwa der Hälfte seiner Landsleute) ein Diktator ist.
Auf der anderen Seite eine Gesellschaft, die dem Fußballspieler dieses nicht durchgehen lassen will, wobei sich die Missbilligung aufteilt, einerseits dem Treffen mit einem Diktator gilt, andererseits dem Treffen mit dem Herrscher eines anderen Landes. Das politisch linke Lager tadelt ersteres, das rechte Lager letzteres. Der Fußballverband? Hadert a.E. damit, daß es negative Publicity gab, hat keine klare politische Haltung. Zumindest ist für mich nicht klar geworden, was Bierhoff und Grindel genau an Özils Treffen mit Erdogan nicht gepasst hat, sie haben ja auch nicht auf das Treffen sondern auf das Murren in Medien und Öffentlichkeit reagiert. Eine Erklärung haben sie dennoch verlangt, eigentlich sogar eine Entschuldigung. Es wird von Werten gesprochen, die der DFB vertrete. Welche das sein sollen? Keine Erklärung. Jedenfalls keine, die sich damit vereinbaren lässt, mit wem sich der Verband und seine Funktionäre in der Vergangenheit so alles gemein gemacht haben, von Sponsoren über Politiker bis hin zu Nazis, die vor einem Geradestehen für ihre Taten nach Argentinien geflohen waren und dort vom DFB hofiert wurden. 
Was von Einwanderern erwartet wird kann jeder ganz gut benennen, wie es den Einwanderern andererseits in der Fremde geht, interessiert niemanden. 
Was machen Deutsche, die im Ausland leben? Sie sprechen untereinander ihre Muttersprache, sie suchen und konsumieren Lebensmittel und Medien aus ihrem Herkunftsland, sie schicken ihre Kinder auf Deutsche Schulen (sofern vorhanden), kurz, sie halten am Vertrauten fest, bewahren es, stehen zu ihren Wurzeln. Und finden nichts dabei. Der Türke oder Araber in Deutschland aber soll das nicht dürfen.
Und die Integration? Welche bzw. Integration in was? 
Wie integriert sind millionenschwere Fußballer oder Reiche überhaupt? Wann ist man integriert? 
Der Sport? Der Özil von 2010 ist nicht mehr, der aus dem 60 Minuten lang besten Spiel einer deutschen Nationalmannschaft aller Zeiten (das legendäre 4:4 gegen Schweden) auch nicht. Aber so schwach, wie ihn Kritiker oft gesehen haben war er nie. Im Zeitalter der statistischen Leistungserfassung aller Aspekte des Spiels weisen ihn die Daten als weit überdurchschnittlichen Spieler aus, der oft schlaffen Körpersprache zum Trotz. Egal, was man von Özil insgesamt denkt, als Fußballer ist er sehr gut.
Sportlich kann sich Deutschland den Verlust eines so begabten Spielers gerade aktuell überhaupt nicht leisten. (Nebenbei: ein DFB-Präsident ist evtl. leichter zu ersetzen)
Das sieht der schwäbische Wurstfabrikant und Steuersünder natürlich ganz anders. Ähnlich unmotiviert und deplatziert wie die seinerzeitigen Attacken gegen Klose als der im Begriff war, die Länderspieltor-Marke von Gerd Müller zu übertreffen, brach es mal wieder aus dem Hoeneß heraus. Er musste wohl mal wieder. Etwas loswerden. War ja lange ruhig. Ich hatte auch nach dem DFB-Pokalfinale nichts von ihm gehört, nur sein Gesicht auf der Tribüne gesehen, was Bände sprach. Nun also die Aussagen, der Spieler hätte in den letzten Jahren nur Dreck gespielt, keine Zweikämpfe gewonnen, Quer- und Rückpässe, sei ein Alibifußballer usw.. Dachte erst, hat ja recht, aber der Thomas Müller hat so eine Breitseite dann doch nicht verdient, andererseits ist es ja sein Präsident, geht ihn also etwas an. Dann stellt sich doch tatsächlich heraus, daß der Hoeneß gar nicht von Müller sondern von Özil gesprochen hat. Entbehrt sachlich jeder Grundlage, was Hoeneß über Özil sagte, deckt sich aber weitgehend mit der Volksmeinung, der oberflächlichen Wahrnehmung. U. Hoeneß also ein Mann des Volkes, versteht vom Fußball auch nicht mehr als der gemeine Kuttenträger in der Kurve, vom Champagnertrinker auf der VIP-Tribüne ganz zu schweigen. Auch eine interessante neue Erkenntnis.
Wir werden wohl nie erfahren, was in den Bayern-Präsidenten gefahren ist, aber noch vor ein paar Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß Kalle R. einmal als der Gescheitere dieses Führungsduos dastehen würde.     

Was bleibt unter dem Strich von dieser Affäre? Eine Offenlegung vieler Dinge, die in Deutschland derzeit im Argen liegen, insbesondere das große Missverständnis mit der Integration. Neben einer Anpassungsbereitschaft der Einwanderer, die viele wohl durchaus aufbringen gehört dazu auch eine Toleranz der aufnehmenden Gesellschaft. In der letzten Zeit gibt es eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung, die latent immer vorhanden gewesenen Resentiments gegen das Fremde und den Fremden sind zunehmend wieder an die Oberfläche gekommen. Daneben ein Phänomen, das wir auch in der Politik beobachten können, nämlich die totale Überbewertung eines Nebenschauplatzes (Özil-Erdogan) und Aufregung darüber als Ersatz für die Auseinandersetzung mit weit größeren und schwerwiegenderen Problemen (das totale Versagen von Trainer und Mannschaft bei der WM). Möglicherweise sogar ganz gezielt, weil für die wirklichen Probleme keine Lösung gefunden wird.  
Ich bin gespannt, wie viele Fußballinteressierte und auch Journalisten Ende August noch auf dem Schirm haben, daß Löw und Bierhoff noch keine Antworten auf die fußballerischen Fragen gegeben haben.



Dienstag, 17. Juli 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., Folge 6

Aus, Aus, das Spiel ist Aus! Oder nach Russland ist vor dem Katharr.

Es ist also tatsächlich soweit, die WM ist vorbei. Und sie endete mit einem immerhin sehr sehenswerten Endspiel, das war nicht bei allen Turnieren der jüngeren Vergangenheit so. Spannend war es oft, attraktiv selten im Finale.
Der Auftritt der Kroaten kann gar nicht genug gelobt werden, hocherhobenen Hauptes können sie trotz der Finalniederlage nach Hause fahren. Man kann auch aus verschiedenen Gründen sagen, daß die Franzosen ein würdiger Weltmeister sind, aus meiner Sicht vor allem, weil sie trotz des geringen Durchschnittsalters eine große Mannschaft haben mit Einzelspielern, die zu den absolut Weltbesten gehören.
Die WM insgesamt, es wurde bereits vielfach gesagt und geschrieben, auch von mir, war, was die Attraktivität oder das spielerische Niveau der Spiele angeht, mäßig.
Im durchaus legitimen Bemühen, Wege zum Sieg zu finden, haben einfach zu viele Mannschaften, auch der Sieger, ihr Heil in der Defensive gesucht und gefunden. Mit 11 Mann verteidigen, dem Gegner die Initiative überlassen, Kontern und/oder auf gut einstudierte Standards setzen, das ist der Trend im postmodernen Fußball. Legitim aber nicht erfreulich anzusehen für Freunde eines flüssigen Spieles mit dem Ziel möglichst vieler Abschlüsse. Noch hat es keine Gegenbewegung gegeben, die Mannschaften mit dem größten Offensivpotenzial, Belgien, Kroatien und Brasilien - in der Theorie verfügt auch Frankreich über solches Potenzial - konnten sich nicht durchsetzen, zumindest reichte es nicht zum Titel. England, auch unter die letzten vier gekommen, ist eher zu den postmodernen Teams zu zählen, da ihre offensiven Hoffnungen fast ausschließlich auf Standards setzten. So bleibt vor allem die Erkenntnis, daß ihr Trainer aussah wie ein Flugbegleiter von British Airways und daß sie endlich, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, einen Torwart haben, der nicht nur auf der Insel zu den Besten gehört, sondern auch auf der Weltbühne. Und daß sie noch besser werden könnten, da die Mannschaft relativ jung ist.
Der Plan der Deutschen, so habe ich Löw jedenfalls verstanden, war, durch Ballbesitz möglichst weit in der gegnerischen Hälfte, den Gegner müde zu spielen und dann - irgendwie - das Spiel zu gewinnen. Haben die Gegner sich außer den Schweden leider nicht dran gehalten. Den Spaniern ging es da ähnlich wie den Deutschen, auch wenn sie formal ohne Niederlage nach Hause fahren mussten. Im heutigen, meist unattraktiven Fußball ist diese Strategie auf den Kopf gestellt worden, man läßt den ballbesitzenden Gegner sich müde spielen und kontert ihn aus. So fielen 3/4 der deutschen Gegentore. Ballverluste im Mittelfeld helfen da natürlich. Leider hat die deutsche Mannschaft auch nichts aus dem Pokalfinale gelernt, wo die Eintracht schon mal gezeigt hatte, wie es geht.
Aber genug von den Deutschen. Nach jedem Titelgewinn hat es mehr als ein Jahrzehnt gedauert, bis wir wieder eine titelwürdige Mannschaft hatten. Und wir haben immer nur dann eine WM gewonnen, wenn wir eine Mannschaft aus großen Persönlichkeiten hatten, die reif waren für den Titel.

Dann möchte ich noch eine Lanze brechen für das Spiel um den dritten Platz! Es ist eine Weltmeisterschaft und es geht um die Bronzemedaille! Wo ist der Sportgeist, wenn gefordert wird, das Spiel abzuschaffen? Wo der Respekt für den Wettbewerb und die Platzierungen? Was für Werte vertreten die Leute, die dieses Spiel und damit Bronze so geringschätzen, was vermittelt man so den Kindern? Wenn Du nicht Erster wirst, bist Du schlecht, nur der Erste zählt, oder was? Wenn Du verloren hast, gibt es keinen Nachtisch?  Pfui.
Schlimm genug, daß nach der EURO 1980 das Spiel um Platz drei abgeschafft wurde. Nach einem ganz faden Turnier, vor zu 3/4 leeren Stadien, wo das "kleine Finale" genauso öde war wie der Rest des Turniers und fast 20 Elfmeter gebraucht wurden, um den Bronzesieger zu ermitteln!

Daher eine kleine Bilderserie mit Schauplätzen von kleinen Finals (1930 und 1950 wurde keines ausgetragen):


Natürlich sah das Stadion von Neapel, wo das erste Spiel um den dritten Platz in der WM-Geschichte stattfand, nicht so aus. In Neapel besiegte Deutschland die Österreicher mit 3:1 und gewann seine erste Bronzemedaille.

1938 wurde der Dritte in Bordeaux ausgespielt, am selben Ort, wo bis heute das "Stade Lescure" steht. Die Paarung lautete Brasilien - Schweden, die Südamerikaner holten sich das Edelmetall durch ein 4:2. 20 Jahre später standen sich beide im Endspiel gegenüber, ebenfalls mit dem besseren Ende für Brasilien.

Auch vom Austragungsort des kleinen Finales 1954 habe ich leider keine zeitgenössische Ansicht zu bieten. Für Österreich war es das zweite (und letzte) Mal, daß sie das Spiel um Bronze erreichten. Sie besiegten Uruguay mit 3:1. Für den damaligen Titelverteidiger aus Südamerika sollten noch zwei weitere kleine Finals folgen. 

An der Stätte der für Deutschland widrigen Halbfinalpartie gegen Gastgeber Schweden spielte die Herberger-Elf 1958 gegen Frankreich um Platz drei. Wie öfter in der Geschichte bekam auch diesmal der Ersatzkeeper einen Einsatz gegönnt. S geschah es, daß der wackere Heiner Kwiatkowski in seinem zweiten WM-Einsatz nach 1954 erneut eine bittere Packung erhielt und sein Gegentorkonto auf 14 in zwei Spielen anschwoll! Frankreich siegte 6:3 im torreichsten kleinen Finale.

Das Nationalstadion von Santiago de Chile sah 1962 beide Finalspiele. Zum ersten Mal trat ein Gastgeber im Bronzefinale an. Die Chilenen besiegten Deutschland-Bezwinger Yugoslawien mit 1:0.

Auch 1966 wurden Finale und Spiel um Platz drei an gleicher Stätte ausgetragen. Es war auch das Treffen zweier ganz großer Weltstars jener Zeit, denen der ganz große Sieg versagt blieb: Eusebio gegen Jaschin, beide mit dem immer wieder aufgetretenen Problem, daß es nicht möglich war, eine ihrer würdige Mannschaft um sie herum aufzubauen (siehe George Best, Bernd Schuster, C. Ronaldo, Messi um nur wenige zu nennen). Portugal gewann gegen die Sowjetunion 2:1. 

1970 traf Deutschland, ausgezehrt vom sogenannten "Jahrhundertspiel" im Halbfinale gegen Italien und ersatzgeschwächt, im Aztekenstadion auf Uruguay. Ersatztorhüter Wolter (Eintracht Braunschweig!) hielt seinen Kasten sauber und ein Distanzschuß von Wolfgang Overath sicherte den 1:0-Sieg.

In München trafen 1974 dank des neuen Austragungsmodus anstatt der Halbfinalunterlegenen die Zweitplatzierten der zweiten Gruppenphase aufeinander. Es waren die im Turnierverlauf sehr stark aufspielenden und nur knapp an Deutschland gescheiterten Polen sowie der entthronte und etwas enttäuschende Titelverteidiger Brasilien. Polen gewann WM-Bronze durch das siebte Turniertor von Lato, zwei Jahre nachdem sie an gleicher Stätte olympisches Gold gewonnen hatten.

Auch 1978 fanden kleines und großes Finale im gleichen Stadion statt, zum vorerst letzten Mal für 20 Jahre. Der Modus war der gleiche wie 1974 und erneut spielte Brasilien um Bronze, in der Neuauflage des Endspiels von 1970 gegen Italien. Durch den 2:1-Sieg des Rekord-Weltmeisters gewann der noch aktive Roberto Rivelino seine zweite WM-Medaille.

Spanien 1982: Barcelona hatte das Eröffnungsspiel bekommen, Madrid das Finale. Für das Spiel um Platz drei fielen einem dann Valencia oder Sevilla, vielleicht auch Bilbao als traditionsreicher Austragungsort ein. Die Organisatoren vergaben die Partie aber an Alicante, wo weniger als 30.000 sehen wollten, ob Polen oder Frankreich noch etwas aus dem Turnier mitnehmen würden. Polen, wo mit Szarmach und Lato noch zwei große Entdeckungen und Stars der WM 1974 dabei waren, siegte mit 3:2 gegen ohne Platini antretende Franzosen, denen die epische Halbfinalschlacht gegen Deutschland noch in den Knochen steckte. 

Auch 1990 in Italien erhielt ein Spielort abseits der großen Fußballstandorte den Zuschlag für das kleine Finale. Erst zum zweiten Mal nahm der Gastgeber am Spiel um Platz drei teil und siegte wie schon 1962. Gegen England gelang mit dem 2:1 der (bei einer Fußball-WM nicht wirklich stattfindende) Sprung aufs Treppchen. In einem Stadion, das eigens für die WM nach Entwurf des Star-Architekten Renzo Piano gebaut worden war.

Als verfügten die USA nicht über eine ausreichende Zahl von Großstadien, wurde 1994 mal wieder am Endspielort auch das Spiel um Platz drei ausgetragen. Zwei Überraschungs-Halbfinalisten sorgten für bessere Unterhaltung als die Finalisten. Im deutlichsten kleinen Finale aller Zeiten siegte Schweden über Bulgarien mit 4:0.

Im Prinzenpark fand 1998 das Spiel statt, in dem die Kroaten ihr starkes Turnier mit einem 2:1 über die Niederlande krönten.

2002 gab es zwei Gastgebernationen. Der Ausrichter des kleinen Finales, die nicht nur durch gutes sportliches Können bis ins Halbfinale vorgedrungenen Süd-Koreaner trafen auf die ebenfalls nur als Eintagsfliege in der Weltspitze auftauchenden Türken. Letztere gewannen in einem unterhaltsamen Spiel mit 3:2. Der Weg der Asiaten war schon im Halbfinale durch Oliver Kahn beendet worden. 

2006 hatte das Stuttgarter Stadion noch eine Laufbahn. Interessant, daß somit beide Finalspiele in Leichtathletikstadien stattfanden. Das Klinsmann-Team traf auf Portugal und siegte nach einer Schweinsteiger-Gala mit 3:2. Eigentlich erzielte der blondgesträhnte Jungstar alle drei Tore für Deutschland, aber einer der Treffer war so stark abgefälscht, daß er als Eigentor gewertet wurde. 

Ein FIFA-WM-Spiel in so einem Stadion? Natürlich nicht, aber von Port Elisabeth habe ich nur dieses Stadion, das ich auch viel interessanter finde als die modernen und austauschbaren Neubauten der letzten 10 Jahre. In Port Elisabeth gelang Deutschland der außerordentlich seltene Erfolg einer Verteidigung der Bronzemedaille! Wie so oft und oft auch im Gegensatz zum Endspiel bot das kleine Finale attraktiven Fußball mit weniger engen taktischen Fesseln als die sonstigen k.o.-Spiele.


Insgesamt war das Spiel um den dritten Platz oft eine Werbung für die Beibehaltung dieser Begegnung. Deutschland ist im Übrigen auch Rekordsieger, bei fünf Teilnahmen gewann man viermal Bronze! 


Nun also Katar, in viereinhalb Jahren. Wer schon immer die FIFA mit ihrer korrupten Verkommenheit, mit ihren Knebelverträgen und ihrer Rigidität, mit der Sponsoreninteressen durchgesetzt werden ohne Rücksicht auf Verluste, in die Wüste schicken wollte, der bekommt nun, was er wollte. Parallel zu den Olympischen Spielen, geht auch beim Fußball die Entwicklung dahin, daß man für die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung mit ihren starren Vorgaben, einer Quasi-Abtretung von Hoheitsrechten an FIFA/IOC und der Gefahr, die öffentlichen Haushalte erheblich zu belasten ohne bleibenden, nachhaltigen Gegenwert, nur noch Diktatoren, Autokraten und andere Potentaten gewinnen kann. Die schöpfen aus dem Vollen, müssen keinem Parlament oder Volk Rechenschaft ablegen und dürfen sich mit einem weltumspannenden Ereignis schmücken. Mir ist es ja egal, ob die Formel 1 in Bahrein anstatt am Nürburgring ihre Runden dreht, da diese Veranstaltung ohnehin der Realität der Zuschauer völlig entrückt ist. Kann sich der Scheich meinetwegen auch alleine mit seiner Familie ansehen, ob sonst noch jemand auf der Tribüne sitzt oder nicht, fügt der Veranstaltung nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg.
Beim Fußball sieht das ganz anders aus und ich bin gespannt, wie sie es hinkriegen, daß die ohnehin kleinen Stadien in Katar nicht leer bleiben. 





Was hat die wunderbare ehemalige Stadionlandschaft Glasgows mit der WM zu tun? Schottland wird wohl nie eine WM austragen dürfen. Aber die drei großen Stadien mit ihren früheren Kapazitäten hätten genügt, um etwa alle katarischen Staatsbürger unterzubringen. Das die Bevölkerungszahl wesentlich vergrößernde Dienstpersonal aus dem Ausland muß draußen bleiben, dann passt es.

Donnerstag, 12. Juli 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., 5. Folge


Nach dem Urlaub und vor dem zweiten Halbfinale will ich mal wieder meinen Senf zum Gesehenen und Geschehenen abgeben.
Endlich, nach einer m.E. zähen und weitgehend unansehnlichen WM, steht das drittletzte Spiel an. Immerhin waren/sind in diesem Halbfinale die drei Mannschaften vertreten, die, zusammen mit Brasilien, am besten Fußball spielen können. Leider taten das die Franzosen, Belgier und Kroaten auch nicht immer, insbesondere die Franzosen haben die grassierende Krankheit des (post-)modernen Fußballs, sie stehen hinten massiert, kompakt, geordnet, diszipliniert und körperlich sehr präsent und verzichten oft auf die offensive Initiative. Aber sie verfügen mit Pogba, Griezmann und Mbappe über Spieler von absoluter Weltklasse, die jederzeit durch außergewöhnliche Aktionen das Spiel entscheiden können und mit ihrer Technik das Auge des ästhetischen Fußballbetrachters erfreuen können.
Die vierten im Bunde, die Engländer, sind nicht dank ihres überschaubaren Könnens unter die letzten vier gelangt, aber danach fragt später niemand mehr. Seit über 40 Jahren beobachte ich nun schon das Phänomen, daß in England, sobald ein Spieler auftaucht, der etwas überdurchschnittlich kicken kann, jedes Augenmaß verloren geht und ernsthaft der WM-Titel erwartet wird. So war es zu Zeiten von Kevin Keegan, Bryan Robson, Gary Lineker, Paul Gascoigne, Michael Owen, David Beckham, Lampard / Gerrard (die nicht zusammen konnten, es spielte meist nur einer). Alle solide, wie gesagt überdurchschnittlich, aber nie Weltklasse, keine "Unterschied-Spieler". Den Engländern war es egal, so wie sie auch das diesjährige Team überhöhen und überschätzen.
Naja, als Deutscher sollte man da besser still sein, wir haben uns auch nicht bei jeder der vielen Halbfinalteilnahmen mit Ruhm bekleckert ('82, '86, '02). Genau genommen wurde die deutsche Mannschaft auch beim insgesamt nicht mal unverdient gewonnenen Turnier 1990 von Spiel zu Spiel schwächer, nach dem Achtelfinale gegen die Niederlande kam keine überzeugende Leistung mehr. 
Was mich zum deutschen Fußball bringt: kaum vorstellbar, aber die Verantwortlichen geben in der bisherigen Nachbetrachtung oder Aufarbeitung ein noch beschämenderes Bild ab als die Mannschaft es beim Turnier gezeigt hatte. Die wirklich relevanten Fragen sind m.E.: warum waren so viele Spieler außer Form oder haben keine Leistung abgerufen, warum wurde die Kaderauswahl so getroffen, warum war keine Spielidee erkennbar, warum fanden Leistungen bei Nominierung und Aufstellung so wenig Berücksichtigung und überhaupt, was war eigentlich mit Trainer Löw los? Im Gegensatz zu seiner zur Schau gestellten Tiefenentspanntheit schien der Bundestrainer nichts unter Kontrolle zu haben. Vorbereitung? Training? Taktische Ausrichtung, Handeln der Spieler auf dem Platz und im Quartier? Verhalten von Menschen, die warum auch immer auf der Bank saßen? Löw wirkte so, als habe er mit all dem nichts zu schaffen. Aber immer die Ruhe bewahrt. Was den Eindruck, er nehme gar nicht Anteil oder interessiere sich gar nicht für das, was da passiert noch unterstreicht. Was wiederum auch zu seiner Entrücktheit passen würde, die neben der Entspanntheit der führende äußere Eindruck von ihm ist, der nach der WM zurückbleibt.  Und jetzt? Man (Grindel und Bierhoff) hat entschieden, eine Kampagne gegen Özil zu starten. Anstatt sich o.g. Fragen zu stellen. Mit dem Trainer fraglich abgestimmt. Wenn er nicht hinter diesem Bauernopfer stehen sollte, warum springt er Özil dann nicht zur Seite? Özil gehört sicher nicht zu denen, die am weitesten von ihrem Potenzial entfernt agiert haben. Geradezu absurd muteten die Darbietungen von Müller an, auch Kroos, den man versucht hatte, zum Gesicht der Mannschaft zu stilisieren, mangels Weltklassespielern, war bestenfalls grenzwertig in seinen Leistungen. Sicherheits- und Alibipässe, Ballverluste und halbherziges Zurückarbeiten - so sehe ich seine Turnierbilanz. Sein Anteil an den Erfolgen von Real Madrid wird in Deutschland vielleicht auch etwas überschätzt. Ein spielentscheidender Kreativspieler war er jedenfalls m.E. nur vor vielen Jahren im Trikot von Leverkusen. Und zu Özil und Gündogan: Wann hat jemals ein Beckenbauer, Overath, Maier oder Müller, Breitner, Schuhmacher, Rumenigge oder Matthäus beteuert, wie viel es ihm bedeutet, für Deutschland zu spielen? Die Nationalhymne singen? Dazu fallen mir vor allem der Kaugummi mampfende Schuhmacher, die stoisch-starren Minen von Kaltz und Rumenigge beim Abspielen der Hymne ein. Beckenbauer habe ich als Spieler nie mitsingen sehen und was Breitner gesagt hätte, wenn Hermann Neuberger verlangt hätte, die Spieler sollten die Hymne singen, das kann sich jeder vorstellen, der ihn als Aktiven erlebt hat (als er noch nicht der dummschwätzende Markenbotschafter des FCB war, sondern ein kritischer, mündiger und erfolgsbesessener Spieler). Also höre man mir bitte mit diesem patriotisch-nationalistischen Quatsch auf, wenn es um eine Mannschaft aus in erster Linie am eigenen Fortkommen interessierten Einzelspielern geht. 
Sieht man einen Luca Modric  (33) spät in der Verlängerung gegen Russland über das halbe Spielfeld im Vollsprint einem Ball hinterherjagen, um diesen am Überschreiten der Auslinie zu hindern, dann weiß man jedenfalls, warum Deutschland mit Recht nicht die K.O.-Phase erreicht hat. Und natürlich auch, weil wir keinen James, keinen Mbappe, keinen Pogba, Griezmann, Hazard, noch nicht mal einen Kane haben. 
Deutschland abgehängt, sehenden Auges in diese Lage geraten.
Ansonsten bleibt mir nach dieser WM vor allem die Frage, wann bei der FIFA endlich der gesunde Menschenverstand einsetzt und die reine Spielzeit eingeführt wird. Wenn schon der Fußball immer unattraktiver wird, dann sollte wenigstens endlich das unsägliche Zeitspiel, das so oft als zusätzliches taktisches Mittel eingesetzt wird, eliminiert werden. Und der Videoassistent sollte verstärkt gegen grobe Unsportlichkeiten zur Anwendung kommen. Ich stelle mir in kühnen Phantasien vor, daß es vor dem Spiel eine klare Ansage des Schiedsrichters gibt, daß Spieler, die wissen, daß es keinen (relevanten) Kontakt in einem Zweikampf gab und dennoch simulieren, sie seien gefoult worden, grundsätzlich mit gelb bestraft werden und umgekehrt Spieler, die wissen, daß es einen Kontakt gab und dennoch sofort reklamieren, es habe keinen gegeben, ebenfalls. Dank der Videotechnik wissen die Spieler ja, daß sie jederzeit zu überführen sind.
Eine der Szenen der WM war für mich, als im Viertelfinale BRA-BEL Neymar nach seiner Schwalbe im Belgischen Strafraum sein übliches Herumwälzen aufgab, aufsprang und auf Weiterspielen drängte, während einige Brasilianer noch den Videoassistenten forderten. Er wusste, daß die eindeutige Schwalbe eine gelbe Karte zur Folge hätte haben können, was eine Sperre für das Halbfinale nach sich gezogen hätte!  
Unter dem Strich verstehe ich nach Russland 2018 besser, warum das Spiel in den USA nicht ernst- und angenommen wird (zumal, wenn ich die bestenfalls zweitklassigen Spiele der Major League Soccer anschaue). Es passiert einfach zu wenig. Inzwischen gibt es ja auch Statistiken über die "echten" Torschüsse, analog zum Eishockey. Zählt man nur die Schüsse, die aufs Tor kommen und nicht wie bisher üblich alles, was zwischen den Eckfahnen ins Aus geht, so wird aus zweistelligen Torschüssen eine an einer Hand abzählbare Menge, nur ausnahmsweise pariert ein Torhüter einmal mehr als fünf Schüsse in einem Spiel. Ansonsten ereignisarme Abwehrschlachten wo man hinsieht. Auch ohne Italiener. 
Wird Zeit, daß die WM endet und endlich Fußballpause ist.          

Donnerstag, 28. Juni 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ... , Folge 4


Bevor ich in meinen wohlverdienten Urlaub fliege noch ein letzter Gruß von der WM-Schauer-Front. Zur deutschen Darbietung ist alles gesagt, ich habe bedauerlicherweise bereits vor dem Ausscheiden vieles benannt, woran es lag. Inzwischen wurden auch seitens zahlreicher anderer Experten m.E. genau die zutreffenden Gründe für das Scheitern geäußert. Traurig, daß jetzt als Kollateralschaden auch noch die im Leben nach dem Fußball gescheiterten Knallchargen wie Basler und Matthäus auf der Welle des Rechtgehabthabens und Besserwissens mitschwimmen können. 
Ich muß jetzt hier nicht nochmal ins gleiche Horn blasen.
Aber eins muß noch sein: Der FC Bayern spielte im CL-Halbfinale gegen Madrid zweimal ziemlich gut, war tendenziell in beiden Partien das bessere Team - und scheiterte. Die Meisterschaft wurde zwar souverän gewonnen, aber das wurde von den Spielern eher gleichgültig, bestenfalls mit verhaltener Freude quittiert. Und im Pokalendspiel traten sie dann so auf wie m.E. in 90% ihrer Bundesligaspiele, ohne die letzte Konsequenz, jeder ein Quäntchen weniger als maximal möglich, mit dem Gefühl im Hinterkopf, es reicht sowieso am Ende wieder. (Ganz nebenbei: das Ergebnis, der Spielverlauf und auch der nächste Tag in Frankfurt haben mir die Freude am Fußball ein Stück wieder zurückgegeben) Das schlechte Bild des FCB wurde abgerundet durch das schäbige, unsportliche Verhalten nach dem Finale, einschließlich der kläglichen Einlassungen der Verantwortlichen zum Verhalten nach der Medaillenübergabe - und letztlich auch durch die sehr bescheidene Feier auf dem Balkon in München.
Ich hatte vorher befürchtet, daß die Münchner Spieler diese "Form" mit zur WM bringen würden und leider kam es auch genau so. Außer Neuer, aber der hatte ja nicht mehr beim FCB gespielt. Besonders schlimm Müller, in der Liga als Dauerlament- und -reklamierer mindestens so auffallend wie als Spieler, dem gar nichts gelang und der sinnbildlich für das steht, was von 2014 noch übrig ist.

Die WM insgesamt bietet bisher wenig, was einem den Fußball näher bringen würde. Ich kann diesen "modernen" Fußball, also den, den die meisten Mannschaften spielen, nicht mehr sehen. Ich nenne diese Art, zu spielen, mal lieber "postmodernen Fußball". Anstatt einer Spielidee, einer Vorstellung, durch eigene Initiative und aktive Spielgestaltung setzt ein Großteil der Mannschaften auf Ordnung, physische Präsenz, dazu wahlweise Ballkontrolle (eigentlich schon ein bisschen out) oder lange Bälle. Spiel verhindern als Konzept. Das Mittel der Wahl der meisten Bundesligisten, auch auf europäischer Vereinsebene zu beobachten und bei der WM spielen auch viele Mannschaften so, insbesondere wiederum die Europäer. Meistens unansehnlich. Ich brauche auch Spiele von Island, Dänemark, Polen, Schweden und in der aktuellen Form auch Deutschland nicht. Dann gibt es ein paar Mannschaften, die größere individuelle Klasse haben oder einzelne Spieler mit kreativem Potenzial, die sich noch nicht durchgesetzt haben, wie Frankreich, aber auch Serbien, die Schweiz - mit Abstrichen, Spanien, Argentinien und Portugal. Mannschaften, die wirklich gut Fußball gespielt haben? Kroatien, Belgien und teilweise Brasilien. Da Spiele europäischer Teams uninteressant und unattraktiv sind, sind für mich Spiele wie Japan-Senegal oder Auftritte von Panama das, was eine WM ausmacht. Eine andere Art Fußball und Spieler, für die es noch etwas besonderes ist, auf dieser Bühne zu spielen. Die europäischen Spieler aus den Topvereinen wissen doch nach ihren 60+ Saisonspielen gar nicht, um was sie heute eigentlich spielen.
Aus meiner Sicht ist auch die Champions-League, diese pervertierte Gelddruck- und Selbstbedienungsmaschinerie der größten und reichsten Clubs der Welt mit Schuld an der negativen Entwicklung des Fußballs. Ich brauche auch nicht mehr jedes Jahr 2-4x die Spiele der Bayern gegen Real, Atletico, Barca, Manchester U. oder City, Arsenal oder Chelsea, Juve oder Milan. Interessiert doch keinen mehr, wenn es zur Dutzendware wird. Dank der TV-Rechtevergabe seh ich das ja auch künftig nicht mehr. Die CL verheizt die Spieler, saugt sie aus, die nationale Liga wird Nebensache und bringt so auch keinen Nachwuchs auf konkurrenzfähigem Niveau in ausreichender Zahl hervor. Meister werden ist kein Saisonziel mehr. Gutes Beispiel für die Fehlentwicklung ist ausgerechnet die SGE, die ja Fußballdeutschland gezeigt hat, daß man sich gegen die Bayern nicht totstellen muß. Wo suchen sie nach Spielern, auf was baut die Zukunftsplanung auf? Günstige und doch hinreichend starke ausländische Spieler, mit denen nicht eine Mannschaft für die nächsten Jahre aufgebaut werden soll, sondern auf deren Wertzuwachs im SGE-Trikot spekuliert wird. So gerät der WM-Verlauf zum (für die Eintracht bisher schlechten) Geschäft. Fabian spielt zu wenig, um auf den Markt zu kommen, Rebic ist durch seine Leistungen schon so gut wie weg, Jovic' Wert dürfte sich nicht geändert haben und Gacinovic ist leider gar nicht erst mitgekommen, dürfte somit auch nicht auf den Markt kommen. Aus Bobic-Sicht wäre es besser gewesen, Rebic wäre nicht so aufgefallen (vermutlich hätte dessen Pokalauftritt aber schon gereicht), Fabian hätte einen Stammplatz und gut gespielt, Gacinovic ebenso. Langfristige Planung? Keine. Nachwuchs? Jämmerlich, fast aus der Bundesliga abgestiegen (eine Bundesliga aus Fünf Staffeln, die SGE-Junioren gehören nicht zu den 20-30 besten in Deutschland). Die U 23? Abgemeldet, weil zu teuer. Die gehörte auch ebenso wie die Jugendabteilung zum Eintracht e.V., dementsprechend amateurhaft geführt.
Klingt alles so negativ. Zum Glück beschäftige ich mich kaum noch mit Fußball.
Bis zur nächsten Folge, in etwa 1 Woche.

Montag, 25. Juni 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., 3. Folge


Deutschland sollte gewarnt sein!

Argentinien, noch längst nicht ausgeschieden, da noch das Spiel gegen - Stand jetzt - überforderte Nigerianer aussteht, sollte den Deutschen ein mahnendes Beispiel sein.
Neuer, Boateng, Kroos, Khedira, Müller und Özil waren vor acht Jahren Stammspieler, als die deutsche Nationalmannschaft in Südafrika begeisternden Angriffsfußball spielte, der zwar "nur" zum dritten Platz reichte, aber weltweit Aufsehen erregte und viel Anerkennung brachte. Vier Jahre später waren sie immer noch Stammspieler, als eine gereifter und abgeklärter spielende Auswahl in Südamerika nacheinander den Brasilianischen Gastgeber deklassierte und das andere Südamerikanische Schwergewicht, die Argentinier um Messi, nach aufopferungsvollem Abnutzungskampf durch ein historisch vollendetes Tor von Götze zum Titelgewinn besiegte. Und jetzt, weitere vier Jahre später sind sie immer noch Stammspieler.
Wieviele Leistungsträger von internationalem Topniveau oder gar Weltklasse sind seit 2014 neu ins deutsche Team gekommen? Genauso viele wie ins Argentinische. Nur das Argentinien auf dem Torhüterposten schlechter aufgestellt ist als Deutschland. Aber eine Entwicklung seit dem letzten Turnier? Bei beiden Finalisten von 2014 Fehlanzeige!   
Aus unterschiedlichen Gründen setzen beide Nationalteams darauf, daß das, was in den letzten Jahren funktioniert hat, irgendwie auch in 2018 noch funktionieren müsste. Erfolg als Veränderungshemmnis.
Die Spieler dieser Nationen haben 60 und mehr Saisonspiele auf dem Buckel. Wer von ihnen hat wohl, zumal aus der Vergangenheit auf Vereins- und Nationalmannschaftsebene erfolgsverwöhnt, nicht im Hinterkopf oder im Unbewussten den Gedanken "Ach, wenn es jetzt schon vorbei wäre, wäre es auch nicht schlimm." Nur ein klitzekleiner Gedanke, ganz hinten, versteckt. Würde natürlich keiner zugeben. Vielleicht erfährt man es irgendwann hinterher, so wie man nach schlecht gelaufenen Turnieren immer hinterher erfahren hat, was alles nicht gepasst hat. Noch ist es natürlich zu früh, die Deutschen abzuschreiben, aber Löw hat, wie die Argentinier, die Chance auf einen Umbruch verpasst. Vielleicht nutzt er sie noch im weiteren Turnierverlauf, immerhin muss er nicht wie sein Argentinischer Kollege Rücksicht auf die Befindlichkeit eines unantastbaren und vermeintlich unersetzlichen Megastars nehmen. Deutschland hat keinen Superstar solcher Strahlkraft, hinter dem sich andere verstecken und aus der Verantwortung stehlen können, was m.E. ein Vorteil der Deutschen ist. 





Dienstag, 19. Juni 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., 2. Folge

Eröffnungsspielorte: Die Eröffnungsspiele, die ich gesehen habe und Erinnerungen daran. Bis einschließlich 2002 spielte jeweils der Titelverteidiger zum Auftakt vor, oft mit mäßigem Erfolg. Die Geschichte zeigt, daß die Weltmeister, die lange automatisch, d.h. ohne eine Qualifikation spielen zu müssen, qualifiziert waren, oft den Umbruch verpasst haben, vielfach zu lange an den verdienten Spielern über deren Leistungshöhepunkt hinaus festgehalten wurde. Kein neues Problem also. 

Das Stadio Monumental in Buenos Aires, wie das River Plate auch mal genannt wurde, vor seinem Ausbau für die Endrunde 1978 (das fehlende Viertel des Oberranges wurde noch hinzugefügt - s.u.).

Wie damals der Tradition entsprach, war auch 1978 der Titelverteidiger im Eröffnungsspiel am Start. Die Gruppenauslosung wollte es sogar so, daß der 1. auf den 3. der letzten WM traf. Es wurde ein trostloser Kick, leider in diesem Fall ein Vorbote dessen, was die Deutschen im weiteren Verlauf noch bieten sollten. Es war ihr erstes von insgesamt drei 0:0. Sepp Maier, mit seiner Dauerwelle auf der Höhe der Zeit, hielt sehr stark, vorne fand das Traumduo Fischer/Abramczik nie zu gewohnter Form und aus dem Mittelfeld kamen weder von Antreiber Bonhof noch von Spielmacher Flohe die gewünschten Impulse. Lediglich im zweiten Spiel gegen die schwächste aller 16 Mannschaften, Mexiko, gab es mit einem leichten 6:0 ein kleines Strohfeuer. die folgenden vier Spiele blieb Deutschland ohne Sieg, mit einem blamablen 0:0 gegen Tunesien und der Schmach von Cordoba als Tiefpunkt bzw. "noch tieferer Tiefpunkt" (R. Völler) eines verkorksten Turniers. Für Deutschland waren noch einige Weltmeister am Start, aber leider nicht Beckenbauer, Müller, Overath, Grabowski oder Breitner.

Das Camp Nou in Barcelona sah 1982 den Auftritt des Weltmeisters + Diego Maradonna, letzterer vor seinem damaligen Heimpublikum. Gegner war Vize-Europameister Belgien abzüglich seines zurückgetretenen Spielmachers Van Moer. Herausgekommen war ein 1:0 des Außenseiters, der gnadenlos Beton anrührte, Maradonna über den ganzen Platz verfolgte, umzingelte und damit entnervte. Beim Weltmeister stimmte die Mischung nicht, Maradonna, das Jahrhunderttalent, war noch sehr jung, noch nicht soweit, die Mannschaft zu führen, die von 1978 übriggebliebenen waren nicht mehr so weit. Durch die Niederlage zum Auftakt wurde man in der Gruppe nur Zweiter, kam dadurch in der Zwischenrunde in die Hammergruppe mit den nach schwacher Vorrunde (sieglos!) plötzlich durchstartenden Italienern und den zauberhaft aufspielenden Brasilianern. Argentinien verlor beide Spiele, wobei auch Maradonna die Nerven durchgingen, nachdem er permanent gefoult worden war. Brasilien anno 1982, nach Ansicht vieler die beste Mannschaft, die nicht Weltmeister wurde (vor Ungarn 1954 und Holland 1974), scheiterte an Italien, den späteren Weltmeister. Weil sie beim Stand von 2:2, was fürs Halbfinale gereicht hätte, nicht aufhören wollten oder konnten, zu stürmen. Schade u.a. für Socrates, der extra für das Turnier mit dem Rauchen aufgehört hatte!  

1986 eröffneten Italien und Bulgarien das Turnier, im Stadion, wo auch später das Endspiel stattfinden sollte. Ohne Teilnehmer des Eröffnungsspiels. An das Spiel habe ich keine Erinnerung, außer, daß es schlecht war, 1:1 endete und wie so oft einen Titelverteidiger zeigte, bei dem die Mischung aus alt und neu nicht stimmte und - bei den Italienern sowieso meistens so - nach vorne nicht viel zusammenlief. Die Bulgaren waren damals nur als Außenseiter gehandelt worden, völlig zurecht.

Ungewöhnliche Karte, die keinen der Mailänder Vereine als Heimclub ausweist, sondern den Dauerrivalen Juve, der gelegentlich hierher auswich. Das Meazza- oder San Siro-Stadion oder wie auch immer der korrekte Name lautete nach seinem Um- und Ausbau für Italia 1990. Ein trutziger Koloß, meiner Meinung nach unästhetisch, Brutalismus von oben.

Dasselbe Stadion, diesmal von innen, sogar während des Eröffnungsspieles Argentinien - Kamerun, aufgenommen. Das Spiel war ähnlich angelegt wie ARG - BEL acht Jahre zuvor: 11 gegen Maradonna, wobei Kamerun viel rustikaler zu Werke ging als Belgien, Maradonna oft schmerzhaft getroffen zu Boden ging. Die Freude über den Außenseitersieg (1:0) wurde erheblich vergällt durch das absurd harte Einsteigen der Afrikaner. Im weiteren Verlauf wurden die Verhältnisse etwas zurechtgerückt: Die Kameruner fanden auf den Pfad der Tugend zurück, begeisterten durch Fußballkunst und drangen ins Viertelfinale vor, wo sie England am Rand der Niederlage hatten. Argentinien kam mit einem Maradonna in Topform, allerdings mehr oder weniger als Ein-Mann-Show, ins Finale. Also der seltene Fall, da ein Team, das das Eröffnungsspiel bestritten hatte, ins Finale kam.

Deutschland reiste als Weltmeister in die USA, vom damals schon zum Dummschwätzen neigenden Beckenbauer bei Amtsübergabe für unschlagbar erklärt. Was er nicht vorhergesehen hatte, war, daß die Mischung aus neuen und alten nicht harmonierte. Effenberg, Sammer, Helmer und ein gereifter Andi Möller, allesamt Alpha-Tiere in ihren Vereinen, einerseits und Matthäus andererseits waren keine Einheit, Häßler hatte wie der Kapitän und der 34-jährige Völler den Zenit längst überschritten und mit Bodo Illgner setzte Trainer Vogts auf den falschen Torhüter, Köpke war seinerzeit der beste deutsche Keeper. Das Eröffnungsspiel gegen Bolivien endete immerhin 1:0 für den Titelverteidiger, aber das Aus kam nach dürftigen Leistungen verdient im Viertelfinale. Das Turnier in den USA stellte Zuschauerrekorde auf, spielerisch war es arm, Weltmeister wurde Brasilien, mit Leistungen, derer sich das heimische Fußballvolk eher schämte. Es wurde sogar gesagt, sie hätten den Fußball getötet. Die gescheiterte Mannschaft von 1982 um Zico, Sokrates, Cerezo, Falcao, Eder u.a., genießt jedenfalls mehr Sympathien und Anerkennung als die Weltmeister von 1994, die in einem deprimierenden Finale die Italiener im Elfmeterschießen besiegten.

1998 war wieder einmal das Eröffnungsspiel im späteren Finalstadion, und, selten, der Titelverteidiger kam zum Finale wieder nach Saint Denis. Brasilien schlug zum Turnierauftakt Schottland mit 2:1, aber ich muß gestehen, daß ich das nachlesen musste, obwohl ich das Spiel gesehen habe. Durchs Turnier kamen die Brasilianer ohne Glanz, im Finale machte der weltbeste Spieler der nächsten Jahre zwei Tore gegen Brasilien - mit dem Kopf! - während der in seiner Blüte stehende Ronaldo, durch unklare gesundheitliche Probleme geschwächt (die Rede war u.a. von epileptischen Anfällen), im Endspiel kein Faktor war. 

Das Stade de France, Schauplatz von Eröffnungsspiel und Finale 1998, von innen. 

2002 war erstmals die Ausrichtung an zwei Länder vergeben worden. Korea bekam das Eröffnungsspiel, Japan dafür das Finale. So sahen knapp 70.000 Zuschauer mal wieder einen Fehlstart eines Titelverteidigers. Die Franzosen traten wie viele vor ihnen auf, satt, behäbig, überheblich und ohne Biß. Auftaktgegner war Senegal und die wackeren Afrikaner erarbeiteten sich einen 1:0-Sieg gegen die ehemalige Kolonialmacht. Die Franzosen holten nur einen Punkt, erzielten kein Tor und wurden Gruppenletzter. Das Finale bestritten Brasilien (zum dritten Mal in Folge!) und Deutschland. Die Mannschaft von Rudi Völler war nicht gerade eine Zierde für den Fußballsport, man rumpelte sich durchs Turnier und scheiterte verdient an Ronaldo, Ronaldinho und Rivaldo. Leider ausgerechnet durch einen Patzer des großartig haltenden Oli Kahn begünstigt. Bei einem anderen Torhüter hätte man die nach vorne abprallende Parade, die zur Führung der Brasilianer beitrug, vielleicht noch nicht mal als Fehler bewertet, aber Kahn war so gut, daß die Maßstäbe bei ihm höher waren.

2006 brachte die Abkehr vom Eröffnungsspiel mit Titelverteidiger. Stattdessen spielte fortan der Gastgeber. In Deutschland 2006 bekam ein Spielort (die Fußballhauptstadt) den Zuschlag für das Eröffnungsspiel, ein anderer (die Bundeshauptstadt) den fürs Finale. Ein oft durchgeführter Akt des Proporzes aber auch der Verteilungsgerechtigkeit, angemessen einem Gastgeberland mit reicher Fußballtradition und -Infrastruktur.

Das Münchner Stadion in der Innenansicht. Hier stellte die Klinsmann-Mannschaft mit einem furiosen 4:2 gegen Costa Rica die Weichen für ihr sogenanntes "Sommermärchen". Das deutsche Team scheiterte im Halbfinale nach der 118. Minute an Italien. Schon in der Runde zuvor war die couragiert auftretende Mannschaft gegen sehr starke Argentinier an ihre Grenzen gestoßen, hatte aber im Elfmeterschießen die Oberhand behalten. Immerhin das seit langem, wenn nicht sogar das attraktivste Eröffnungsspiel überhaupt.    

2010 eröffnete Gastgeber Südafrika gegen Mexiko in Johannesburg. Nicht im hier abgebildeten Ellis Park, sondern im moderneren Soccer Park, von dem ich kein Bild habe. Die Vergabe an ein fußballerisch eher limitiertes Land brachte die Rückkehr zur Eröffnungs-Magerkost, das Spiel endete 1:1 Trotz eines Sieges über eine zerrüttete französische Mannschaft im dritten Gruppenspiel, war für den Gastgeber wegen der schlechteren Tordifferenz schon nach der Vorrunde Schluss. Es blieb dennoch ein Stimmungsvolles Turnier, in dem die Deutschen teilweise begeisternden Fußball spielten (4:1 gegen England im Achtel- und 4:0 gegen Argentinien im Viertelfinale), gegen Spanien im Halbfinale aber keine Lösung mehr fanden. Die Weiterentwicklung seit 2006 machte jedenfalls Freude, man hatte eine Serie von drei Halbfinals in Folge und verdankte die Erfolge '06 und'10 ausnahmsweise nicht den "deutschen Tugenden", die Zeiten von Briegel, Jakobs, Förster und Förster, Eder, Ramelow und Jeremies als prototypische deutsche Spieler waren vorbei. Weltmeister wurde Spanien, durch Tor von Iniesta, dem größten Spielmacher der Zeit, im damals schon grassierenden Hype um C. Ronaldo und Messi aber immer unterhalb des Radars.

2014 wurde in Sao Paolo natürlich nicht im hier abgebildeten Morumbi eröffnet, sondern in einem nagelneuen FIFA-konformen Vorzeigepalast. Brasilien gewann gegen Kroatien 3:1 und hatte, auch wenn nicht restlos überzeugend, scheinbar seinen ersten Schritt zum programmierten Titelgewinn getan. Die pathostriefenden, emotional maßlos überladenen Auftritte der Mannschaft vor den Spielen deuteten jedoch schon früh auf die große Anspannung der Gastgeber und ihre letztlich zum Scheitern führende Überforderung hin. Immerhin kam der Gastgeber bis ins Halbfinale, aber historisch einmalige 1:10 Tore in den beiden letzten Spielen sind der Eindruck, der zurückbleibt, unauslöschbar vor allem durch die 1:7-Demütigung durch den späteren Weltmeister Deutschland. Die Mannschaft von Jogi Löw war am logischen Höhepunkt ihrer kontinuierlichen Entwicklung der letzten 10 Jahre angekommen. Ausgerechnet der verletzungsbedingte und Panik auslösende Ausfall von Mannschaftskapitän Ballack vor dem Turnier in Südafrika vier Jahre zuvor hatte endgültig eine Wende zum schnelleren Offensivfußball gebracht, der von Özil, Müller, Lahm und Schweinsteiger geprägt war. In Brasilien 2014 waren Schweinsteiger und Lahm, Özil und Müller, Hummels und Boateng, Kroos und nicht zuletzt Torhüter Neuer auf ihrem Höhepunkt. Wie zuvor Beckenbauer, G. Müller, Overath, Maier und Grabowski oder Augenthaler, Matthäus, Littbarski, Völler und Brehme waren zahlreiche Leistungsträger des vorangegangenen halben bis ganzen Jahrzehnts reif für die Krönung ihrer Karriere.


Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., 1. Folge

Jürgen Grabowski nahm für Eintracht Frankfurt an drei Weltmeisterschaften teil. 1966 Vize-Weltmeister ohne Einsatz, 1970 Dritter, wobei er, meist eingewechselt, mehrere wichtige Tore vorbereitete und 1974 als Stammspieler Weltmeister. In der Nationalelf der Ära Overath/Netzer musste er Außenstürmer spielen, im Eintracht-Trikot war er jahrelang einer der besten, zeitweise der Beste Zehner. 1978 wollte Trainer Helmut Schön den Frankfurter Regisseur, seinerzeit in der Form seines Lebens, zum Rücktritt vom Rücktritt überreden. Grabi blieb standhaft und ersparte sich eine aus deutscher Sicht peinliche WM. Ein Sieg, vier Unentschieden (3x 0:0) und die sagenumwobene Niederlage von Cordoba, das war die Bilanz des seinerzeitigen Titelverteidigers. Das 0:0 im Eröffnungsspiel gegen Polen war das erste von zehn Eröffnungsspielen, die ich in Folge gesehen habe. Ein ödes Gekicke, zum Wegsehen. 

Die ersten 6 Tage sind vorbei und ich habe kostbare Lebenszeit gewonnen, indem ich erst 2 Spiele in voller Länge gesehen habe. Dazu verhalf mir nicht nur mein Vorsatz, sorgfältig auszuwählen, sondern auch, daß keines der Spiele, in die ich mich eingeklinkt habe zum Verweilen eingeladen hat. 
Das Eröffnungsspiel: das erste seit 1978, das ich ausgelassen habe. Seinerzeit war es noch dem Titelträger vorbehalten, das erste Spiel zu bestreiten, irgendwann haben sie dann dem Gastgeber das erste Spiel gegeben. Russland - Saudi-Arabien kann nun wirklich keiner verlangen! Die Spiele EGY-URU, MAR-IRN, CR-SRB, SWE-KOR? Nicht mit mir. Nicht gesehen und nichts verpasst. ESP-POR? Hätte ich gerne gesehen, aber da konnte ich gerade nicht. FRA-AUS und PER-DAN habe ich mal reingeschaut. Die erstgenannte Partie fand ich langweilig, FRA wirkte ideenlos, behäbig, selbstgefällig (das Urteil fällte ich, bevor ich die Deutschen gesehen habe). Peru fand ich in seinen Bemühungen ebenso sympathisch (ich habe ein Herz für Peru, seit Cubillas anno 1978 die Schotten zerlegt hat und Quiroga den Elfmeter gehalten hat) wie unbedarft. Mannschaften mit solchen Anlagen verlieren normalerweise immer gegen die körperlich überlegenen, nüchternen und abgebrühten Nord- und Mitteleuropäer. ARG-ISL nach dem 1:0 verlassen, zufällig das 1:1 mitgekriegt, mehr musste man wohl von dem Spiel nicht unbedingt sehen. ARG hat sein Messi-Problem, das ja auch gerne kleingeredet wird, noch nicht gelöst.
KRO-NIG war, soweit ich gesehen habe ziemlich einseitig, eine bemühte aber zu limitierte Mannschaft gegen eine mit viel Dynamik und individueller Klasse aufspielende, der Sieg der Rebic-Truppe war nie gefährdet. BRA-SUI dann das zweite Spiel, das ich komplett gesehen habe. Auch die Brasilianer überzeugten nicht ganz, die Schweizer haben, ohne eigene Torgefahr i.e.S. zu generieren, einen letztlich nicht sehr gefährdeten Punkt geholt. Seferovic spielte so, wie wir ihn in Frankfurt in Erinnerung haben.
Das mit der Unbedarftheit kann man wohl auch von CRC sagen, so daß Serbien einen weiteren der zahlreichen glanzlosen 1:0-Siege holte.
Ein 1:0 der attraktiveren Sorte gelang dagegen den Mexikanern. Womit wir bei dem von mir oft strapazierten Thema wären:  Der deutsche Fußball hat sich seit dem WM-Sieg vor vier Jahren zurück entwickelt. Die Bundesliga stagniert, international holt der FC Bayern Achtungserfolge, der Rest ist betretenes Schweigen. Die "Mannschaft" weist aktuell keinen Weltklassespieler auf, das Spiel wirkt schon seit längerem - auch bei der letzten EM zu sehen - ideenlos. Wenn dann auch noch Einstellung und Willen fehlen, dann kommt so etwas raus wie am Sonntag gegen Mexiko. Die DFB-Elf hat gespielt wie die Bayern im Pokalfinale, alle mit 80% und der diffusen Anmutung, es werde schon irgendwie reichen. Und der Trainer ist - Stand jetzt - nicht Willens, Spieler, die es nicht mehr bringen, loszulassen. Es werden im Nachgang Durchhalteparolen abgesondert, die man aus dem Bundesliga-Abstiegskampf kennt. Löw hielt bei der EM an Schweinsteiger fest, der offensichtlich überfordert war und tut das selbe nun mit Özil, Müller, Khedira, Boateng und Hummels. Ich bin zwar nicht der Meinung, daß alle Genannten aus der Startelf verschwinden sollten, aber irgendwie sollte sich in der Aufstellung wiederspiegeln, welches Standing die Spieler in der abgelaufenen Saison in ihren Clubs hatten und welchen Leistungsstand sie aktuell tatsächlich haben - anstatt welchen sie haben könnten aufgrund eines irgendwann einmal gezeigten Potenzials. Draxler kann für Überraschendes sorgen und Spiele entscheiden, so der Trainer vor dem ersten Spiel. Er hat es aber nicht getan. Kroos, der designierte Heilsbringer hat außer Paßsicherheit (selbst die nur mit Abstrichen) nichts zu bieten gehabt. Seine überragenden Paßstatistiken kommen ja in erster Linie durch Quer- und Rückpässe zustande - Paßsicherheit durch Sicherheitspässe. Kreativität, das hat man nicht zum ersten Mal gesehen, gehört nicht zu seinen Stärken. Spannend für mich die Frage, ob die etablierten Spieler nun den Trainer haben hängen lassen oder ob der Trainer mit seiner Personalpolitik (wohl unbeabsichtigt) die gestandenen Spieler demontiert, indem er sie bringt, obwohl sie es nicht (mehr?) besser können. Es kann jedenfalls nur besser werden. Was hätte die hungrige, gierige und entschlossene Mannschaft aus dem Halbfinale oder Finale von 2014 wohl mit der Deutschen von heute gemacht? Sie hätten sie mit Haut und Haaren aufgefressen, vernichtet. Die gute Nachricht: SWE und KOR sind fußballerisch sehr limitiert. Ob die "Mannschaft" eine Wende zum Guten schafft, steht auf einem anderen Blatt. Im Falle eines vorher kaum vorstellbar gewesenen Scheiterns sollte das vorerst verkündete "weiter so" (so ganz nebenbei - welche Linie, bei der man bleiben wolle, meint Löw?) sehr kritisch auf den Prüfstand kommen. Es kann nicht alles schlecht sein, was vorher jahrelang gut war, führt schnurstracks noch weiter bergab. Das ganze glattgebügelte, stromlinienförmige Vermarktungsprodukt "Mannschaft" ergibt nur einen Sinn, wenn die Leistung stimmt. Stand heute also nicht.

Daß von den ganzen auserkorenen Favoriten und Geheimfavoriten nur Belgien überzeugt hat, ist auch kein Trost. Keiner hat so schlecht gespielt wie Deutschland und keiner außer Deutschland hat verloren.    






Donnerstag, 12. April 2018

Saisonbilanz Löwen

Hannibal ante portas! Zu oft war Weitzmann, der eine starke Punktrunde gespielt hatte, im Halbfinale auf sich gestellt, hatte leider auch zudem nicht wieder die Form erreicht, die er vor seiner Verletzung hatte. Das Aus im Halbfinale kam nicht nur zustande, weil Bietigheim insgesamt stärker war, sondern auch, weil sie im Powerplay gefühlt nach Belieben scoren durften. In jedem Spiel mindestens einmal der Querpass durch den Slot und das Einschieben aus kürzester Distanz. Ärgerlich, daß sie die Box nicht enger aufgestellt haben.

Wieder mal war die Eissporthalle stets gut gefüllt, erstklassig, vor allem daran gemessen, daß die Leute um des Eishockey Willen kamen, Aufstieg, sportlicher Wettbewerb mit Konsequenzen findet in der DEL 2 nicht wirklich statt. Wie es weitergeht ist unklar, vorerst wird es weiterhin keinen Aufstieg in die DEL geben. Und die Löwen? Haben Stand heute keine Mannschaft, was allerdings im deutschen Eishockey Mitte April nicht ungewöhnlich ist.



Aus im Halbfinale, "wait 'till next year" für die Frankfurter Löwen. Wobei next year ja nur bis September bedeutet.
Leider muß man sagen, daß für diese Mannschaft nicht mehr drin war, im Halbfinale war Bietigheim mit seinen drei Scoringreihen und, nach dem Torhüterwechsel, mit Martinovic im Tor einfach zu stark für die Löwen. Es war genau umgekehrt zur letztjährigen Finalserie, als die Steelers, verletzungsbedingt personell geschwächt, den drei gleichwertig torgefährlichen Löwen-Reihen und dem starken Spiel von Brett Jaeger nicht genug entgegensetzen konnten.
Den Verantwortlichen der Löwen war es leider nicht gelungen, die Abgänge der Meistermannschaft gleichwertig zu ersetzen und so verlief die Punktrunde insgesamt eher durchwachsen - gemessen an den Ansprüchen. Der letztlich souverain gesicherte 3. Platz war aber realistisch betrachtet, auch angesichts zu vieler Verletzter, wohl das maximal erreichbare, zu mehr fehlten einfach Substanz und Konstanz.
Daß mit Laub, Gawlik und Müller gleich eine ganze Sturmreihe (wenngleich sie nicht eine Reihe gebildet hatten) von der Fahne geht, war wohl nicht vollständig zu verhindern. Spieler mit DEL-Potenzial und -Perspektive werden auch in Zukunft nicht zu halten sein, aber der Fall Müller gibt zu denken. Es scheint schwer vorstellbar, daß der SC Riessersee seinen Spielern wirtschaftlich mehr zu bieten hat als die Löwen, so daß davon auszugehen ist, daß die Leistungsfähigkeit des Spielers seitens der Löwen falsch eingeschätzt worden war. Vielleicht wollte man sich trennen, bevor den bei Saisonbeginn 35-jährigen Speedster seine Beine verlassen würden. Das Ergebnis: Müller trug wesentlich dazu bei, daß sein neues Team die Punktrunde als erster abschloss und wurde Topscorer der Liga. Gewußt, wie - bzw. mit wem man ihn aufstellt!
Daß die Neuzugänge Gron und MacLeod unter den Erwartungen blieben würden, das konnte man vorher nicht unbedingt absehen, aber es war ja gerade die große Stärke der Meistermannschaft gewesen, nicht von einzelnen Spielern abhängig zu sein. In der gerade abgelaufenen Saison kam zuwenig Torgefahr aus den hinteren Reihen, nach Liesegang, Pistilli, Stretch und MacLeod kam nicht mehr viel, was sich spätestens im Halbfinale rächte, zumal nach dem Ausfall von Liesegang.
Positiv war die Kooperation mit den Kölner Haien, deren Leihspieler wertvolle Ergänzungen darstellten, aber nur im Fall von Torhüter Weitzmann in der Punktrunde und mit Abstrichen auch Dominik Tiffels Verstärkungen waren. Wer weiß, ob die Löwen ohne Köln überhaupt einen DEL 2-tauglichen Kader zusammenbekommen hätten?
Ein absoluter Volltreffer war ohne Zweifel Verteidiger Tim Schüle, der zum abgewanderten Matt Tomassoni sogar eine Verbesserung brachte. Solch einen Spieler in die DEL 2 zu locken ist ein Glücksfall und es ist leider auch bei ihm nicht zu erwarten, daß er länger in Frankfurt bleibt.
So muß man einen wesentlich größeren Umbau und Neuaufbau der Mannschaft vornehmen, als im letzten Jahr. Man kann nur hoffen, daß die Verantwortlichen mit den Zugängen ein besseres Händchen haben als in der Vorsaison, daß die Kooperation mit Köln weitergeführt wird und daß der neue Trainer gut passt. Personell und spielerisch einen roten Faden über mehrere Jahre zu haben ist im deutschen Clubeishockey leider nur ein frommer Wunsch, jedes Jahr zweistellige Zu- und Abgänge machen das unmöglich. Aktuell gehen mehr Meldungen über Abgänge als Zugänge durch die Medien. Das Risiko: Je mehr gehen, desto mehr muß man auch neu holen. Bei einer Mannschaft wie den Löwen, nach zwei insgesamt starken Saisons, ist der Spielraum für Verbesserungen gering, je mehr Neuzugänge, desto größer die Wahrscheinlichkeit für Fehler.
Was bleibt also von dieser Saison? Punktrunde als dritter abgeschlossen, mit den meisten erzielten Toren, der beste Zuschauerschnitt der Liga und sechs Heimspiele in den Playoffs (in der Meistersaison waren es trotz Finalteilnahme auch nur 7). So wird man hoffentlich finanziell mit heiler Haut aus der Saison kommen. Sportlich hätte man sich mehr gewünscht.
Man kann den Zustand der Löwen meines Erachtens auch als sinnbildlich für die strukturellen Probleme des deutschen Eishockey sehen. Deutsche Trainer und deutsche Spieler, die sich mit ihrem Club identifizieren sind Mangelware, aus dem Nachwuchs kommt wenig und Jahr für Jahr werden die Kader aus ausländischen Spielern zusammengeflickt und mit Trainern versehen, die diese Mannschaften zwar trainieren, aber das deutsche Eishockey nicht entwickeln oder voranbringen helfen (anders als z.B. die zahlreichen in den 70er und 80er Jahren in Deutschland tätigen Trainer aus der CSSR, die dort  Spitzentrainer waren und dem deutschen Eishockey genau das gaben). So entsteht Jahr für Jahr aufs Neue Stückwerk - auch wenn die großartige Leistung der Nationalmannschaft bei der Olympiade das Bild vordergründig geschönt hat.