"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Montag, 18. Juni 2012

Versuch eines Euro-Tagebuchs 4:

Das mit dem Fußball-freien Abend habe ich so gut wie geschafft. Es blieb bei der zweiten Halbzeit England gegen Schweden. Gut so, war schließlich doch recht unterhaltsam. Der Fußball dieser beiden wird sich wohl nie ändern, in diesem Fall war das für das Spiel positiv, sonst ist es vom ästhetischen Standpunkt her auch oft ärgerlich, dieses Gerenne und die hohen, weiten Bälle mitanzusehen. Naja, die Hauptsache sind immer noch die Tore, und vier in einer Halbzeit sieht man heute ja auch nicht so oft. Und der bisher kurioseste Treffer des Turniers, das 1:1 der Schweden: Ibrahimovic setzt zunächst einen Freistoß in die Mauer, ehe er den zurückprallenden Ball mit einem grotesk anmutenden Scherenschlag weit neben das Tor schießt. Der Ball landet aber, da ganz schlecht getroffen nicht dort, sondern vor den Füßen von Melberg. Dessen Schuß wird von Englands Keeper Hart glänzend abgewehrt, prallt aber von Harts Hand gegen den unglücklichen Abwehrspieler Johnson, von diesem Richtung Tor. In selbiges befördert Johnson den Ball mit seinen Rettungsversuchen dann. Also Freistoß vergeben, Nachschuß total verunglückt, zweiter Nachschuß glänzend abgewehrt, macht zusammen: Tor!
In Gruppe A wurde der Expertise des Kicker-Sonderheftes eine ziemlich lange Nase gedreht, es kam genau entgegengesetzt zur Erwartung. Die Griechen im Viertelfinale und demnächst 24 Mannschaften bei der Euro, das spricht nicht unbedingt für Qualität. Aber wenn sie sich mit ihren äußerst begrenzten Möglichkeiten in dieser äußerst schwachen Gruppe durchsetzen, dann gehören sie eben unter die letzten acht, obwohl sie da nichts zu suchen haben. Für die Holländer natürlich sehr makaber, aber andererseits haben sie auch genau das Gegenteil vorgeführt. Während die Griechen aus fast nichts das Maximum herausholen, machen die Niederlande aus scheinbar beinahe unbegrenzten Möglichkeiten nichts. Die Deutsche Mannschaft hat in einer Gruppe, deren Hochklassigkeit historische Ausmaße besaß, jedes Spiel gewonnen. Das sollte eigentlich zu Jubelstürmen und Euphorie veranlassen. Aber die Spiele waren zähe Angelegenheiten, spielerische Glanzlichter waren Mangelware und die Partien waren sehr eng, standen auf der Kippe und hätten auch anders ausgehen können. Das darf natürlich bei Gegnern dieses Kalibers so sein und die meisten Mannschaften würden liebend gerne mit unserer tauschen. Aber ich weiß nach dieser Vorrunde nicht, wie ich die Form unserer Mannschaft einschätzen soll. Es bleibt trotz der neun Punkte viel Verbesserungsbedarf, vor allem im Spiel nach vorne. Gegen Dänemark bestand die große Gefahr, daß die Deutschen vor lauter Überlegenheit das Toreschießen vergessen und jede Ecke der Dänen hätte den Spielverlauf auf den Kopf stellen können. Gegen die Griechen sollte das nicht passieren, 60% Ballbesitz sind keine Sieggarantie. Der Vorteil dieser Vorrunde ist, daß die Löw-Truppe in jedem Spiel stark gefordert wurde, sie sind auf Betriebstemperatur, jede Begegnung hatte aufgrund der Gruppenkonstellation K.O.-Charakter, das gilt für die Teams der anderen Gruppen nur bedingt. Mal sehen, ob Spanien heute mit Kroatien zurecht kommt, das 4:0 gegen das drittklassige Irland war keine Prüfung, es muß kein Vorteil sein, in der Vorrunde so ein leichtes Spiel zu haben. Gegen Italien fehlten den Titelverteidigern jedenfalls die Antworten.
Ich finde das Turnier fußballerisch nicht so ansprechend wie es in den Medien dargestellt wird. Nehme ich die Deutschen Begegnungen wegen der emotionalen Beteiligung aus, so habe ich bisher vielleicht drei bis vier attraktive Spiele gesehen, von denen zwei (Russland gegen Tschechien und Spanien gegen Irland) jedoch sehr einseitig waren.
Und die Berichterstattung? Die Ostseebühne wurde ja schon viel gescholten, und das völlig zurecht. Viel schlimmer aber aus meiner Sicht das Duo Hohenstein/Kahn. Der Ex-Torhüter wirkt staubtrocken, die Sportjournalistin gehemmt. Von beiden geht keinerlei Esprit aus, da kommt nichts rüber. Auch im 21. Jahrhundert gibt es noch Frauen, die im Sportjournalismus deplatziert wirken. Sprachduktus, Sachkenntnis, Spritzigkeit. Hat Hohenstein nicht. Sie befruchten sich nicht gegenseitig, sie lockt Kahn nicht aus der Reserve, er sie auch nicht. Außerdem macht es einen Unterschied, ob die Moderatoren vor Ort sind, oder nicht. Scholl kann in seinen Analysen die nicht auf die Fernsehbilder beschränkten Einblicke einbringen, im Stadion sieht man mehr als vorm Fernseher. Auch sonst sind die Moderationen von und mit Scholl besser, wirken auch fundierter. ZDF nur Zweiter! Waldis Club spare ich mir, nicht nur wegen der Sendezeit. Ich kann darauf verzichten, diesen vielen Ex-Fußballern und geneigten fußballaffinen Promis beim Phrasendreschen zuzuhören. Kein Nährwert. Amüsant dagegen, den Kaiser bei einem Grillfest im Kleingartenverein als Ehrengast zu sehen, er war offenbar der Gewinn bei irgendeinem Preisausschreiben. Fühlte sich sichtlich wohl, unsere Lichtgestalt. Wie zu vernehmen war, stellt die UEFA oder eine ihrer Unterorganisationen zentral die Fernsehbilder zur Verfügung. Dabei nimmt man es mit der Authentizität wohl nicht immer so genau. Möglich, daß das mit dem Demokratieverständnis eines der Gastgeberländer korrespondiert, andererseits scheint sich die UEFA ja inzwischen auch auf dem Weg zur Schurkenorganisation zu befinden, in Anpassung und nicht mehr wie früher in Abgrenzung zur FIFA. Naja, so ein Schurkenstück wie die WM-Vergabe nach Katar wird der UEFA wohl lange nicht gelingen. Pikant am Rande, daß Blatter wohl diesen Gipfel der Dekadenz gar nicht mehr erleben wird. Gemeint ist die WM in der Wüste, wo für Milliarden Infrastruktur erstellt werden wird, die das Land nicht braucht, ein Land, das nicht demokratisch ist, in einer Region, die ein weltumspannendes Freudenfest, wie es eine Fußball-WM sein sollte, eigentlich wegen der oft zur Schau gestellten dort herrschenden Intolleranz nicht verdient hat. Hat aber mit der EURO nichts zu tun.

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