"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Dienstag, 19. Juni 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., 1. Folge

Jürgen Grabowski nahm für Eintracht Frankfurt an drei Weltmeisterschaften teil. 1966 Vize-Weltmeister ohne Einsatz, 1970 Dritter, wobei er, meist eingewechselt, mehrere wichtige Tore vorbereitete und 1974 als Stammspieler Weltmeister. In der Nationalelf der Ära Overath/Netzer musste er Außenstürmer spielen, im Eintracht-Trikot war er jahrelang einer der besten, zeitweise der Beste Zehner. 1978 wollte Trainer Helmut Schön den Frankfurter Regisseur, seinerzeit in der Form seines Lebens, zum Rücktritt vom Rücktritt überreden. Grabi blieb standhaft und ersparte sich eine aus deutscher Sicht peinliche WM. Ein Sieg, vier Unentschieden (3x 0:0) und die sagenumwobene Niederlage von Cordoba, das war die Bilanz des seinerzeitigen Titelverteidigers. Das 0:0 im Eröffnungsspiel gegen Polen war das erste von zehn Eröffnungsspielen, die ich in Folge gesehen habe. Ein ödes Gekicke, zum Wegsehen. 

Die ersten 6 Tage sind vorbei und ich habe kostbare Lebenszeit gewonnen, indem ich erst 2 Spiele in voller Länge gesehen habe. Dazu verhalf mir nicht nur mein Vorsatz, sorgfältig auszuwählen, sondern auch, daß keines der Spiele, in die ich mich eingeklinkt habe zum Verweilen eingeladen hat. 
Das Eröffnungsspiel: das erste seit 1978, das ich ausgelassen habe. Seinerzeit war es noch dem Titelträger vorbehalten, das erste Spiel zu bestreiten, irgendwann haben sie dann dem Gastgeber das erste Spiel gegeben. Russland - Saudi-Arabien kann nun wirklich keiner verlangen! Die Spiele EGY-URU, MAR-IRN, CR-SRB, SWE-KOR? Nicht mit mir. Nicht gesehen und nichts verpasst. ESP-POR? Hätte ich gerne gesehen, aber da konnte ich gerade nicht. FRA-AUS und PER-DAN habe ich mal reingeschaut. Die erstgenannte Partie fand ich langweilig, FRA wirkte ideenlos, behäbig, selbstgefällig (das Urteil fällte ich, bevor ich die Deutschen gesehen habe). Peru fand ich in seinen Bemühungen ebenso sympathisch (ich habe ein Herz für Peru, seit Cubillas anno 1978 die Schotten zerlegt hat und Quiroga den Elfmeter gehalten hat) wie unbedarft. Mannschaften mit solchen Anlagen verlieren normalerweise immer gegen die körperlich überlegenen, nüchternen und abgebrühten Nord- und Mitteleuropäer. ARG-ISL nach dem 1:0 verlassen, zufällig das 1:1 mitgekriegt, mehr musste man wohl von dem Spiel nicht unbedingt sehen. ARG hat sein Messi-Problem, das ja auch gerne kleingeredet wird, noch nicht gelöst.
KRO-NIG war, soweit ich gesehen habe ziemlich einseitig, eine bemühte aber zu limitierte Mannschaft gegen eine mit viel Dynamik und individueller Klasse aufspielende, der Sieg der Rebic-Truppe war nie gefährdet. BRA-SUI dann das zweite Spiel, das ich komplett gesehen habe. Auch die Brasilianer überzeugten nicht ganz, die Schweizer haben, ohne eigene Torgefahr i.e.S. zu generieren, einen letztlich nicht sehr gefährdeten Punkt geholt. Seferovic spielte so, wie wir ihn in Frankfurt in Erinnerung haben.
Das mit der Unbedarftheit kann man wohl auch von CRC sagen, so daß Serbien einen weiteren der zahlreichen glanzlosen 1:0-Siege holte.
Ein 1:0 der attraktiveren Sorte gelang dagegen den Mexikanern. Womit wir bei dem von mir oft strapazierten Thema wären:  Der deutsche Fußball hat sich seit dem WM-Sieg vor vier Jahren zurück entwickelt. Die Bundesliga stagniert, international holt der FC Bayern Achtungserfolge, der Rest ist betretenes Schweigen. Die "Mannschaft" weist aktuell keinen Weltklassespieler auf, das Spiel wirkt schon seit längerem - auch bei der letzten EM zu sehen - ideenlos. Wenn dann auch noch Einstellung und Willen fehlen, dann kommt so etwas raus wie am Sonntag gegen Mexiko. Die DFB-Elf hat gespielt wie die Bayern im Pokalfinale, alle mit 80% und der diffusen Anmutung, es werde schon irgendwie reichen. Und der Trainer ist - Stand jetzt - nicht Willens, Spieler, die es nicht mehr bringen, loszulassen. Es werden im Nachgang Durchhalteparolen abgesondert, die man aus dem Bundesliga-Abstiegskampf kennt. Löw hielt bei der EM an Schweinsteiger fest, der offensichtlich überfordert war und tut das selbe nun mit Özil, Müller, Khedira, Boateng und Hummels. Ich bin zwar nicht der Meinung, daß alle Genannten aus der Startelf verschwinden sollten, aber irgendwie sollte sich in der Aufstellung wiederspiegeln, welches Standing die Spieler in der abgelaufenen Saison in ihren Clubs hatten und welchen Leistungsstand sie aktuell tatsächlich haben - anstatt welchen sie haben könnten aufgrund eines irgendwann einmal gezeigten Potenzials. Draxler kann für Überraschendes sorgen und Spiele entscheiden, so der Trainer vor dem ersten Spiel. Er hat es aber nicht getan. Kroos, der designierte Heilsbringer hat außer Paßsicherheit (selbst die nur mit Abstrichen) nichts zu bieten gehabt. Seine überragenden Paßstatistiken kommen ja in erster Linie durch Quer- und Rückpässe zustande - Paßsicherheit durch Sicherheitspässe. Kreativität, das hat man nicht zum ersten Mal gesehen, gehört nicht zu seinen Stärken. Spannend für mich die Frage, ob die etablierten Spieler nun den Trainer haben hängen lassen oder ob der Trainer mit seiner Personalpolitik (wohl unbeabsichtigt) die gestandenen Spieler demontiert, indem er sie bringt, obwohl sie es nicht (mehr?) besser können. Es kann jedenfalls nur besser werden. Was hätte die hungrige, gierige und entschlossene Mannschaft aus dem Halbfinale oder Finale von 2014 wohl mit der Deutschen von heute gemacht? Sie hätten sie mit Haut und Haaren aufgefressen, vernichtet. Die gute Nachricht: SWE und KOR sind fußballerisch sehr limitiert. Ob die "Mannschaft" eine Wende zum Guten schafft, steht auf einem anderen Blatt. Im Falle eines vorher kaum vorstellbar gewesenen Scheiterns sollte das vorerst verkündete "weiter so" (so ganz nebenbei - welche Linie, bei der man bleiben wolle, meint Löw?) sehr kritisch auf den Prüfstand kommen. Es kann nicht alles schlecht sein, was vorher jahrelang gut war, führt schnurstracks noch weiter bergab. Das ganze glattgebügelte, stromlinienförmige Vermarktungsprodukt "Mannschaft" ergibt nur einen Sinn, wenn die Leistung stimmt. Stand heute also nicht.

Daß von den ganzen auserkorenen Favoriten und Geheimfavoriten nur Belgien überzeugt hat, ist auch kein Trost. Keiner hat so schlecht gespielt wie Deutschland und keiner außer Deutschland hat verloren.    






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