"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Dienstag, 17. Juli 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., Folge 6

Aus, Aus, das Spiel ist Aus! Oder nach Russland ist vor dem Katharr.

Es ist also tatsächlich soweit, die WM ist vorbei. Und sie endete mit einem immerhin sehr sehenswerten Endspiel, das war nicht bei allen Turnieren der jüngeren Vergangenheit so. Spannend war es oft, attraktiv selten im Finale.
Der Auftritt der Kroaten kann gar nicht genug gelobt werden, hocherhobenen Hauptes können sie trotz der Finalniederlage nach Hause fahren. Man kann auch aus verschiedenen Gründen sagen, daß die Franzosen ein würdiger Weltmeister sind, aus meiner Sicht vor allem, weil sie trotz des geringen Durchschnittsalters eine große Mannschaft haben mit Einzelspielern, die zu den absolut Weltbesten gehören.
Die WM insgesamt, es wurde bereits vielfach gesagt und geschrieben, auch von mir, war, was die Attraktivität oder das spielerische Niveau der Spiele angeht, mäßig.
Im durchaus legitimen Bemühen, Wege zum Sieg zu finden, haben einfach zu viele Mannschaften, auch der Sieger, ihr Heil in der Defensive gesucht und gefunden. Mit 11 Mann verteidigen, dem Gegner die Initiative überlassen, Kontern und/oder auf gut einstudierte Standards setzen, das ist der Trend im postmodernen Fußball. Legitim aber nicht erfreulich anzusehen für Freunde eines flüssigen Spieles mit dem Ziel möglichst vieler Abschlüsse. Noch hat es keine Gegenbewegung gegeben, die Mannschaften mit dem größten Offensivpotenzial, Belgien, Kroatien und Brasilien - in der Theorie verfügt auch Frankreich über solches Potenzial - konnten sich nicht durchsetzen, zumindest reichte es nicht zum Titel. England, auch unter die letzten vier gekommen, ist eher zu den postmodernen Teams zu zählen, da ihre offensiven Hoffnungen fast ausschließlich auf Standards setzten. So bleibt vor allem die Erkenntnis, daß ihr Trainer aussah wie ein Flugbegleiter von British Airways und daß sie endlich, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, einen Torwart haben, der nicht nur auf der Insel zu den Besten gehört, sondern auch auf der Weltbühne. Und daß sie noch besser werden könnten, da die Mannschaft relativ jung ist.
Der Plan der Deutschen, so habe ich Löw jedenfalls verstanden, war, durch Ballbesitz möglichst weit in der gegnerischen Hälfte, den Gegner müde zu spielen und dann - irgendwie - das Spiel zu gewinnen. Haben die Gegner sich außer den Schweden leider nicht dran gehalten. Den Spaniern ging es da ähnlich wie den Deutschen, auch wenn sie formal ohne Niederlage nach Hause fahren mussten. Im heutigen, meist unattraktiven Fußball ist diese Strategie auf den Kopf gestellt worden, man läßt den ballbesitzenden Gegner sich müde spielen und kontert ihn aus. So fielen 3/4 der deutschen Gegentore. Ballverluste im Mittelfeld helfen da natürlich. Leider hat die deutsche Mannschaft auch nichts aus dem Pokalfinale gelernt, wo die Eintracht schon mal gezeigt hatte, wie es geht.
Aber genug von den Deutschen. Nach jedem Titelgewinn hat es mehr als ein Jahrzehnt gedauert, bis wir wieder eine titelwürdige Mannschaft hatten. Und wir haben immer nur dann eine WM gewonnen, wenn wir eine Mannschaft aus großen Persönlichkeiten hatten, die reif waren für den Titel.

Dann möchte ich noch eine Lanze brechen für das Spiel um den dritten Platz! Es ist eine Weltmeisterschaft und es geht um die Bronzemedaille! Wo ist der Sportgeist, wenn gefordert wird, das Spiel abzuschaffen? Wo der Respekt für den Wettbewerb und die Platzierungen? Was für Werte vertreten die Leute, die dieses Spiel und damit Bronze so geringschätzen, was vermittelt man so den Kindern? Wenn Du nicht Erster wirst, bist Du schlecht, nur der Erste zählt, oder was? Wenn Du verloren hast, gibt es keinen Nachtisch?  Pfui.
Schlimm genug, daß nach der EURO 1980 das Spiel um Platz drei abgeschafft wurde. Nach einem ganz faden Turnier, vor zu 3/4 leeren Stadien, wo das "kleine Finale" genauso öde war wie der Rest des Turniers und fast 20 Elfmeter gebraucht wurden, um den Bronzesieger zu ermitteln!

Daher eine kleine Bilderserie mit Schauplätzen von kleinen Finals (1930 und 1950 wurde keines ausgetragen):


Natürlich sah das Stadion von Neapel, wo das erste Spiel um den dritten Platz in der WM-Geschichte stattfand, nicht so aus. In Neapel besiegte Deutschland die Österreicher mit 3:1 und gewann seine erste Bronzemedaille.

1938 wurde der Dritte in Bordeaux ausgespielt, am selben Ort, wo bis heute das "Stade Lescure" steht. Die Paarung lautete Brasilien - Schweden, die Südamerikaner holten sich das Edelmetall durch ein 4:2. 20 Jahre später standen sich beide im Endspiel gegenüber, ebenfalls mit dem besseren Ende für Brasilien.

Auch vom Austragungsort des kleinen Finales 1954 habe ich leider keine zeitgenössische Ansicht zu bieten. Für Österreich war es das zweite (und letzte) Mal, daß sie das Spiel um Bronze erreichten. Sie besiegten Uruguay mit 3:1. Für den damaligen Titelverteidiger aus Südamerika sollten noch zwei weitere kleine Finals folgen. 

An der Stätte der für Deutschland widrigen Halbfinalpartie gegen Gastgeber Schweden spielte die Herberger-Elf 1958 gegen Frankreich um Platz drei. Wie öfter in der Geschichte bekam auch diesmal der Ersatzkeeper einen Einsatz gegönnt. S geschah es, daß der wackere Heiner Kwiatkowski in seinem zweiten WM-Einsatz nach 1954 erneut eine bittere Packung erhielt und sein Gegentorkonto auf 14 in zwei Spielen anschwoll! Frankreich siegte 6:3 im torreichsten kleinen Finale.

Das Nationalstadion von Santiago de Chile sah 1962 beide Finalspiele. Zum ersten Mal trat ein Gastgeber im Bronzefinale an. Die Chilenen besiegten Deutschland-Bezwinger Yugoslawien mit 1:0.

Auch 1966 wurden Finale und Spiel um Platz drei an gleicher Stätte ausgetragen. Es war auch das Treffen zweier ganz großer Weltstars jener Zeit, denen der ganz große Sieg versagt blieb: Eusebio gegen Jaschin, beide mit dem immer wieder aufgetretenen Problem, daß es nicht möglich war, eine ihrer würdige Mannschaft um sie herum aufzubauen (siehe George Best, Bernd Schuster, C. Ronaldo, Messi um nur wenige zu nennen). Portugal gewann gegen die Sowjetunion 2:1. 

1970 traf Deutschland, ausgezehrt vom sogenannten "Jahrhundertspiel" im Halbfinale gegen Italien und ersatzgeschwächt, im Aztekenstadion auf Uruguay. Ersatztorhüter Wolter (Eintracht Braunschweig!) hielt seinen Kasten sauber und ein Distanzschuß von Wolfgang Overath sicherte den 1:0-Sieg.

In München trafen 1974 dank des neuen Austragungsmodus anstatt der Halbfinalunterlegenen die Zweitplatzierten der zweiten Gruppenphase aufeinander. Es waren die im Turnierverlauf sehr stark aufspielenden und nur knapp an Deutschland gescheiterten Polen sowie der entthronte und etwas enttäuschende Titelverteidiger Brasilien. Polen gewann WM-Bronze durch das siebte Turniertor von Lato, zwei Jahre nachdem sie an gleicher Stätte olympisches Gold gewonnen hatten.

Auch 1978 fanden kleines und großes Finale im gleichen Stadion statt, zum vorerst letzten Mal für 20 Jahre. Der Modus war der gleiche wie 1974 und erneut spielte Brasilien um Bronze, in der Neuauflage des Endspiels von 1970 gegen Italien. Durch den 2:1-Sieg des Rekord-Weltmeisters gewann der noch aktive Roberto Rivelino seine zweite WM-Medaille.

Spanien 1982: Barcelona hatte das Eröffnungsspiel bekommen, Madrid das Finale. Für das Spiel um Platz drei fielen einem dann Valencia oder Sevilla, vielleicht auch Bilbao als traditionsreicher Austragungsort ein. Die Organisatoren vergaben die Partie aber an Alicante, wo weniger als 30.000 sehen wollten, ob Polen oder Frankreich noch etwas aus dem Turnier mitnehmen würden. Polen, wo mit Szarmach und Lato noch zwei große Entdeckungen und Stars der WM 1974 dabei waren, siegte mit 3:2 gegen ohne Platini antretende Franzosen, denen die epische Halbfinalschlacht gegen Deutschland noch in den Knochen steckte. 

Auch 1990 in Italien erhielt ein Spielort abseits der großen Fußballstandorte den Zuschlag für das kleine Finale. Erst zum zweiten Mal nahm der Gastgeber am Spiel um Platz drei teil und siegte wie schon 1962. Gegen England gelang mit dem 2:1 der (bei einer Fußball-WM nicht wirklich stattfindende) Sprung aufs Treppchen. In einem Stadion, das eigens für die WM nach Entwurf des Star-Architekten Renzo Piano gebaut worden war.

Als verfügten die USA nicht über eine ausreichende Zahl von Großstadien, wurde 1994 mal wieder am Endspielort auch das Spiel um Platz drei ausgetragen. Zwei Überraschungs-Halbfinalisten sorgten für bessere Unterhaltung als die Finalisten. Im deutlichsten kleinen Finale aller Zeiten siegte Schweden über Bulgarien mit 4:0.

Im Prinzenpark fand 1998 das Spiel statt, in dem die Kroaten ihr starkes Turnier mit einem 2:1 über die Niederlande krönten.

2002 gab es zwei Gastgebernationen. Der Ausrichter des kleinen Finales, die nicht nur durch gutes sportliches Können bis ins Halbfinale vorgedrungenen Süd-Koreaner trafen auf die ebenfalls nur als Eintagsfliege in der Weltspitze auftauchenden Türken. Letztere gewannen in einem unterhaltsamen Spiel mit 3:2. Der Weg der Asiaten war schon im Halbfinale durch Oliver Kahn beendet worden. 

2006 hatte das Stuttgarter Stadion noch eine Laufbahn. Interessant, daß somit beide Finalspiele in Leichtathletikstadien stattfanden. Das Klinsmann-Team traf auf Portugal und siegte nach einer Schweinsteiger-Gala mit 3:2. Eigentlich erzielte der blondgesträhnte Jungstar alle drei Tore für Deutschland, aber einer der Treffer war so stark abgefälscht, daß er als Eigentor gewertet wurde. 

Ein FIFA-WM-Spiel in so einem Stadion? Natürlich nicht, aber von Port Elisabeth habe ich nur dieses Stadion, das ich auch viel interessanter finde als die modernen und austauschbaren Neubauten der letzten 10 Jahre. In Port Elisabeth gelang Deutschland der außerordentlich seltene Erfolg einer Verteidigung der Bronzemedaille! Wie so oft und oft auch im Gegensatz zum Endspiel bot das kleine Finale attraktiven Fußball mit weniger engen taktischen Fesseln als die sonstigen k.o.-Spiele.


Insgesamt war das Spiel um den dritten Platz oft eine Werbung für die Beibehaltung dieser Begegnung. Deutschland ist im Übrigen auch Rekordsieger, bei fünf Teilnahmen gewann man viermal Bronze! 


Nun also Katar, in viereinhalb Jahren. Wer schon immer die FIFA mit ihrer korrupten Verkommenheit, mit ihren Knebelverträgen und ihrer Rigidität, mit der Sponsoreninteressen durchgesetzt werden ohne Rücksicht auf Verluste, in die Wüste schicken wollte, der bekommt nun, was er wollte. Parallel zu den Olympischen Spielen, geht auch beim Fußball die Entwicklung dahin, daß man für die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung mit ihren starren Vorgaben, einer Quasi-Abtretung von Hoheitsrechten an FIFA/IOC und der Gefahr, die öffentlichen Haushalte erheblich zu belasten ohne bleibenden, nachhaltigen Gegenwert, nur noch Diktatoren, Autokraten und andere Potentaten gewinnen kann. Die schöpfen aus dem Vollen, müssen keinem Parlament oder Volk Rechenschaft ablegen und dürfen sich mit einem weltumspannenden Ereignis schmücken. Mir ist es ja egal, ob die Formel 1 in Bahrein anstatt am Nürburgring ihre Runden dreht, da diese Veranstaltung ohnehin der Realität der Zuschauer völlig entrückt ist. Kann sich der Scheich meinetwegen auch alleine mit seiner Familie ansehen, ob sonst noch jemand auf der Tribüne sitzt oder nicht, fügt der Veranstaltung nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg.
Beim Fußball sieht das ganz anders aus und ich bin gespannt, wie sie es hinkriegen, daß die ohnehin kleinen Stadien in Katar nicht leer bleiben. 





Was hat die wunderbare ehemalige Stadionlandschaft Glasgows mit der WM zu tun? Schottland wird wohl nie eine WM austragen dürfen. Aber die drei großen Stadien mit ihren früheren Kapazitäten hätten genügt, um etwa alle katarischen Staatsbürger unterzubringen. Das die Bevölkerungszahl wesentlich vergrößernde Dienstpersonal aus dem Ausland muß draußen bleiben, dann passt es.

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