"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Montag, 6. April 2015

Eishockey-Deutschland trägt Trauer!

Der EV Füssen! Ein Verein, der jahrzehntelang Spitzenniveau aus dem eigenen Nachwuchs heraus generieren konnte, damit auch die Nationalmannschaft, ja die ganze Bundesliga, immer wieder mit erstklassigen Spielern versorgend, 16 Meistertitel, ein einstmals in einen Waldhang hinein gebautes Stadion, in das mehr Zuschauer passten als der Ort Einwohner hat. Xaver Unsinn, Markus Egen, Ernst Trautwein, Helmut Zanghellini, Ernst Köpf, Paul Ambros, Bernd Kuhn, Waitl, Völk, Thanner, Toni Kehle, Uli und Hans-Peter Egen, Jörg und Uli Hiemer, Mörz, Holzmann, Eggerbauer, Jahn, Hoppe, die Brüder Guggemos, Toni Forster ... . Die ganze Eishockey-Bundesliga hätte ein anderes Gesicht gehabt, wenn es die Füssener nicht gegeben hätte. Und dieser Club geht nun womöglich in die Viertklassigkeit, falls dort ein Fortbestand überhaupt möglich ist.
Wer also demnächst in dieser herrlichen Region Urlaub macht oder sonstwie vorbeikommt, der sollte an den Kobelhang fahren (an der Kemptener Straße) und eine Gedenkminute einlegen für einen Club, dem das deutsche Eishockey so unendlich viel zu verdanken hat.


So sah es am Kobelhang aus, wenn Spitzeneishockey geboten wurde. Auch Länderspiele fanden hier statt, u.a. Qualifikationsduelle mit der DDR-Auswahl um das Olympiastartrecht.
Das gleiche Stadion, aber seit ca. 1963 mit Dach über der Eisfläche, wodurch sich die Kapazität auf nur noch ca. 7.000 verringerte. Selbst das ist für einen Ort mit damals etwa 12.000 Einwohnern ziemlich viel, aber Eishockey zog in seiner natürlichen Umgebung einer Wintersportregion damals noch die Leute an.
 


Das waren noch Zeiten: 1978 gab es noch erstklassiges Eishockey in Füssen, einer Gemeinde mit etwa 14.000 Einwohnern. Wie in all den Jahren zuvor vor allem dank der exzellenten Nachwuchsarbeit des Clubs, dem das deutsche Eishockey so viel verdankt. Aber es ging bereits deutlich bergab mit den Allgäuern. Fünf Jahre vor Entstehung dieses Mannschaftsbildes war letztmals ein deutscher Meistertitel geholt worden, der 16. für den Club und der letzte, den ein Team ohne ausländische Spieler gewinnen konnte. Nach 1973 wurden die Platzierungen der Füssener stetig schlechter, die anderen Clubs, insbesondere die aus den größeren Städten in NRW und der Berliner SC konnten ihre mangelhafte Nachwuchsarbeit durch Einsatz günstig verpflichteter Ausländer kompensieren, die dank etlicher Schlupflöcher in den Satzungen nicht die Ausländerkontingente belasteten.

Auch 1979 hielt man noch die Klasse, die Spitzenplätze waren jedoch in weite Ferne gerückt. Diese Mannschaft hier weist immerhin einige große Namen und interessante Spieler auf. Z.B. die Hiemer-Brüder, deren jüngerer der erste deutsche NHL-Profi werden sollte (den einen Auftritt von Udo Kießling in Minnesota kann man da wohl nicht zählen). Und er hätte es bei einem anderen Club oder wenigstens unter einem anderen Trainer auch sicher zu einer längeren Karriere in Nordamerika bringen können. Daneben sind auch die Nationalspieler Uli Egen, sein Bruder Hans-Peter, Jochen Mörz und ein noch sehr junger Georg Holzmann im Kader. Nicht zu vergessen natürlich Alexander Groß aus der Frankfurter Aufstiegsmannschaft von 1986, ein vielfacher Nachwuchsnationalspieler. Kapitän der Füssener anno 1979? Der damals erst 22-jährige Toni Forster.

Der letzte Bundesliga-Kader des EV Füssen, Saison 1982/83. In einem letzten verzweifelten Aufbämen vollzog man ein wirtschaftliches Wagnis in der Verpflichtung von Gerhard Kießling als Trainer und seines Sohnes Udo, damals wohl der teuerste deutsche Verteidiger. So teuer, daß er ein mögliches Engagement in der NHL abgelehnt hatte, weil in Deutschland damals mehr zu verdienen war. Die Sache ging schief, während der Saison verliessen beide das sinkende Schiff. Neben der lebenden Legende Ernst Köpf, 1982 aber schon 42 Jahre alt, konnte man immer noch mit Völk, Holzmann, Mörz, Hans-Peter Egen und Beppo Schlickenrieder namhafte Akteure ins Rennen schicken, aber die Mischung stimmte nicht, die Jungen waren nicht mehr so konkurrenzfähig wie ihre Vorgängergenerationen. Und es fehlte das Geld für Importspieler. Die "Eishockeydeutschen" aus Kanada oder Osteuropa, die seit Mitte/Ende der 70er die Liga überschwemmten machten um die wirtschaftsschwache Provinz einen Bogen. Mit Füssen verlor die Bundesliga ihren gößten Talentschuppen und ein großes Stück Eishockeytradition. Es verblieben dann nur noch Riessersee und mit Abstrichen, was die Bedeutung und historische Dimension betrifft, Landshut. Wie anachronistisch leider der Aufenthalt in der ersten Liga für Verein und Gemeinde war, zeigt auch, daß selbst 1982 noch ohne Trikotsponsor posiert wurde.  

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Schöner Bericht, dankeschön! Ich such schon seit Ewigkeiten Videos - aber die gab es ja damals noch kaum - mit Toni Kehle, dem Füssener Torhüter, der mein großes Idol beim EV Füssen und in der Nationalmannschaft war. 115 Länderspiele hatte er, was Rekord bedeutete - damals bekam man ja als Ersatztorhüter kein Länderspiel angerechnet, wie das seit langem ist, sonst hätte er weit über 200 Länderspiele gehabt. Kehle starb so jung schon 1998.