"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Stadionalbum 21: Meine erste Bundesligasaison


Es war 1975/76, als ich erstmals mitbekam, daß es eine Fußballbundesliga gibt und ich meine ersten Spiele gesehen habe. Die Trikots waren noch aus Baumwolle, die Mannschaften konnte man noch an ihrer Werbung erkennen (Erdgas, Campari, Arag, Nordsee, Jägermeister, etc.), die Haare der Spieler waren lang und wild, Mann trug auch Bart. Die Torhüter waren noch zierliche Flieger, die Flanken bis an die Strafraumgrenze hinterherflogen, jede Mannschaft hatte einen Libero, fast jede einen Spielmacher ("Zehner"), Torjäger und - natürlich drei Spitzen, aber nur zwei Ausländer waren erlaubt. Die Fernsehlandschaft war fest in öffentlich-rechtlichen Händen, Sonntags berichtete das ZDF noch von Radball u.ä., beim HR moderierte das legendäre Dreigestirn Rauschenbach, Kuhlins und (Grabi-Lookalike) Obermann, im Radio wurde nicht im Minutentakt umgeschaltet. Und ich sammelte erstmals Fußballbilder, die damals noch vom Bergmann-Verlag kamen. Mit anderen Worten: Da war die Welt noch in Ordnung.
 Die dazugehörigen Stadien waren größtenteils noch so weitläufig, daß die Bierbäuchigen Kurvenfans es gar nicht bis zum Platz geschafft hätten, um ihn zu stürmen und auch das Werfen von Gegenständen auf das Spielfeld war nicht so leicht. Von Arena war damals keine Rede, im Gegenteil, es gab sogar noch "Kampfbahnen", die Zuschauer waren weit weg und standen im Regen, allerdings für nur drei Mark!
Die Plätze hier im damaligen Aussehen, sofern es meine Sammlung hergibt:

1.: Mönchengladbach - Der große Sturm und Drang der Netzer-Jahre war schon verebbt, unter Udo Lattek spielte man eher zweckmäßig, es reichte, da die Bayern sich in einer Art Umbruch befanden und der Rest der Liga nicht konstant genug, um dauerhaft mithalten zu können.

2.: Hamburg -Eine Vizemeisterschaft aus relativ heiterem Himmel für die Mannschaft um Kargus, Kaltz, Nogly, Volkert und co. Dem schillernden Präsidenten Dr. Krohn war das alles nicht glamourös genug, so daß bald die rosa Trikots kamen, Trainer Klötzer wenig später dem bunten Hund Gutendorf weichen mußte, Keegan kam und nur drei Jahre später ein Meistertitel geholt wurde.

3. - München - Die Bayern waren etwas satt von den überwältigenden Erfolgen der Vorjahre, sie befanden sich inmitten einer sechs Jahre währenden Durststrecke ohne Meistertitel. Immerhin gewannen sie zum dritten Mal in Folge den Landesmeisterpokal. In der Liga mußten sie monatelang ohne ihre Ein-Mann-Torfabrik Gerd Müller auskommen (immer noch phänomenal: 22 Sp., 23 Tore!), Hoeneß war nur noch ein Schatten seiner selbst und Rumenigge wurde noch belächelt. Ein nennenswertes Mittelfeld hatten sie in der Ära Beckenbauer ohnehin nicht.

4.: Köln - Rechtzeitig nach der Heim-WM war das Stadion fertiggeworden, nachdem im Zuge der WM-Bewerbung noch Querelen für die Nichtberücksichtigung der Domstadt zugunsten Düsseldorfs den Ausschlag gegeben hatten. Nun spielten die Geißböcke im ersten komplett überdachten Leichtathletikstadion Deutschlands. Im Bildhintergrund links ist das Radstadion zu sehen, das während der Umbauphase die Heimstätte - auch für das einzige Erstligajahr von Fortuna Köln - gewesen war. Schumacher, Cullmann, Overath, Flohe, Löhr, Dieter Müller und andere spielten eine gute Saison, durchbrachen auch zwei Jahre später die Serie von Bayern/Gladbach, die neun Meisterschaften in Folge untereinander ausgemacht hatten.

5.: Braunschweig - die andere Eintracht kletterte als Liganeuling auf Platz fünf. Mit Zebec auf der Trainerbank, der Trotz des Klubsponsors seinen Alkoholkonsum noch im Griff zu haben schien, dem überragenden Franke im Tor, sowie den Sturmspitzen Popivoda und Wolfgang Frank als Aktivposten und einer Reihe eisenharter, knorriger Verteidiger. (75/76 war die Kurve noch nicht überdacht)

6.: Schalke: Langsam von den Folgen des Skandals (wenn seinerzeit von Skandal die Rede war, war nur einer damit gemeint, nicht wie heute, da jede Woche eine andere Sau durchs Mediendorf getrieben wird) erholt, spielten die "Knappen" teilweise erfrischenden Angriffsfußball, stellten in Klaus Fischer den Torschützenkönig und wiesen in den Kremers-Zwillingen, Nigbur im Tor, Rüßmann und Abramczik weitere herausragende Könner auf.

7.: Kaiserslautern - damals passten gut 34.000 ins oft nur zur Hälfte gefüllte Stadion. Die von Erich Ribbeck trainierten Pfälzer besaßen in Ronnie Hellström einen Weltklassekeeper und in Toppmöller einen sehr treffsicheren Mittelstürmer, oft bedient vom ebenfalls Torgefährlichen Sandberg. Daneben eine Menge durchschnittlicher Spieler.

8.: Essen - das legendäre Georg-Melches-Stadion, als einziges Erstligastadion nach einem Vereinspräsidenten benannt. Die Rot-Weißen, 1955 als erster Westverein nach dem Krieg, noch vor Schalke, Dortmund oder Köln deutscher Meister, waren 1976 immerhin noch die Nummer zwei im Revier. Lang ist's her! 75/76 spielten hier immerhin Dieter Bast, Werner Lorant, Manfred Burgsmüller, Horst Hrubesch (22 Sp. / 18 Tore!) und natürlich Willi Lippens, der holländische Ex-Nationalspieler.

9.: Frankfurt - Die Eintracht war noch launische Diva, Schützenfeste wechselten mit Enttäuschungen. Am Ende ein irreführender 9. Platz, da mit nur einem Punkt mehr mit Rang 6 der Einzug in den UEFA-Cup geglückt wäre. In diesem Stadion verloren die Bayern binnen eines Jahres zweimal mit 0:6, im Vorjahr gegen die Kickers, 75/76 gegen eine entfesselte Eintracht (Halbzeit 5:0!). Es war die leider zu kurze erste Ära Weise, die Hochzeit von Grabi, Holz und Nickel, begleitet vom damals immer noch sehr jungen Charly Körbel, Willi Neuberger und den Ur-Frankfurtern Scheppe und Schoppe-Gerd. 
10.: Duisburg - Urgestein der ersten Liga, bis dahin und noch weitere Jahre seit Gründung dabei und nicht abgestiegen. Mit dem kleinsten Torwart der Liga, Gerhard Heinze (1,76 m), einem der verwegensten Flieger jener Tage, Bernhard Dietz, Worm und Seliger im Sturm, Jara als Mittelfelddirigent sowie den Legenden Bella und Pirsig. Nicht zu vergessen der später wegen Verwicklung in Kokaingeschäfte verurteilte Kees Bregmann auf der Liberoposition. Ach ja, der fast-Kickers-Sportdirektor, Ex- oder immer-noch-Gastwirt Walter Krause spielte in der Saison ein paarmal für die Zebras. 
11.: Berlin - Wenig erbaulich war die Saison für die Hertha, nach der Vizemeisterschaft im Vorjahr. Lichtblick waren die beachtlichen 23 Tore von Mittelfeldstratege und Nationaspieler Erich Beer und die 14 Treffer, die Ex-Kickers-Legende Erwin Kostedde in nur 26 Spielen erzielte. In der Abwehr konnten weder die Torhüter Wolter (Exnationaltorwart) und Zander (Akrobat schön!), noch der ehemalige Eintrachtler, Funkturm und Ogilthorpe-Doppelgänger Uwe Kliemann, der gelernte Koch Hans Weiner oder (der 83/84 im Eintracht-Trikot in beiden Spielen gegen den OFC vom Platz gestellte) Michael Sziedat das Abrutschen ins Mittelmaß verhindern.
12.: Düsseldorf - Die Fortuna war nach starker Vorsaison deutlich abgefallen, trotz eines beachtlichen Sturmtrios Geye, Seel und Herzog. Gerd Zewe, Pädagogik-Student und späterer Nationalspieler und der unverwüstliche Egon Köhnen trugen ferner das Fortunatrikot und der junge Klaus Allofs ließ vorerst wenig von seiner späteren Klasse ahnen.
13.: Bremen - An der Weser war in den 70ern eher magere Kost angesagt aber immerhin hielt das Versprechen von Eisenfuß Höttges "Solange ich für Werder spiele, steigen wir nicht ab." Erwähnenswert außerdem Rudi Assauer, der in jener Spielzeit seine Karriere ausklingen ließ. Die Vereinsfarbe in Kombination mit Sponsor Norda mag zu dem Schmähgesang der gegnerischen Fans geführt haben "was ist grün und stinkt nach Fisch? Werder Bremen!"


14.: Bochum - Die graue Maus schlechthin, Lameck, Tenhagen und Hermann Gerland waren die Korsettstangen. Die Bochumer trugen ihre Heimspiele wegen des begonnenen Umbaus des Stadions an der Castropper Straße in dieser Saison in drei verschiedenen Stadien aus. Neben dem abgebildeten alten Bochumer Stadion spielten sie noch in Herne und Dortmund.

15.: Karlsruhe - Als Aufsteiger dringeblieben, mit einer mässigen Mannschaft ohne herausragende Spielerpersönlichkeiten. Bemerkenswert aus meiner Sicht nur Karl-Heinz Struth, ein Vorstopper mit gewaltigem Schuß, der in einem späteren Spieljahr einmal einen Schiedsrichter (allerdings aus kurzer Distanz) K.O. schoß und Kurt Niedermayer, der später einmal für ein Länderspiel Nationallibero wurde, einer der vielen gescheiterten Beckenbauer-Nachfolger.

16.: Hannover - Zu diesem Absteiger fällt mit ganz wenig ein, selbst langjährige Stammspieler wie Hayduk, Anders, Stiller oder Damjanoff haben bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen!

17.: Offenbach - Ein jäher Absturz der zuvor etabliert scheinenden Kickers. Im Vorjahr guter siebter mit 38-30 Punkten und 72 erzielten Toren. Nun war der 18-fache Torschütze Kostedde für die Hertha am Ball, Siggi Held war ein Jahr älter und langsamer geworden und der OFC war von Anfang an im Abstiegskampf. Otto Rehagels erste Trainerstation war ähnlich erfolgreich wie seine letzte. Daneben trieb Willi "Sie Dreckschwein, ich schlag Ihnen in die Fresse, mehr sind sie net wert" Konrad, später Spießgeselle von Rolf-Jürgen Otto in Dresden, als Geschäftsführer sein Unwesen auf Biebers Höhen. Die Kickers schafften das Kunststück, vom dritten Spieltag an drei Spiele in Folge mit je vier Toren Unterschied zu verlieren, ehe die Eintracht an den Bieberer Berg kam. Wie meistens verloren die Adlerträger dort (wie sie es überhaupt bis heute gerne gegen schwächelnde Außenseiter tun). Vermutlich mangels sportlicher Rivalität waren beide Mainderbys nicht ausverkauft.

18.: Uerdingen. Fragt man heute einen nach 1990 geborenen Fan, ob Krefeld einmal in der Bundesliga war, wird die Antwort wohl negativ ausfallen. Kleiner historischer Exkurs: Bis Ende der 80er gab es zwei Bayer-Werksteams, ehe der Konzern die Alimentierung des Krefelder Stadtteilklubs einstellte. Erst Mitte der 80er, etwa ab 1987 fand langsam eine Wachablösung statt, bis dahin war Uerdingen die Nummer eins unter den Bayer-Teams, gewann 1985 den DFB-Pokal gegen die Bayern, wurde einmal dritter in der Liga und lieferte begeisternde Europapokalabende. 1975/76 reichte es aber auch für Bayer 05 nur zum abgeschlagenen letzten Platz. Über die Relegeation gegen den FK Pirmasens in die Bundesliga aufgestiegen, war die Mannschaft von vorne bis hinten zu schwach besetzt, um die Liga halten zu können. Der hünenhafte aber unsichere Manfred "Krake" Kroke im Tor ist neben Funkel (der halt damals noch nicht Trainer war) und Raschid der einzige Spieler, der mir im Gedächtnis geblieben ist.


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