Was war denn das Gestern? Balotelli trifft, und wie! Deutschland scheitert, allerdings wohlgemerkt an sich selbst und nicht an irgendeinem Fluch.
Gerade hatte ich noch erklärt, daß es in grauer Vorzeit in der deutschen Mannschaft die Rolle des Sonderbewachers im Mittelfeld gab (verkörpert durch Matthäus, Rolff, Briegel, Buchwald in erster Linie), da führt Löw diese Rolle wieder ein. Nach vier erfolgreichen Spielen wird auf einmal die vorher durchgehaltene Grundordnung verändert, die Aufstellung und Ordnung dem Gegner angepasst. Mutmasslich hätte es gereicht, so wie immer zu stehen und zu spielen. Wenn die Grundordnung stimmt, dann kann doch eigentlich nicht viel passieren, wenn Pirlo seine 30-50 Meter-Pässe aus der eigenen Hälfte heraus spielt. Ein Gegner, der es mit langen Bällen versucht ist doch grundsätzlich gut zu verteidigen. Erklären kann Löw seine Maßnahme, berechtigt war sie m.E. nicht. Ganz zu schweigen vom Einsatz von Podolski, vor dem ich ja immer wieder gewarnt hatte. Nichts hatte darauf hingedeutet, daß Podolski etwas zu einem Erfolg beitragen würde. Gomez hat auch nur unglücklich ausgesehen und erneut gezeigt, daß er nicht aus eigener Kraft Chancen generiert, er kann nur verwandeln. Dazu muß man aber die Spielweise an ihn anpassen, nicht ihn aufstellen, in der Erwartung, daß er zur Spielweise - die im übrigen auch gar nicht erkennbar war - passt.
Die Deutschen mußten zwei Totalausfälle verkraften und waren zu keinem Zeitpunkt des Spieles präsent, kamen nicht gut in die Zweikämpfe, vorne fehlten Tempo und vor allem Präzision.
Wie ist diese fehlende Präsenz zu erklären? War die Pause von fast einer Woche zu lang? Die Mannschaft wirkte vom Anpfiff weg nicht vorbereitet, planlos wie lange nicht mehr. Mir fällt auf, daß sich eine gewisse Selbstzufriedenheit breit zu machen scheint. Die am häfigsten gehörten Sätze dieser Tage waren "Wir haben tolle Spieler", "Wir können stolz auf diese Mannschaft sein" und "Wir spielen einen tollen Fußball". Erinnert mich an die Holländer - außer bei dieser EM, nach drei Niederlagen vergeht selbst denen der Stolz.
Seit spätestens 2006 hat sich der Fußball zu einem Event und weg vom Sportwettkampf entwickelt. Die Stadien sind immer voll, die Fans hüpfen und singen, egal, wie die Mannschaft spielt und egal, wie es steht. Hunderttausende stehen bei den Großereignissen vor irgendwelchen Bildschirmen und feiern - vor allem sich selbst, berauscht vom Massenerlebnis.
Heutzutage kommen zu irgendwelchen Saisoneröffnungen und öffentlichen Trainingseinheiten mehr Zuschauer als früher zu Bundesligaspielen.
Hat das inzwischen auf die Spieler übergegriffen? Ich habe die letzte Überzeugung vermisst, die Ausstrahlung. Die Botschaft "wir wollen heute unbedingt gewinnen" ging von den deutschen Spielern nicht aus. Löw hat auch vielleicht im entscheidenden Moment zu wenig auf die aktuelle Verfassung einiger Spieler reagiert, die Möglichkeiten, die der Kader bietet zu wenig genutzt. An Spielern festzuhalten, die außer Form sind, aber früher oft Leistung gebracht haben, ist eigentlich nur vertretbar, wenn die Alternativen fehlen. Löw hat bei dieser EM falsch gemacht, was er in den Personalien Frings und Ballack einst richtig machte: Er stellte damals Leistung über vergangene Verdienste, diesmal nicht. Fehlt ihm das Vertrauen in Götze, Reus, Schürrle und Kroos, um nur die herausragendsten Spieler mit zu wenig Einsatzzeiten zu nennen?
Mir tut der FC Bayern leid, der nun mit einer fast kompletten Elf aus frustrierten bis deprimierten Gescheiterten in die Saison gehen muß: Neuer, Badstuber, Boateng, Lahm, Kroos, Schweinsteiger, Müller, Gomez, Robben und mit Abstrichen auch Ribery.
Vielleicht ist Dortmund auch für die Nationalelf das bessere Bayern, die Mentalität der Borussen unter Klopp passt vielleicht besser zum Konzept von Löw als die selbstgefällig ihren Ansprüchen hinterherlaufenden Bayern. Inspiration ging jedenfalls von den FCB-Spielern bei diesem Turnier zu selten aus.
Es ist natürlich nicht alles schlecht, aber wie lange bleibt Halbfinale und "toller Fußball" noch gut genug.
Nicht falsch verstehen, grundsätzlich ist der Wandel von den griesgrämigen, maulenden und kleinlichen Deutschen zur Eventgesellschaft nicht schlecht für die Stimmung im Lande. Sonst müßten wir uns ja mit den Dingen auseinanderstezen, die nicht stimmen in unserer Gesellschaft, im Staate. Mit gewissenlosen Politikern, die für Gesetze stimmen, gegen die sie und jeder gesunde Menschenverstand in Wirklichkeit sind! Wenn die Events und Parties nicht wären, gäbe es womöglich Aufruhr, Fackelzüge vor die Bankhochhäuser, viel mehr Occupy-Bewegungen, etc.
Also: Wehrt euch nicht, feiert.
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