Ein weiterer spielfreier Tag. Gelegenheit, sich die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft der letzten zehn Jahre einmal anzuschauen. Zunächst war da die kurze Ära Völler, eine Zeit, in der der Trainer populärer war als die Mannschaft. Deutschland wurde in Japan/Korea Vizeweltmeister. Mit einer Mannschaft, die spielerisch wenig zu überzeugen wußte. Ballack zeigte bereits, was für ein wichtiger Spieler er sein kann, auf der "Sechs" dirigierte Hamann und für die Glanzlichter war Bernd Schneider zuständig. Damit wären schon die wenigen herausragenden Spieler internationaler Klasse genannt. Das Vordringen bis ins Finale war glücklich bis zufällig und die Mannschaft konnte auf dem Weg ins Finale weder gegen Paraguay, noch gegen die USA oder Süd-Korea überzeugen. Ins Endspiel brachte die Deutschen Torhüter Kahn. Selten davor oder danach, wenn überhaupt einmal, hatte ein Torwart so großen Anteil an den Ergebnissen seiner Mannschaft wie während dieses Turniers, Kahn war unbestritten der Beste Torwart der Welt. Im Finale war Deutschland dann chancenlos. Zu wenig konnten Spieler vom Format eines Jeremies oder Ramelow zum Spiel beitragen, Klose, noch weitgehend unbekannt, traf zwar fünfmal, davon aber allein dreifach gegen Saudi-Arabien.
Es folgte ein weiterer sukzessiver Umbau der Mannschaft, bei der EM 2004, über die man besser den Mantel des Schweigens hüllen sollte, kamen immerhin erstmals bei einem Turnier Schweinsteiger und Podolski als Vertreter einer neuen Generation zum Einsatz. Danach übernahm Klinsmann und er brachte Löw mit, den früheren Eintracht-Spieler. Bei der Heim-WM und auch in manchen vorherigen Spielen, insbesondere beim Confed-Cup ein Jahr vor der WM, zeigte die Mannschaft teilweise vielversprechenden Angriffsfußball, ließ erstmals wieder aufhorchen, wenngleich (oder weil) die Vertreter der althergbrachten "deutschen" Tugenden langsam am Aussterben zu sein schienen. Man spielte noch ein 4-4-2, mit Mittelfeldraute, Frings und Ballack in der Mitte, Schneider und Schweinsteiger auf den Außenseiten, im Sturm mit Klose und Podolski. Das sah schon gut aus, gegen gleichwertige oder schwächere Mannschaften konnte diese Mannschaft das Spiel und viel Druck machen. Erstmals kam etwas ganz wichtiges ins Spiel, das den Aufstieg der Deutschen zurück in die Weltklasse deutlich beschleunigen und begünstigen sollte: Die Vorbereitung. Man begann, Gegner akribisch zu analysieren, die eigene Mannschaft auch durch initial komisch anmutende Fitness-Übungen zu präparieren, Lauf- und Passwege einzustudieren, kurz: es wurde ein Plan, ein Spielsystem erkennbar. Dieses trug bei der WM im eigenen Land erste Früchte, wenngleich es weder gegen Argentinien noch gegen Italien letztlich durchgesetzt werden konnte. Immerhin waren die Deutschen gegen die sehr starken Argentinier noch ebenbürtig und obsiegten im Elfmeterschießen. Die Italiener zeigten dem Team dann die Grenzen auf, auch wenn es bis in die zwei Schlußminuten der Verlängerung noch 0:0 stand. Bei der EM 2008 gab es dann noch durchwachsene Darbietungen, auch, weil noch "Altlasten" wie Mertesacker und Metzelder sowie Ballack und Frings im Team den Ton angaben, Spieler, die entweder Schwächen im kreativen Spielaufbau aufwiesen, oder, im Falle von Ballack und Frings, dem geforderten Tempo nicht mehr gewachsen waren. So war Deutschland gegen Spanien deutlich unterlegen, ja eigentlich ohne Chance. 2010 dann eine deutliche Weiterentwicklung. Bereits in der WM-Qualifikation waren die Russen, bei der EM 2008 noch eine Entdeckung, auch dank eines überragend haltenden Rene Adler zweimal besiegt worden. Der Erfolg in Südafrika kam auch dadurch zustande, daß die verbesserte DFB-Nachwuchsarbeit endgültig zum Tragen kam und auch der damalige Bayern-Trainer Van Gaal, neben dem konsequenten Einsetzen von Müller und Badstuber, Schweinsteiger ins defensive Mittelfeld versetzt hatte, eine Position, die dem Edeltechniker am besten ermöglichte, seine Fähigkeiten einzubringen, vorher war er, trotz starker Leistungen, auf der Flanke verschenkt. Der Ausfall des sehr verdienten Ballack, der zuvor auch viele Spiele für die Deutschen entschieden hatte, ermöglichte in Südafrika endgültig den Wechsel zum schnellen Kombinationsfußball. Wieder war bei diesem Turnier Spanien noch eine Nummer zu groß, aber die Deutschen waren nah dran am Unentschieden, Kroos hatte frei vor Casillas den Treffer auf dem Fuß. Erneut konnte die Löw-Elf gegen die flüssig und schnell kombinierenden Spanier ihr eigenes Spiel nicht durchbringen, am Ende brachte aber erneut ein vermeidbarer Treffer - 2008 war es ein Fehler von Lahm gewesen - nach Eckball das Aus. In der Zwischenzeit hat sich die deutsche Mannschaft noch weiter entwickelt, vor allem ist das Angebot an Spielern, die Löws Fußball spielen können deutlich breiter geworden, fast jeder kann nahezu gleichwertig ersetzt werden. Daß Deutschland gegen die sogenannten Großen nicht gewinnen kann, wie es noch bis in den Beginn der Löw-Ära hieß, ist längst wiederlegt.
Sieht man sich die Entwicklung der anderen Nationalmannschaften in jenem Zeitraum an, so fällt auf, daß keine, auch die Spanier nicht, seit 2006 so kontinuierlich erfolgreich war, Deutschland war von 2006 an immer unter den letzten vier.
Frankreich und Italien, die beiden Finalisten der WM 2006, wurden in der Vorrunde der EM 2008 von den Holländern vorgeführt und spielten 2010 nur eine unrühmliche Rolle, insbesondere die Franzosen. Aktuell ist Italien wieder da, die Franzosen enttäuschten erneut, wenngleich sie die absolute Blamage vermeiden konnten. Die Holländer blieben außer 2010 weit unter ihren Möglichkeiten, obgleich man ihnen eine zauberhafte, berauschende Vorrunde bei der EM 2008 zu verdanken hat - der allerdings ein jäher Absturz gegen Russland folgte. Portugal war 2004 ganz nah dran, konnte aber die unschönste Überraschung der jüngeren Fußballgeschichte nicht verhindern. Man hätte sich von Figo, Deco und Ronaldo immer etwas mehr erwartet, letztlich wurde die Mannschaft wegen wenigen überragenden Einzelspielern immer auch etwas überschätzt. Erst jetzt, da es Ronaldos Team ist, scheint ein großer Erfolg wieder möglich.
Daneben haben Brasilien und Argentinien bei den Turnieren seit 2002 enttäuscht, es scheint hier auch, im Gegensatz zu Europa, keine Konzepte für eine Entwicklung zu geben, alle vier Jahre wieder versucht man sein Glück mit kaum eingespielten Mannschaften. Was durch die großflächig verstreuten Spieler ohnehin schwer ist, wird auch nicht durch Trainingslager oder Turniervorbereitung versucht, zu kompensieren.
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