Die Deutschen sind da, im Turnier und im Bewußtsein der Brasilianer, Holländer und Italiener angekommen. Ausrufezeichen gesetzt. Müller, nicht im Stile von Neymar, Messi oder Van Persie/Robben, sondern eher Müller- bzw. #13-Style, entscheidet und sorgt sich mit Recht, ob die Szene mit Pepe (Pauker- und Stürmerschreck) komisch rüberkommt. Die Aussage, er wolle erst mal die Fernsehbilder sehen, kenne ich noch von Pierre Littbarski nach einem zweifelhaften Faller seinerseits. War aber diesmal alles in Ordnung. Von den drei strittigen Schiedsrichterentscheidungen des Spieles war der Platzverweis die richtigste, die beiden Elfmeterszenen hätte der Referee auch umgekehrt auslegen können, ohne daß sich jemand hätte beklagen dürfen. So kann sich Müller, der in der Bundesliga unverhältnismässig oft durch Fallen und Reklamieren auffällt, vorbehaltlos über drei Tore, zwei davon in guter alter Mittelstürmermanier erzielt, freuen. Und ich mich über eine sehr gelungene Vorstellung der Nationalelf. Löw hat die richtigen Personalentscheidungen getroffen, was für ihn keine Selbstverständlichkeit ist, sieht man sich seine Vergangenheit bei Turnieren an.
Danach ein weiteres Ausrufezeichen, für die Partie Nigeria gegen Iran, in die ich immer wieder reinschaltete, fehlen mir fast die Worte. Respekt für Mehmet Scholl, daß er sich nicht herablassend über diese Versuche eines Fußballspieles lustig machte. Es war Not gegen Elend, als würde Griechenland gegen sich selbst spielen, der in der österreichischen Umgangssprache gebräuchliche Begriff der "Bloßfüssigen" fällt mir dazu erneut ein. Daß so unbedarfte Mannschaften bei einer WM spielen, ist in Ordnung, daß zwei von der Sorte in einer Gruppe sind, sollte nicht vorkommen. Vor allem, wenn man sieht, daß andernorts viel stärkere Teams ausscheiden müssen, wie z.B. in der deutschen Gruppe, in der brasilianischen, italienischen oder spanischen. Angesichts solcher Gruppengegner muß man sich jedenfalls ernsthaft Sorgen um die Form der Argentinier machen, die nun vor der k.o.-Phase keine weiteren Spiele unter Wettbewerbsbedingungen haben. Müssen unbedingt die Trainingsintensität hochfahren und hoffen, so irgendwie Biß und Fokus zu bekommen. Vielleicht Borowski, Frings und Ballack als Sparringspartner einladen, damit kein Schlendrian einzieht.
Dann der nächste Paukenschlag, USA gegen Ghana. Die selbsternannten (Geheim-) Favoriten vom schwarzen Kontinent gegen Klinsmanns US-Boys. Ghana (Heimat des ersten afrikanischen Bundesligaspielers Ibrahim Sunday) schonte Essien und Prince, vielleicht, weil man sie gegen den vermeintlich schwächsten Gruppengegner für entbehrlich hielt, drückte und verlor doch. Die USA, seit 1990 jedesmal dabei, ohne seither erkennbare fußballerische Fortschritte gemacht zu haben, können immerhin gewinnen. Im Duell der deutschen Ghetto-Kicker gewinnt der Frankfurter Bub aus dem berüchtigten Stadtteil Bonames gegen den eingewechselten und blaß gebliebenen Berliner Prince. Anspruch und Wirklichkeit. Sollte sich Portugal von der Schlappe gegen Deutschland erholen und Pepe nur ein Spiel Sperre erhalten, so wird es schwer für die Hoffnung Afrikas auf ein gutes Abschneiden. Ghana muß nun auf jeden Fall gegen Deutschland gewinnen. Hoffentlich bekommt Löw jetzt keine Angst.
Noch kurz zur Berichterstattung: Kahn mit Welke an der Seite etwas spritziger als früher, aber er wird kein Unterhaltungskünstler mehr und Expertenwissen bringt er auch nur mässig rüber. Klarer Punktsieger in diesem ungleichen Duell, das die langjährigen Mannschaftskameraden nicht als solches sehen, ist Mehmet Scholl. Seine beste Einlassung bisher war die Replik auf die Frage, ob er zum Spiel Nigeria gegen Iran noch etwas sagen wolle: "Nö."
Irgendwo im Dschungel sitzt K. Müller-Hohenstein und verteilt Flip Flops. Was bin ich froh, daß ich nie Sportjournalist geworden bin. Und irgendwo im Netz treibt auch Harald Stenger sein Unwesen, der geschasste ehemalige Sprecher der Nationalelf. Bevor er zu dem wurde, war er ja jahrelang als Sportchef der Frankfurter Rundschau ein nimmermüder Kritiker - eigentlich von allem. In gelegentlichen Auftritten im Fußballstammtisch wirkte er auch eher mieseptrig. Als Moderator seiner Videokolumne kommt er etwas hölzern rüber, er bleibt m.E. ein Mann des Printmediums. Unsterblich ist er vor allem durch Ror Wolfs Fußballkollage "Schwierigkeiten beim Umschalten", wo Stenger als junger Hr-Reporter vorkommt, der von einem Volleyballspiel berichtet. Und ich glaube mich zu erinnern, daß er im "bench clearing brawl" gegen Argentinien 2006 auch mitmischte.
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