Nach dem Wiederaufstieg der Eintracht, der tumultösen Relegation einschließlich symbolischen Raubes eines Elfmeterpunktes aus jenem Stadion, in dem Schiedsrichter Stark der Eintracht durch Verhängung eines aberwitzigen Strafstosses einen Sieg geraubt hatte, dem selbstverschuldeten Scheitern der schlecht vorbereiteten und schlecht auf- und eingestellten Nationalelf bei der Euro, ging es in die 50. Bundesligasaison.
Mit einer Eintracht, die ihre Zweitligamannschaft um weitere Zweitligaspieler und weithin unbekannte Ersatzspieler aus der ersten Liga ergänzt hatte - und natürlich einen neuen Torhüter, den zweiten Mann von Absteiger Kaiserslautern. Wird schon irgendwie reichen, Fürth, Augsburg, Freiburg, Düsseldorf und Gladbach nach Verlust mehrerer Schlüsselspieler, sind auch nicht deutlich besser - so dachte wohl nicht nur ich vor der Saison. Es kam ganz anders, die Eintracht dreht gleich das erste Spiel nach Rückstand, siegte und siegte und spielte dabei teilweise begeisternden Fußball. Viele der mit offenem Visier geführten Begegnungen hätten - zuletzt gegen Bremen - auch andersherum ausgehen können, aber da ist ja noch erstmals seit langem ein Tormann, der Spiele gewinnen kann. Die Mannschaft spielt attraktiv und tritt sympathisch auf, so daß man ihr auch bittere Niederlagen nicht übel nimmt. Ärgerlich nur, daß man relativ viel Geld für einen Stürmer ausgegeben hat, der schwächer als Vorgänger Idrissou ist. Nun kann diese Saison, knapp wie es bis Platz 10 ist und angesichts mehrerer Verfolger, die etablierter und erfahrener als die Eintracht sind, immer noch eine negative Fortsetzung nehmen, am Ende könnte auch Platz 10 herauskommen. Aber bei der Freude, die diese Mannschaft bereitet, wäre das dann eine Enttäuschung?
Die Vorrunde sonst? Dortmund hat den Start in den Sand gesetzt, muß deshalb diesmal 12 Punkte aufholen und nicht neun. So wie die Borussen zuletzt auftraten, ist ihnen zuzutrauen, daß sie kaum noch Punkte abgeben. Ob das zur Meisterschaft reicht? Ihr Trainer, der in der Coaching Zone immer so schlimm aussieht, dem man, selbst wenn er jubelt, lieber nicht in die Quere kommen will, ist jedenfalls immer noch Meister des Interviews. Sagt immer das richtige, man will ständig mit der Zunge schnalzen und den Hut ziehen, vor so viel Vernunft, Demut, Verstand - ja man möchte fast Intelligenz vermuten. Verdächtig gut. Es wird nicht mehr lange dauern und ich werde ihn über haben, wie früher oder später alles und jeden, den alle gut finden. Konsens ist Nonsens. So wie damals auch Bankkaufmänner und Piloten "Nevermind" gut fanden. Hab mir das Album deshalb erst gekauft, als Cobain und Grunge lange dahin waren. Ich bin deshalb gespannt, wann man feststellen wird, daß der Kaiser (Klopp) nackt ist. Oder ist er wirklich so gut?
Medien und Masse sind jedenfalls völlig betäubt, so wie es auch damals bei der Frauen-WM in Deutschland war, so wie es bei der öffentlichen Rezeption von Jauch, Löw, Hirschhausen und anderen war und ist. Die Umfragewerte lassen ja auch das schlimmste für die Bundestagswahl befürchten: Die skrupellose und berechnende Bundeskanzlerin, die schon als Umweltministerin Durchstechereien verantwortete, ist der beliebteste Politiker Deutschlands. Wie gesagt, betäubte Massen. Gibt es im 21. Jahrhundert noch ein kritisches Bewußtsein? Aber zurück zum Fußball:
Der FC Bayern spielt seit langem mal wieder so, wie er es immer schon von sich behauptete, sogar attraktiver als in früheren erfolgreichen Zeiten. Die Spieler haben die EM-Schmach erstaunlich gut verkraftet, Robben, dessen Spielweise der Mannschaft nicht guttut, spielt selten und es läuft. Zur Zeit nicht mehr vorne dabei ist Schalke, weil die mit hochtalentierten Spielern ausgestattete Mannschaft irgendwie nicht funktioniert. Einen schönen Bock hat in dem Zusammenhang das sonst oft richtig liegende Magazin 11 Freunde (übrigens tolle Werbe-Choreo vor dem Länderspiel) mit seiner Story über den Club geschossen. Huub Stevens fest im Sattel, im Pott verwurzelt? Dumm gelaufen. Und sonst? Wolfsburg hat entschieden, jetzt sympathisch zu werden, Allofs feindlich von den redlichen Bremern übernommen, Magath entlassen, und den als Sympathieträger noch nicht sonderlich aufgefallenen Bernd Schuster als Trainer geholt. Mal sehen, wieviel Geld der in der Winterpause verbraten darf, auf dem Weg zum positiven Image. Er hat zwar nicht die Credentials von Mexico 86, aber auch mit vielen ehemaligen und aktuellen Wolfsburger Funktionsträgern zusammengespielt. Es ist sein erster Job in der Bundesliga, deshalb wird auf ihn logischerweise Lothar Matthäus folgen, ebenfalls in Mexico dabei gewesen. Womit wir beim nächsten Tiefpunkt des aktuellen 11 Freunde-Heftes wären: dem Interview mit unserem Rekordlothar. Der Leser erfährt nichts neues, es wird nichts kritisch hinterfragt, es ergeben sich keine Gesichtspunkte, die das bisherige Ansehen des Ex-Nationalspielers in irgendeiner Weise verändern, es gibt auch nichts unterhaltsames, lustiges o.ä. Der Mann bleibt unsympathisch, humorlos, keine Distanz zu sich selbst aufweisend, das Magazin diskreditiert sich - außer es steckte die Absicht dahinter, zu zeigen, daß Matthäus unsympathisch und humorlos ist und keine Distanz zu sich selbst hat. Aber das ist ungefähr der gleiche Anspruch wie nachzuweisen, daß eins plus eins zwei ergibt. Trotzdem freue ich mich schon auf den Lothar in Wolfsburg.
Weiter in der Liga: Hoffenheim hat sich endgültig davon verabschiedet, ein Konzeptverein zu sein, kann sich das aber leisten, da Fürth und Augsburg so harmlos sind. Gladbach hat sich überraschend gut von den Abgängen erholt, Freiburg ist sehr selbstbewußt, hat in Schmid einen der am gefährlichsten aussehenden Spieler der Liga, einen Trainer, der Klopp in vielerlei Hinsicht nahekommt, und spielt toll. Was fehlt ist, zum Glück aus Eintracht-Sicht, ein torgefährlicher Stürmer. Der HSV hat dank der Verpflichtung eines exzellenten Torwarts und eines Dirigenten der ganz alten Schule wieder Anschluß gefunden. Düsseldorf bleibt eine unangenehme Mannschaft, daran hat sich trotz weitgehenden Austauschs des Personals nichts geändert. Der Fisch stinkt - erfolgreich - vom Kopf her. Viel mehr war nicht.
Prognosen für die Rückrunde? Die letzten drei behalten ihre Plätze, Labbadia springt doch noch aufs Trainerkarussel auf, Rode geht nach Wolfsburg, Streit auch, Dortmund wird Meister, Sport 1 wird zum Sportberichterstattungssender anstatt FCB-Hauskanal zu sein, Götze und Reus schießen Deutschland zur WM, Özil schaut zu und lernt etwas über Spannung und Dynamik. Kommt bestimmt manches doch ganz anders. Ausblick auf 2014: Nachdem die Entwicklung der Eintracht weitergeht, fährt die Nationalmannschaft mit mindestens einem Eintrachtspieler nach Brasilien, wodurch Deutschland erstmals seit langem wieder echte Titelchancen hat. Ohne Adlerträger vom Main wenigstens im Kader sind wir nämlich noch nie Weltmeister geworden.
Für mich die Entdeckung des Jahres 2012: Buffalo Killers! Das Trio aus Ohio macht zeitlos schöne Rockmusik, wurde deshalb schon von den Black Keys und den Black Crowes als Vorgruppe verpflichtet. Habe ich über Radio Moscow und deren Label Alive Records entdeckt, stand, wenn die Internetseite nicht lügt, noch nie etwas in Visions (11 Freunde für Rockmusikfans) über die Band. Obwohl das aktuelle "Dig, sow, love, grow" schon das vierte Album von Buffalo Killers ist. Dann lieber eine Titelstory über die total herabgewirtschafteten Soundgarden - auch eine Parallelle zu 11 Freunde. Independent-Magazine sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Trotzdem hoffe ich natürlich, daß G+J nicht S. Schäfer zum Chefredakteur von 11 Freunde macht.
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