Der Rest ist Geschichte. Trevor Erhardt, der kleine, bullige Collegeboy, war kein begnadeter Eishockeyspieler. Er war in allen Kategorien überdurchschnittlich. Gutes Tempo, gute läuferische Technik, guter Schuß, gut bei Alleingängen, gut in den Zweikämpfen an der Bande, gutes Auge für Mitspieler, gut in der Arbeit nach hinten, blockte sogar Schüsse, für einen Stürmer eher ungewöhnlich. Er war auch kein eiskalter Vollstrecker, obwohl er viele Tore schoss.
Was ihn unsterblich macht, aus der Masse der Punkte am Fließband produzierenden, heute hier-morgen dort auftauchenden Kanadischen und überhaupt ausländischen Spieler heraushebt, die sich seinerzeit im deutschen Eishockey tummelten wie ein Söldnerheer, das war sein Herz. Trevor Erhardt hatte ein Herz von der Größe Albertas, mindestens! Das machte ihn so unvergleichlich. Er gab immer alles, spielte angeschlagen, fuhr Doppelschichten, war ein nie aufgebender Derwisch, beackerte die gesamte Eisfläche. Er war überall auf dem Eis zu finden und dominierte so die Spiele. Seine Landsleute in den anderen Mannschaften pflanzten sich vor dem Tor auf, lauerten, ließen sich bedienen und kamen so teilweise auf deutlich höhere Torquoten, während Erhardt sich alles erarbeitete, erkämpfte, Torchancen - auch für andere - generierte, indem er an der Bande, in den Ecken, hinter dem Tor, um die Pucks fightete, oft mit Erfolg. Er ging keinem Duell aus dem Weg, setzte sich gegen körperlich oft überlegene Gegner durch und gab keinen Puck verloren. Er spielte mit der die Fans ansteckenden Begeisterung eines Jungen, der auf dem zugefrorenen heimischen Weiher erst aufhört, wenn es dunkel ist und die Mutter zum Abendessen ruft.
Dieses Herz, diese Spielfreude waren bis in die letzte Reihe der Tribüne spürbar, weshalb er in Frankfurt bis heute geliebt und verehrt wird. Gerade erst haben die Löwen ihr Maskottchen nach ihm benannt. Sein Trikot mit der 27 hängt schon seit vielen Jahren unter dem Hallendach. Das es sich dabei nur um das hässliche erste Löwentrikot nach der Neugründung handelt und ich lieber ein schwarzes oder rotes Eintracht-Trikot dort sähe - geschenkt, die Geste zählt.
Seine sportlichen Meriten sind allgemein (?) bekannt. Er war in den drei Zweitligajahren stets bester Scorer der Eintracht, schoß im für den Aufstieg 1986 entscheidenden Spiel gegen Rießersee drei Tore zum 4:2-Sieg. Insgesamt in der Aufstiegsrunde in 18 Spielen 19 Tore. In der ersten Bundesliga traf er, was ihm viele nicht zugetraut hätten, in 34 Spielen 25 Mal. Gleich in seinem zweiten Spiel in der ersten Liga erzielte er - wieder gegen Rießersee - drei Tore. In der Relegation 1986/87, in der die Eintracht relativ sicher den Klassenerhalt schaffte, war er überragender Scorer mit 42 Punkten. Auch in seiner letzten Saison bei der Eintracht traf er regelmässig (erzielte sogar einen Scorerpunkt mehr als in der Vorsaison), bestätigte seine Erstligatauglichkeit, obgleich er nach der Verpflichtung von Uli Egen nicht mehr immer in der ersten Sturmreihe und in der ersten Powerplay-Formation stand. So waren seine Werte niedriger als die der meisten anderen Kontingentspieler. Die Zeiten, da er die Mannschaft auf seinen Schultern zum Sieg tragen konnte, waren in der Bundesliga zuende, die Konkurrenz zu groß. Hätte er einen deutschen Paß gehabt, hätte er noch lange in der Liga spielen können, so entschied man, seinen Platz anderweitig zu besetzen. Es mag ein kleiner Trost sein, daß in den verbleibenden Jahren der Eintracht wirklich nur ganz große Namen die Ausländerstelle besetzten: Zunächst der zweifache NHL-Allstar Charlie Simmer und dann Jiri Lala.
Bleibt nur, Trevor Erhardt an dieser Stelle herzlichst zu gratulieren und ihm alles Gute für das weitere Leben zu wünschen.
Auf seinen Einsatz wartend, im ersten Bundesligajahr 1986/87. |
1 Kommentar:
Schöner Artikel. Auch die Infos zu seiner sportliche Herkunft in Kanada hatte ich so noch nicht gelesen. Danke.
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