"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Montag, 13. April 2015

Frankfurter Eishockey vor 30 Jahren

Die aktuelle Eishockeysaison der Löwen ist bedauerlicherweise zu Ende gegangen, gegen einen sehr starken Gegner, von dem ich vor Spiel 6 der Halbfinalserie vergebens gehofft hatte, er hätte jetzt mal sein Scheiben- und Schiri-Glück aufgebraucht. Bremerhaven war übrigens in der ersten Saison der Eishockey-Eintracht in der 2. Bundesliga, 1982/83 ebenfalls Mitglied der Liga und überdies eine Station in der Karriere von Elias Vorlicek, bevor er am Ratsweg anheuerte. Hier ein Blick in die schon etwas länger zurückliegende Vergangenheit des Frankfurter Eishockey:
Nachdem mit der Eröffnung der Eissporthalle am Ratsweg 1981 eine neue Zeitrechnung im Frankfurter Eishockey begonnen hatte, hat die Eintracht 1985 ihre dritte Saison in der zweiten Bundesliga in Folge abgeschlossen.
Die Saison 1984/85 wurde mit dem Erreichen der Bundesliga-Relegation anständig beendet. Ohne Ambitionen auf einen Aufstieg in die 1. Bundesliga gestartet, bedeutete die Qualifikation für diese Aufstiegsrunde den sicheren Klassenerhalt für die Eintracht. Die 2. Bundesliga Nord war in dieser Saison mit 8 Mannschaften ins Rennen gegangen, es wurde, um genug Heimspiele und somit Einnahmen zu gewährleisten, eine Dreifachrunde gespielt. Das bedeutete leider einen etwas zähen Verlauf, da man nicht nur sechs Derbys gegen Bad Nauheim (und auch sechs gegen Kassel) hatte, sondern leider auch sechsmal auf die weniger attraktiven Herne und Braunlage traf und dreimal nach Berlin reisen mußte. Der BSC Preußen Berlin war auch der große Ligafavorit, man wollte zu gerne aufsteigen und an die ruhmreiche Tradition des Rekordmeisters Berliner SC anknüpfen, der 1982 eine der zahlreichen Pleiten im deutschen Eishockey hingelegt hatte und aus dem Profibereich verschwunden war. Die Preußen gewannen dann auch die Staffel, überraschend knapp vor dem Krefelder EV (Namensgleicher Nachfolgeclub eines weiteren in den 70ern sehr erfolgreichen Clubs, der Konkurs hatte anmelden müssen). Die Eintracht als 3. und der Duisburger SC komplettierten die Teilnehmer an der Relegation aus der Nordstaffel. Aus dem Süden nahmen der SV Bayreuth, Augsburg, Füssen und Bad Tölz teil, hinzu kamen aus der 1. Bundesliga der SC Riessersee und der EHC Essen-West, der unter eher fragwürdigen Umständen im Vorjahr in die 1. Bundesliga aufgestiegen war und eine klägliche Vorstellung in der Erstklassigkeit abgegeben hatte, gewissermassen das Tasmania Berlin des Eishockey. Die Eintracht hielt ganz passabel mit, schloß die Runde mit 18:18 Punkten auf Rang 7 ab, punktgleich mit Krefeld und Duisburg, 2 Punkte hinter den viertplatzierten Essenern.
Dabei war auch schon mal ein Hauch vom großen Eishockey in Frankfurt zu spüren, der SC Riessersee kam mit den deutschen Eishockeylegenden Ignaz Berndaner und Martin Hinterstocker, beide Bronze-Helden von Innsbruck, ersterer einer der besten deutschen Verteidiger der letzten 10 Jahre, der Deutschland auch bei der einzigen Canada-Cup-Teilnahme 1984 vertreten hatte, der andere ein sagenumwobener Torjäger der 70er Jahre, der einmal 78 Tore in einer Bundesligasaison erzielt hatte. Gleich im ersten Spiel der Relegation traten sie, im Verbund u.a. mit Ron Fischer und Ralph Krüger, am Ratsweg vor einem erwartungsvollen Publikum an - und fegten eine überforderte Eintracht mit 7:2 vom Eis. Riessersee wurde denn auch souverän erster der Relegation, knapp vor dem Überraschungsaufsteiger Bayreuth, der den Berlinern das Nachsehen gab, u.a. auch, weil die Eintracht den Preußen am Ratsweg eine Niederlage bescherte.
Insgesamt war man am Ende der Saison in Frankfurt nicht unzufrieden mit dem Erreichten. Betrachtet man den Kader der Saison 1984/85, so mußte man auch zu der Erkenntnis kommen, daß mit dieser Truppe nicht mehr drin war. Das Aufgebot war auch zahlenmässig knapp bemessen, so daß kaum Spielraum für Verletzungen bestand. Man stützte sich auf den schon etwas in die Jahre gekommenen Dieter Jehner im Tor, ohne einen zweitligaerprobten Ersatz parat zu haben. Der Bad Nauheimer Routinier machte seine Sache denn auch sehr ordentlich und hielt - besonders wichtig - trotz seiner bereits 36 Jahre körperlich durch.
In der Anwehr standen mit Mannschaftskapitän Helmut Keller, Jerzy Potz, Werner Jahn, Peter Gehrmann und Gerhard Schaaf fünf Verteidiger zur Verfügung, wobei Schaaf eigentlich gelernter Stürmer war, der auch aufgrund seiner hünenhaften Statur auserkoren worden war, in der Abwehr auszuhelfen.
Fünf Verteidiger für 60 Saisonspiele! Will man diese Abwehr charakterisieren, so gehörten Keller und Jahn sicher zu den besten deutschen Verteidigern der 2. Liga, auch wenn beide ihre besten Jahre hinter sich hatten, Gehrmann und Schaaf repräsentierten solides Zweitliganiveau und hatten immerhin auch Erfahrung in der ersten Liga gesammelt. Herausragender Verteidiger, auch über Frankfurt hinaus, war ohne Zweifel Jerzy Potz, in seiner polnischen Heimat ein Eishockeydenkmal. Er war läuferisch eine Augenweide, technisch und spielerisch überragend, defensiv wie offensiv gleichermassen wertvoll und spielte nahezu körperlos, kam ohne Härte aus. Zwar räumte er auch ordentlich vor dem eigenen Tor auf, aber immer den Kopf oben haltend, immer sauber, immer fair. Obwohl oder weil ihm seine imponierende Statur und Fitness auch ein rauheres, einschüchterndes Auftreten erlaubt hätten. Keller und Potz waren bereits seit Beginn der Zweitligazugehörigkeit bei der Eintracht.
Vorne wies die Eintracht 10 nominelle Stürmer auf, es reichte also gerade für drei Sturmreihen, wenn alle Mann an Bord waren. Was bei den 60 Saisonspielen naturgemäß nicht immer klappte. Dabei setzte man auf eine Mischung aus jung (Erhardt, Ziesch, Zimlich, Merkel, Hartfuß) und alt (Schoof, Vorlicek, Kessler, Münch), ein bischen kanadisches Element (Erhardt, Münch, Roedger) und viel Eishockey made in Hessen. Schoof, Zimlich, Ziesch, Hartfuß, Kessler, Merkel hatten alle in Frankfurt oder Bad Nauheim das Eishockeyspielen erlernt. Offensiv stützte sich die Eintracht in erster Linie auf Erhardt, Vorlicek und Münch, dahinter sorgten noch Schoof und Ziesch, der in dieser Saison den Durchbruch zu schaffen schien, zuverlässig für Tore und Punkte, sowie mit Abstrichen auch Peter Roedger. Danach kam nicht mehr viel. Nun waren Minikader in der zweiten Liga in jenen Jahren durchaus üblich, nur wenige Teams verfügten über einen größeren Stamm als vier Verteidiger und drei Sturmreihen, die noch annähernd das Liganiveau erreichten.
Den Verantwortlichen war klar, daß man, wollte man höhere Ziele erreichen, den Kader qualitativ und quantitativ verbessern mußte. Irgendwann in absehbarer Zeit sollte es mit der modernen Halle und dem wachsenden Publikumsinteresse dann doch die erste Bundesliga sein.
Also trennten sich die Macher Günter Herold und Jorma Siitarinen überwiegend von Akteuren, von denen man sich keine positiven Impulse mehr erhoffte. Verteidiger Jahn, der wegen Verletzung fast die halbe Saison verpasst hatte, wagte die Rückkehr nach Mannheim in die erste Liga, wo er 1980 zusammen mit Elias Vorlicek Meister geworden war. Die anderen Abgänge konnte man leichter verschmerzen. Merkel schien sein Potenzial ausgeschöpft zu haben, Hartmut Kessler, bundesligaerprobt und früherer Kapitän beendete seine Karriere und Peter Roedger hatte in der abgelaufenen Saison enttäuscht, war teilweise sogar vom eigenen Anhang ausgepfiffen worden. Lopetuso war ohnehin nicht über eine Statistenrolle hinausgekommen, mit ihm plante man auch nicht weiter.



Scoringsheet der Saison 84/85. Erhardt war drittbester Scorer der Liga, Potz und Keller unter den Top 10 der Verteidiger. Mit Münch, Vorlicek und Ziesch noch drei weitere Scorer mit einem Punkteschnitt über 1,0, Schoof knapp darunter, insgesamt eine solide aber nicht herausragende Offensive. Das sollte sich ändern!


Es verblieben also:
Tor: Dieter Jehner und Oliver Schulz;
Verteidigung: Helmut Keller, Jerzy Potz, Peter Gehrmann und Gerhardt Schaaf, der eigentlich Stürmer war;
Angriff: James Münch, Bernd Schoof, Stefan Zimlich, Elias Vorlicek, Christian Ziesch, Ralf Hartfuß und Trevor Erhardt.
Fürs Erste ganz gut aber dieses Aufgebot schrie nach Ergänzung, numerisch und qualitativ.
Für den Kader 85/86 sollte ein stärkerer Torhüter her, am besten aus der ersten Liga. Für die Verteidigung mußte ein gleichwertiger Ersatz für Jahn her, also auch aus der ersten Liga. Im Angriff sollten es ebenfalls Spieler sein, die mindestens gehobenes Zweitliganiveau garantierten, d.h. auch hier am günstigsten solche, die schon in der ersten Bundesliga gespielt hatten. Insgesamt also größere sportliche Ausgeglichenheit und ein größerer Kader als Hausaufgaben für Günter Herold und Jorma Siitarinen. Wie gut sie diese Aufgaben erledigten, ist ein eigenes Kapitel Frankfurter Eishockeygeschichte. Davon später mehr.

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