Es ist also tatsächlich soweit, die WM ist vorbei. Und sie endete mit einem immerhin sehr sehenswerten Endspiel, das war nicht bei allen Turnieren der jüngeren Vergangenheit so. Spannend war es oft, attraktiv selten im Finale.
Der Auftritt der Kroaten kann gar nicht genug gelobt werden, hocherhobenen Hauptes können sie trotz der Finalniederlage nach Hause fahren. Man kann auch aus verschiedenen Gründen sagen, daß die Franzosen ein würdiger Weltmeister sind, aus meiner Sicht vor allem, weil sie trotz des geringen Durchschnittsalters eine große Mannschaft haben mit Einzelspielern, die zu den absolut Weltbesten gehören.
Die WM insgesamt, es wurde bereits vielfach gesagt und geschrieben, auch von mir, war, was die Attraktivität oder das spielerische Niveau der Spiele angeht, mäßig.
Im durchaus legitimen Bemühen, Wege zum Sieg zu finden, haben einfach zu viele Mannschaften, auch der Sieger, ihr Heil in der Defensive gesucht und gefunden. Mit 11 Mann verteidigen, dem Gegner die Initiative überlassen, Kontern und/oder auf gut einstudierte Standards setzen, das ist der Trend im postmodernen Fußball. Legitim aber nicht erfreulich anzusehen für Freunde eines flüssigen Spieles mit dem Ziel möglichst vieler Abschlüsse. Noch hat es keine Gegenbewegung gegeben, die Mannschaften mit dem größten Offensivpotenzial, Belgien, Kroatien und Brasilien - in der Theorie verfügt auch Frankreich über solches Potenzial - konnten sich nicht durchsetzen, zumindest reichte es nicht zum Titel. England, auch unter die letzten vier gekommen, ist eher zu den postmodernen Teams zu zählen, da ihre offensiven Hoffnungen fast ausschließlich auf Standards setzten. So bleibt vor allem die Erkenntnis, daß ihr Trainer aussah wie ein Flugbegleiter von British Airways und daß sie endlich, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, einen Torwart haben, der nicht nur auf der Insel zu den Besten gehört, sondern auch auf der Weltbühne. Und daß sie noch besser werden könnten, da die Mannschaft relativ jung ist.
Der Plan der Deutschen, so habe ich Löw jedenfalls verstanden, war, durch Ballbesitz möglichst weit in der gegnerischen Hälfte, den Gegner müde zu spielen und dann - irgendwie - das Spiel zu gewinnen. Haben die Gegner sich außer den Schweden leider nicht dran gehalten. Den Spaniern ging es da ähnlich wie den Deutschen, auch wenn sie formal ohne Niederlage nach Hause fahren mussten. Im heutigen, meist unattraktiven Fußball ist diese Strategie auf den Kopf gestellt worden, man läßt den ballbesitzenden Gegner sich müde spielen und kontert ihn aus. So fielen 3/4 der deutschen Gegentore. Ballverluste im Mittelfeld helfen da natürlich. Leider hat die deutsche Mannschaft auch nichts aus dem Pokalfinale gelernt, wo die Eintracht schon mal gezeigt hatte, wie es geht.
Aber genug von den Deutschen. Nach jedem Titelgewinn hat es mehr als ein Jahrzehnt gedauert, bis wir wieder eine titelwürdige Mannschaft hatten. Und wir haben immer nur dann eine WM gewonnen, wenn wir eine Mannschaft aus großen Persönlichkeiten hatten, die reif waren für den Titel.
Dann möchte ich noch eine Lanze brechen für das Spiel um den dritten Platz! Es ist eine Weltmeisterschaft und es geht um die Bronzemedaille! Wo ist der Sportgeist, wenn gefordert wird, das Spiel abzuschaffen? Wo der Respekt für den Wettbewerb und die Platzierungen? Was für Werte vertreten die Leute, die dieses Spiel und damit Bronze so geringschätzen, was vermittelt man so den Kindern? Wenn Du nicht Erster wirst, bist Du schlecht, nur der Erste zählt, oder was? Wenn Du verloren hast, gibt es keinen Nachtisch? Pfui.
Schlimm genug, daß nach der EURO 1980 das Spiel um Platz drei abgeschafft wurde. Nach einem ganz faden Turnier, vor zu 3/4 leeren Stadien, wo das "kleine Finale" genauso öde war wie der Rest des Turniers und fast 20 Elfmeter gebraucht wurden, um den Bronzesieger zu ermitteln!
Daher eine kleine Bilderserie mit Schauplätzen von kleinen Finals (1930 und 1950 wurde keines ausgetragen):
Das Nationalstadion von Santiago de Chile sah 1962 beide Finalspiele. Zum ersten Mal trat ein Gastgeber im Bronzefinale an. Die Chilenen besiegten Deutschland-Bezwinger Yugoslawien mit 1:0. |
Im Prinzenpark fand 1998 das Spiel statt, in dem die Kroaten ihr starkes Turnier mit einem 2:1 über die Niederlande krönten. |
Insgesamt war das Spiel um den dritten Platz oft eine Werbung für die Beibehaltung dieser Begegnung. Deutschland ist im Übrigen auch Rekordsieger, bei fünf Teilnahmen gewann man viermal Bronze!
Nun also Katar, in viereinhalb Jahren. Wer schon immer die FIFA mit ihrer korrupten Verkommenheit, mit ihren Knebelverträgen und ihrer Rigidität, mit der Sponsoreninteressen durchgesetzt werden ohne Rücksicht auf Verluste, in die Wüste schicken wollte, der bekommt nun, was er wollte. Parallel zu den Olympischen Spielen, geht auch beim Fußball die Entwicklung dahin, daß man für die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung mit ihren starren Vorgaben, einer Quasi-Abtretung von Hoheitsrechten an FIFA/IOC und der Gefahr, die öffentlichen Haushalte erheblich zu belasten ohne bleibenden, nachhaltigen Gegenwert, nur noch Diktatoren, Autokraten und andere Potentaten gewinnen kann. Die schöpfen aus dem Vollen, müssen keinem Parlament oder Volk Rechenschaft ablegen und dürfen sich mit einem weltumspannenden Ereignis schmücken. Mir ist es ja egal, ob die Formel 1 in Bahrein anstatt am Nürburgring ihre Runden dreht, da diese Veranstaltung ohnehin der Realität der Zuschauer völlig entrückt ist. Kann sich der Scheich meinetwegen auch alleine mit seiner Familie ansehen, ob sonst noch jemand auf der Tribüne sitzt oder nicht, fügt der Veranstaltung nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg.
Beim Fußball sieht das ganz anders aus und ich bin gespannt, wie sie es hinkriegen, daß die ohnehin kleinen Stadien in Katar nicht leer bleiben.
Was hat die wunderbare ehemalige Stadionlandschaft Glasgows mit der WM zu tun? Schottland wird wohl nie eine WM austragen dürfen. Aber die drei großen Stadien mit ihren früheren Kapazitäten hätten genügt, um etwa alle katarischen Staatsbürger unterzubringen. Das die Bevölkerungszahl wesentlich vergrößernde Dienstpersonal aus dem Ausland muß draußen bleiben, dann passt es.
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