Man sollte ja nicht nachtragend sein, aber nun hat ja die WM ein Nachspiel, also trage ich noch etwas nach.
Die Özil-Angelegenheit füllt das Sommerloch weit über den Fußballkosmos hinaus, beherrscht Schlagzeilen nicht nur bundesweit und außerhalb der Sportteile.
Auf der einen Seite ein wohl eher schlicht gestrickter türkischstämmiger Fußballspieler, der seine Position, so wie die meisten seiner öffentlichen Äußerungen, von einer Agentur formulieren und verbreiten lässt. Der hatte sich mit dem Herrscher des Heimatlandes seiner Vorfahren getroffen und war dabei fotografiert worden. Mit einem Herrscher, der nach weit verbreiteter Lesart (aber nicht in den Augen etwa der Hälfte seiner Landsleute) ein Diktator ist.
Auf der anderen Seite eine Gesellschaft, die dem Fußballspieler dieses nicht durchgehen lassen will, wobei sich die Missbilligung aufteilt, einerseits dem Treffen mit einem Diktator gilt, andererseits dem Treffen mit dem Herrscher eines anderen Landes. Das politisch linke Lager tadelt ersteres, das rechte Lager letzteres. Der Fußballverband? Hadert a.E. damit, daß es negative Publicity gab, hat keine klare politische Haltung. Zumindest ist für mich nicht klar geworden, was Bierhoff und Grindel genau an Özils Treffen mit Erdogan nicht gepasst hat, sie haben ja auch nicht auf das Treffen sondern auf das Murren in Medien und Öffentlichkeit reagiert. Eine Erklärung haben sie dennoch verlangt, eigentlich sogar eine Entschuldigung. Es wird von Werten gesprochen, die der DFB vertrete. Welche das sein sollen? Keine Erklärung. Jedenfalls keine, die sich damit vereinbaren lässt, mit wem sich der Verband und seine Funktionäre in der Vergangenheit so alles gemein gemacht haben, von Sponsoren über Politiker bis hin zu Nazis, die vor einem Geradestehen für ihre Taten nach Argentinien geflohen waren und dort vom DFB hofiert wurden.
Was von Einwanderern erwartet wird kann jeder ganz gut benennen, wie es den Einwanderern andererseits in der Fremde geht, interessiert niemanden.
Was machen Deutsche, die im Ausland leben? Sie sprechen untereinander ihre Muttersprache, sie suchen und konsumieren Lebensmittel und Medien aus ihrem Herkunftsland, sie schicken ihre Kinder auf Deutsche Schulen (sofern vorhanden), kurz, sie halten am Vertrauten fest, bewahren es, stehen zu ihren Wurzeln. Und finden nichts dabei. Der Türke oder Araber in Deutschland aber soll das nicht dürfen.
Und die Integration? Welche bzw. Integration in was?
Wie integriert sind millionenschwere Fußballer oder Reiche überhaupt? Wann ist man integriert?
Der Sport? Der Özil von 2010 ist nicht mehr, der aus dem 60 Minuten lang besten Spiel einer deutschen Nationalmannschaft aller Zeiten (das legendäre 4:4 gegen Schweden) auch nicht. Aber so schwach, wie ihn Kritiker oft gesehen haben war er nie. Im Zeitalter der statistischen Leistungserfassung aller Aspekte des Spiels weisen ihn die Daten als weit überdurchschnittlichen Spieler aus, der oft schlaffen Körpersprache zum Trotz. Egal, was man von Özil insgesamt denkt, als Fußballer ist er sehr gut.
Sportlich kann sich Deutschland den Verlust eines so begabten Spielers gerade aktuell überhaupt nicht leisten. (Nebenbei: ein DFB-Präsident ist evtl. leichter zu ersetzen)
Das sieht der schwäbische Wurstfabrikant und Steuersünder natürlich ganz anders. Ähnlich unmotiviert und deplatziert wie die seinerzeitigen Attacken gegen Klose als der im Begriff war, die Länderspieltor-Marke von Gerd Müller zu übertreffen, brach es mal wieder aus dem Hoeneß heraus. Er musste wohl mal wieder. Etwas loswerden. War ja lange ruhig. Ich hatte auch nach dem DFB-Pokalfinale nichts von ihm gehört, nur sein Gesicht auf der Tribüne gesehen, was Bände sprach. Nun also die Aussagen, der Spieler hätte in den letzten Jahren nur Dreck gespielt, keine Zweikämpfe gewonnen, Quer- und Rückpässe, sei ein Alibifußballer usw.. Dachte erst, hat ja recht, aber der Thomas Müller hat so eine Breitseite dann doch nicht verdient, andererseits ist es ja sein Präsident, geht ihn also etwas an. Dann stellt sich doch tatsächlich heraus, daß der Hoeneß gar nicht von Müller sondern von Özil gesprochen hat. Entbehrt sachlich jeder Grundlage, was Hoeneß über Özil sagte, deckt sich aber weitgehend mit der Volksmeinung, der oberflächlichen Wahrnehmung. U. Hoeneß also ein Mann des Volkes, versteht vom Fußball auch nicht mehr als der gemeine Kuttenträger in der Kurve, vom Champagnertrinker auf der VIP-Tribüne ganz zu schweigen. Auch eine interessante neue Erkenntnis.
Wir werden wohl nie erfahren, was in den Bayern-Präsidenten gefahren ist, aber noch vor ein paar Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß Kalle R. einmal als der Gescheitere dieses Führungsduos dastehen würde.
Was machen Deutsche, die im Ausland leben? Sie sprechen untereinander ihre Muttersprache, sie suchen und konsumieren Lebensmittel und Medien aus ihrem Herkunftsland, sie schicken ihre Kinder auf Deutsche Schulen (sofern vorhanden), kurz, sie halten am Vertrauten fest, bewahren es, stehen zu ihren Wurzeln. Und finden nichts dabei. Der Türke oder Araber in Deutschland aber soll das nicht dürfen.
Und die Integration? Welche bzw. Integration in was?
Wie integriert sind millionenschwere Fußballer oder Reiche überhaupt? Wann ist man integriert?
Der Sport? Der Özil von 2010 ist nicht mehr, der aus dem 60 Minuten lang besten Spiel einer deutschen Nationalmannschaft aller Zeiten (das legendäre 4:4 gegen Schweden) auch nicht. Aber so schwach, wie ihn Kritiker oft gesehen haben war er nie. Im Zeitalter der statistischen Leistungserfassung aller Aspekte des Spiels weisen ihn die Daten als weit überdurchschnittlichen Spieler aus, der oft schlaffen Körpersprache zum Trotz. Egal, was man von Özil insgesamt denkt, als Fußballer ist er sehr gut.
Sportlich kann sich Deutschland den Verlust eines so begabten Spielers gerade aktuell überhaupt nicht leisten. (Nebenbei: ein DFB-Präsident ist evtl. leichter zu ersetzen)
Das sieht der schwäbische Wurstfabrikant und Steuersünder natürlich ganz anders. Ähnlich unmotiviert und deplatziert wie die seinerzeitigen Attacken gegen Klose als der im Begriff war, die Länderspieltor-Marke von Gerd Müller zu übertreffen, brach es mal wieder aus dem Hoeneß heraus. Er musste wohl mal wieder. Etwas loswerden. War ja lange ruhig. Ich hatte auch nach dem DFB-Pokalfinale nichts von ihm gehört, nur sein Gesicht auf der Tribüne gesehen, was Bände sprach. Nun also die Aussagen, der Spieler hätte in den letzten Jahren nur Dreck gespielt, keine Zweikämpfe gewonnen, Quer- und Rückpässe, sei ein Alibifußballer usw.. Dachte erst, hat ja recht, aber der Thomas Müller hat so eine Breitseite dann doch nicht verdient, andererseits ist es ja sein Präsident, geht ihn also etwas an. Dann stellt sich doch tatsächlich heraus, daß der Hoeneß gar nicht von Müller sondern von Özil gesprochen hat. Entbehrt sachlich jeder Grundlage, was Hoeneß über Özil sagte, deckt sich aber weitgehend mit der Volksmeinung, der oberflächlichen Wahrnehmung. U. Hoeneß also ein Mann des Volkes, versteht vom Fußball auch nicht mehr als der gemeine Kuttenträger in der Kurve, vom Champagnertrinker auf der VIP-Tribüne ganz zu schweigen. Auch eine interessante neue Erkenntnis.
Wir werden wohl nie erfahren, was in den Bayern-Präsidenten gefahren ist, aber noch vor ein paar Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß Kalle R. einmal als der Gescheitere dieses Führungsduos dastehen würde.
Was bleibt unter dem Strich von dieser Affäre? Eine Offenlegung vieler Dinge, die in Deutschland derzeit im Argen liegen, insbesondere das große Missverständnis mit der Integration. Neben einer Anpassungsbereitschaft der Einwanderer, die viele wohl durchaus aufbringen gehört dazu auch eine Toleranz der aufnehmenden Gesellschaft. In der letzten Zeit gibt es eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung, die latent immer vorhanden gewesenen Resentiments gegen das Fremde und den Fremden sind zunehmend wieder an die Oberfläche gekommen. Daneben ein Phänomen, das wir auch in der Politik beobachten können, nämlich die totale Überbewertung eines Nebenschauplatzes (Özil-Erdogan) und Aufregung darüber als Ersatz für die Auseinandersetzung mit weit größeren und schwerwiegenderen Problemen (das totale Versagen von Trainer und Mannschaft bei der WM). Möglicherweise sogar ganz gezielt, weil für die wirklichen Probleme keine Lösung gefunden wird.
Ich bin gespannt, wie viele Fußballinteressierte und auch Journalisten Ende August noch auf dem Schirm haben, daß Löw und Bierhoff noch keine Antworten auf die fußballerischen Fragen gegeben haben.