"if you can't beat them in the alley, you can't beat them on the Ice" - (Conn Smythe) Aus dem Poesiealbum der Broad Street Bullies, der deutschen Nationalmannschaft gewidmet!

Donnerstag, 26. Juli 2018

Stell Dir vor es ist WM und keiner ... Nachtrag

Es gibt viel Schönes - und U. Hoeneß

Man sollte ja nicht nachtragend sein, aber nun hat ja die WM ein Nachspiel, also trage ich noch etwas nach.
Die Özil-Angelegenheit füllt das Sommerloch weit über den Fußballkosmos hinaus, beherrscht Schlagzeilen nicht nur bundesweit und außerhalb der Sportteile. 
Auf der einen Seite ein wohl eher schlicht gestrickter türkischstämmiger Fußballspieler, der seine Position, so wie die meisten seiner öffentlichen Äußerungen, von einer Agentur formulieren und verbreiten lässt. Der hatte sich mit dem Herrscher des Heimatlandes seiner Vorfahren getroffen und war dabei fotografiert worden. Mit einem Herrscher, der nach weit verbreiteter Lesart (aber nicht in den Augen etwa der Hälfte seiner Landsleute) ein Diktator ist.
Auf der anderen Seite eine Gesellschaft, die dem Fußballspieler dieses nicht durchgehen lassen will, wobei sich die Missbilligung aufteilt, einerseits dem Treffen mit einem Diktator gilt, andererseits dem Treffen mit dem Herrscher eines anderen Landes. Das politisch linke Lager tadelt ersteres, das rechte Lager letzteres. Der Fußballverband? Hadert a.E. damit, daß es negative Publicity gab, hat keine klare politische Haltung. Zumindest ist für mich nicht klar geworden, was Bierhoff und Grindel genau an Özils Treffen mit Erdogan nicht gepasst hat, sie haben ja auch nicht auf das Treffen sondern auf das Murren in Medien und Öffentlichkeit reagiert. Eine Erklärung haben sie dennoch verlangt, eigentlich sogar eine Entschuldigung. Es wird von Werten gesprochen, die der DFB vertrete. Welche das sein sollen? Keine Erklärung. Jedenfalls keine, die sich damit vereinbaren lässt, mit wem sich der Verband und seine Funktionäre in der Vergangenheit so alles gemein gemacht haben, von Sponsoren über Politiker bis hin zu Nazis, die vor einem Geradestehen für ihre Taten nach Argentinien geflohen waren und dort vom DFB hofiert wurden. 
Was von Einwanderern erwartet wird kann jeder ganz gut benennen, wie es den Einwanderern andererseits in der Fremde geht, interessiert niemanden. 
Was machen Deutsche, die im Ausland leben? Sie sprechen untereinander ihre Muttersprache, sie suchen und konsumieren Lebensmittel und Medien aus ihrem Herkunftsland, sie schicken ihre Kinder auf Deutsche Schulen (sofern vorhanden), kurz, sie halten am Vertrauten fest, bewahren es, stehen zu ihren Wurzeln. Und finden nichts dabei. Der Türke oder Araber in Deutschland aber soll das nicht dürfen.
Und die Integration? Welche bzw. Integration in was? 
Wie integriert sind millionenschwere Fußballer oder Reiche überhaupt? Wann ist man integriert? 
Der Sport? Der Özil von 2010 ist nicht mehr, der aus dem 60 Minuten lang besten Spiel einer deutschen Nationalmannschaft aller Zeiten (das legendäre 4:4 gegen Schweden) auch nicht. Aber so schwach, wie ihn Kritiker oft gesehen haben war er nie. Im Zeitalter der statistischen Leistungserfassung aller Aspekte des Spiels weisen ihn die Daten als weit überdurchschnittlichen Spieler aus, der oft schlaffen Körpersprache zum Trotz. Egal, was man von Özil insgesamt denkt, als Fußballer ist er sehr gut.
Sportlich kann sich Deutschland den Verlust eines so begabten Spielers gerade aktuell überhaupt nicht leisten. (Nebenbei: ein DFB-Präsident ist evtl. leichter zu ersetzen)
Das sieht der schwäbische Wurstfabrikant und Steuersünder natürlich ganz anders. Ähnlich unmotiviert und deplatziert wie die seinerzeitigen Attacken gegen Klose als der im Begriff war, die Länderspieltor-Marke von Gerd Müller zu übertreffen, brach es mal wieder aus dem Hoeneß heraus. Er musste wohl mal wieder. Etwas loswerden. War ja lange ruhig. Ich hatte auch nach dem DFB-Pokalfinale nichts von ihm gehört, nur sein Gesicht auf der Tribüne gesehen, was Bände sprach. Nun also die Aussagen, der Spieler hätte in den letzten Jahren nur Dreck gespielt, keine Zweikämpfe gewonnen, Quer- und Rückpässe, sei ein Alibifußballer usw.. Dachte erst, hat ja recht, aber der Thomas Müller hat so eine Breitseite dann doch nicht verdient, andererseits ist es ja sein Präsident, geht ihn also etwas an. Dann stellt sich doch tatsächlich heraus, daß der Hoeneß gar nicht von Müller sondern von Özil gesprochen hat. Entbehrt sachlich jeder Grundlage, was Hoeneß über Özil sagte, deckt sich aber weitgehend mit der Volksmeinung, der oberflächlichen Wahrnehmung. U. Hoeneß also ein Mann des Volkes, versteht vom Fußball auch nicht mehr als der gemeine Kuttenträger in der Kurve, vom Champagnertrinker auf der VIP-Tribüne ganz zu schweigen. Auch eine interessante neue Erkenntnis.
Wir werden wohl nie erfahren, was in den Bayern-Präsidenten gefahren ist, aber noch vor ein paar Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß Kalle R. einmal als der Gescheitere dieses Führungsduos dastehen würde.     

Was bleibt unter dem Strich von dieser Affäre? Eine Offenlegung vieler Dinge, die in Deutschland derzeit im Argen liegen, insbesondere das große Missverständnis mit der Integration. Neben einer Anpassungsbereitschaft der Einwanderer, die viele wohl durchaus aufbringen gehört dazu auch eine Toleranz der aufnehmenden Gesellschaft. In der letzten Zeit gibt es eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung, die latent immer vorhanden gewesenen Resentiments gegen das Fremde und den Fremden sind zunehmend wieder an die Oberfläche gekommen. Daneben ein Phänomen, das wir auch in der Politik beobachten können, nämlich die totale Überbewertung eines Nebenschauplatzes (Özil-Erdogan) und Aufregung darüber als Ersatz für die Auseinandersetzung mit weit größeren und schwerwiegenderen Problemen (das totale Versagen von Trainer und Mannschaft bei der WM). Möglicherweise sogar ganz gezielt, weil für die wirklichen Probleme keine Lösung gefunden wird.  
Ich bin gespannt, wie viele Fußballinteressierte und auch Journalisten Ende August noch auf dem Schirm haben, daß Löw und Bierhoff noch keine Antworten auf die fußballerischen Fragen gegeben haben.



Dienstag, 17. Juli 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., Folge 6

Aus, Aus, das Spiel ist Aus! Oder nach Russland ist vor dem Katharr.

Es ist also tatsächlich soweit, die WM ist vorbei. Und sie endete mit einem immerhin sehr sehenswerten Endspiel, das war nicht bei allen Turnieren der jüngeren Vergangenheit so. Spannend war es oft, attraktiv selten im Finale.
Der Auftritt der Kroaten kann gar nicht genug gelobt werden, hocherhobenen Hauptes können sie trotz der Finalniederlage nach Hause fahren. Man kann auch aus verschiedenen Gründen sagen, daß die Franzosen ein würdiger Weltmeister sind, aus meiner Sicht vor allem, weil sie trotz des geringen Durchschnittsalters eine große Mannschaft haben mit Einzelspielern, die zu den absolut Weltbesten gehören.
Die WM insgesamt, es wurde bereits vielfach gesagt und geschrieben, auch von mir, war, was die Attraktivität oder das spielerische Niveau der Spiele angeht, mäßig.
Im durchaus legitimen Bemühen, Wege zum Sieg zu finden, haben einfach zu viele Mannschaften, auch der Sieger, ihr Heil in der Defensive gesucht und gefunden. Mit 11 Mann verteidigen, dem Gegner die Initiative überlassen, Kontern und/oder auf gut einstudierte Standards setzen, das ist der Trend im postmodernen Fußball. Legitim aber nicht erfreulich anzusehen für Freunde eines flüssigen Spieles mit dem Ziel möglichst vieler Abschlüsse. Noch hat es keine Gegenbewegung gegeben, die Mannschaften mit dem größten Offensivpotenzial, Belgien, Kroatien und Brasilien - in der Theorie verfügt auch Frankreich über solches Potenzial - konnten sich nicht durchsetzen, zumindest reichte es nicht zum Titel. England, auch unter die letzten vier gekommen, ist eher zu den postmodernen Teams zu zählen, da ihre offensiven Hoffnungen fast ausschließlich auf Standards setzten. So bleibt vor allem die Erkenntnis, daß ihr Trainer aussah wie ein Flugbegleiter von British Airways und daß sie endlich, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, einen Torwart haben, der nicht nur auf der Insel zu den Besten gehört, sondern auch auf der Weltbühne. Und daß sie noch besser werden könnten, da die Mannschaft relativ jung ist.
Der Plan der Deutschen, so habe ich Löw jedenfalls verstanden, war, durch Ballbesitz möglichst weit in der gegnerischen Hälfte, den Gegner müde zu spielen und dann - irgendwie - das Spiel zu gewinnen. Haben die Gegner sich außer den Schweden leider nicht dran gehalten. Den Spaniern ging es da ähnlich wie den Deutschen, auch wenn sie formal ohne Niederlage nach Hause fahren mussten. Im heutigen, meist unattraktiven Fußball ist diese Strategie auf den Kopf gestellt worden, man läßt den ballbesitzenden Gegner sich müde spielen und kontert ihn aus. So fielen 3/4 der deutschen Gegentore. Ballverluste im Mittelfeld helfen da natürlich. Leider hat die deutsche Mannschaft auch nichts aus dem Pokalfinale gelernt, wo die Eintracht schon mal gezeigt hatte, wie es geht.
Aber genug von den Deutschen. Nach jedem Titelgewinn hat es mehr als ein Jahrzehnt gedauert, bis wir wieder eine titelwürdige Mannschaft hatten. Und wir haben immer nur dann eine WM gewonnen, wenn wir eine Mannschaft aus großen Persönlichkeiten hatten, die reif waren für den Titel.

Dann möchte ich noch eine Lanze brechen für das Spiel um den dritten Platz! Es ist eine Weltmeisterschaft und es geht um die Bronzemedaille! Wo ist der Sportgeist, wenn gefordert wird, das Spiel abzuschaffen? Wo der Respekt für den Wettbewerb und die Platzierungen? Was für Werte vertreten die Leute, die dieses Spiel und damit Bronze so geringschätzen, was vermittelt man so den Kindern? Wenn Du nicht Erster wirst, bist Du schlecht, nur der Erste zählt, oder was? Wenn Du verloren hast, gibt es keinen Nachtisch?  Pfui.
Schlimm genug, daß nach der EURO 1980 das Spiel um Platz drei abgeschafft wurde. Nach einem ganz faden Turnier, vor zu 3/4 leeren Stadien, wo das "kleine Finale" genauso öde war wie der Rest des Turniers und fast 20 Elfmeter gebraucht wurden, um den Bronzesieger zu ermitteln!

Daher eine kleine Bilderserie mit Schauplätzen von kleinen Finals (1930 und 1950 wurde keines ausgetragen):


Natürlich sah das Stadion von Neapel, wo das erste Spiel um den dritten Platz in der WM-Geschichte stattfand, nicht so aus. In Neapel besiegte Deutschland die Österreicher mit 3:1 und gewann seine erste Bronzemedaille.

1938 wurde der Dritte in Bordeaux ausgespielt, am selben Ort, wo bis heute das "Stade Lescure" steht. Die Paarung lautete Brasilien - Schweden, die Südamerikaner holten sich das Edelmetall durch ein 4:2. 20 Jahre später standen sich beide im Endspiel gegenüber, ebenfalls mit dem besseren Ende für Brasilien.

Auch vom Austragungsort des kleinen Finales 1954 habe ich leider keine zeitgenössische Ansicht zu bieten. Für Österreich war es das zweite (und letzte) Mal, daß sie das Spiel um Bronze erreichten. Sie besiegten Uruguay mit 3:1. Für den damaligen Titelverteidiger aus Südamerika sollten noch zwei weitere kleine Finals folgen. 

An der Stätte der für Deutschland widrigen Halbfinalpartie gegen Gastgeber Schweden spielte die Herberger-Elf 1958 gegen Frankreich um Platz drei. Wie öfter in der Geschichte bekam auch diesmal der Ersatzkeeper einen Einsatz gegönnt. S geschah es, daß der wackere Heiner Kwiatkowski in seinem zweiten WM-Einsatz nach 1954 erneut eine bittere Packung erhielt und sein Gegentorkonto auf 14 in zwei Spielen anschwoll! Frankreich siegte 6:3 im torreichsten kleinen Finale.

Das Nationalstadion von Santiago de Chile sah 1962 beide Finalspiele. Zum ersten Mal trat ein Gastgeber im Bronzefinale an. Die Chilenen besiegten Deutschland-Bezwinger Yugoslawien mit 1:0.

Auch 1966 wurden Finale und Spiel um Platz drei an gleicher Stätte ausgetragen. Es war auch das Treffen zweier ganz großer Weltstars jener Zeit, denen der ganz große Sieg versagt blieb: Eusebio gegen Jaschin, beide mit dem immer wieder aufgetretenen Problem, daß es nicht möglich war, eine ihrer würdige Mannschaft um sie herum aufzubauen (siehe George Best, Bernd Schuster, C. Ronaldo, Messi um nur wenige zu nennen). Portugal gewann gegen die Sowjetunion 2:1. 

1970 traf Deutschland, ausgezehrt vom sogenannten "Jahrhundertspiel" im Halbfinale gegen Italien und ersatzgeschwächt, im Aztekenstadion auf Uruguay. Ersatztorhüter Wolter (Eintracht Braunschweig!) hielt seinen Kasten sauber und ein Distanzschuß von Wolfgang Overath sicherte den 1:0-Sieg.

In München trafen 1974 dank des neuen Austragungsmodus anstatt der Halbfinalunterlegenen die Zweitplatzierten der zweiten Gruppenphase aufeinander. Es waren die im Turnierverlauf sehr stark aufspielenden und nur knapp an Deutschland gescheiterten Polen sowie der entthronte und etwas enttäuschende Titelverteidiger Brasilien. Polen gewann WM-Bronze durch das siebte Turniertor von Lato, zwei Jahre nachdem sie an gleicher Stätte olympisches Gold gewonnen hatten.

Auch 1978 fanden kleines und großes Finale im gleichen Stadion statt, zum vorerst letzten Mal für 20 Jahre. Der Modus war der gleiche wie 1974 und erneut spielte Brasilien um Bronze, in der Neuauflage des Endspiels von 1970 gegen Italien. Durch den 2:1-Sieg des Rekord-Weltmeisters gewann der noch aktive Roberto Rivelino seine zweite WM-Medaille.

Spanien 1982: Barcelona hatte das Eröffnungsspiel bekommen, Madrid das Finale. Für das Spiel um Platz drei fielen einem dann Valencia oder Sevilla, vielleicht auch Bilbao als traditionsreicher Austragungsort ein. Die Organisatoren vergaben die Partie aber an Alicante, wo weniger als 30.000 sehen wollten, ob Polen oder Frankreich noch etwas aus dem Turnier mitnehmen würden. Polen, wo mit Szarmach und Lato noch zwei große Entdeckungen und Stars der WM 1974 dabei waren, siegte mit 3:2 gegen ohne Platini antretende Franzosen, denen die epische Halbfinalschlacht gegen Deutschland noch in den Knochen steckte. 

Auch 1990 in Italien erhielt ein Spielort abseits der großen Fußballstandorte den Zuschlag für das kleine Finale. Erst zum zweiten Mal nahm der Gastgeber am Spiel um Platz drei teil und siegte wie schon 1962. Gegen England gelang mit dem 2:1 der (bei einer Fußball-WM nicht wirklich stattfindende) Sprung aufs Treppchen. In einem Stadion, das eigens für die WM nach Entwurf des Star-Architekten Renzo Piano gebaut worden war.

Als verfügten die USA nicht über eine ausreichende Zahl von Großstadien, wurde 1994 mal wieder am Endspielort auch das Spiel um Platz drei ausgetragen. Zwei Überraschungs-Halbfinalisten sorgten für bessere Unterhaltung als die Finalisten. Im deutlichsten kleinen Finale aller Zeiten siegte Schweden über Bulgarien mit 4:0.

Im Prinzenpark fand 1998 das Spiel statt, in dem die Kroaten ihr starkes Turnier mit einem 2:1 über die Niederlande krönten.

2002 gab es zwei Gastgebernationen. Der Ausrichter des kleinen Finales, die nicht nur durch gutes sportliches Können bis ins Halbfinale vorgedrungenen Süd-Koreaner trafen auf die ebenfalls nur als Eintagsfliege in der Weltspitze auftauchenden Türken. Letztere gewannen in einem unterhaltsamen Spiel mit 3:2. Der Weg der Asiaten war schon im Halbfinale durch Oliver Kahn beendet worden. 

2006 hatte das Stuttgarter Stadion noch eine Laufbahn. Interessant, daß somit beide Finalspiele in Leichtathletikstadien stattfanden. Das Klinsmann-Team traf auf Portugal und siegte nach einer Schweinsteiger-Gala mit 3:2. Eigentlich erzielte der blondgesträhnte Jungstar alle drei Tore für Deutschland, aber einer der Treffer war so stark abgefälscht, daß er als Eigentor gewertet wurde. 

Ein FIFA-WM-Spiel in so einem Stadion? Natürlich nicht, aber von Port Elisabeth habe ich nur dieses Stadion, das ich auch viel interessanter finde als die modernen und austauschbaren Neubauten der letzten 10 Jahre. In Port Elisabeth gelang Deutschland der außerordentlich seltene Erfolg einer Verteidigung der Bronzemedaille! Wie so oft und oft auch im Gegensatz zum Endspiel bot das kleine Finale attraktiven Fußball mit weniger engen taktischen Fesseln als die sonstigen k.o.-Spiele.


Insgesamt war das Spiel um den dritten Platz oft eine Werbung für die Beibehaltung dieser Begegnung. Deutschland ist im Übrigen auch Rekordsieger, bei fünf Teilnahmen gewann man viermal Bronze! 


Nun also Katar, in viereinhalb Jahren. Wer schon immer die FIFA mit ihrer korrupten Verkommenheit, mit ihren Knebelverträgen und ihrer Rigidität, mit der Sponsoreninteressen durchgesetzt werden ohne Rücksicht auf Verluste, in die Wüste schicken wollte, der bekommt nun, was er wollte. Parallel zu den Olympischen Spielen, geht auch beim Fußball die Entwicklung dahin, daß man für die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung mit ihren starren Vorgaben, einer Quasi-Abtretung von Hoheitsrechten an FIFA/IOC und der Gefahr, die öffentlichen Haushalte erheblich zu belasten ohne bleibenden, nachhaltigen Gegenwert, nur noch Diktatoren, Autokraten und andere Potentaten gewinnen kann. Die schöpfen aus dem Vollen, müssen keinem Parlament oder Volk Rechenschaft ablegen und dürfen sich mit einem weltumspannenden Ereignis schmücken. Mir ist es ja egal, ob die Formel 1 in Bahrein anstatt am Nürburgring ihre Runden dreht, da diese Veranstaltung ohnehin der Realität der Zuschauer völlig entrückt ist. Kann sich der Scheich meinetwegen auch alleine mit seiner Familie ansehen, ob sonst noch jemand auf der Tribüne sitzt oder nicht, fügt der Veranstaltung nichts hinzu und nimmt ihr nichts weg.
Beim Fußball sieht das ganz anders aus und ich bin gespannt, wie sie es hinkriegen, daß die ohnehin kleinen Stadien in Katar nicht leer bleiben. 





Was hat die wunderbare ehemalige Stadionlandschaft Glasgows mit der WM zu tun? Schottland wird wohl nie eine WM austragen dürfen. Aber die drei großen Stadien mit ihren früheren Kapazitäten hätten genügt, um etwa alle katarischen Staatsbürger unterzubringen. Das die Bevölkerungszahl wesentlich vergrößernde Dienstpersonal aus dem Ausland muß draußen bleiben, dann passt es.

Donnerstag, 12. Juli 2018

Stell Dir vor, es ist WM und keiner ..., 5. Folge


Nach dem Urlaub und vor dem zweiten Halbfinale will ich mal wieder meinen Senf zum Gesehenen und Geschehenen abgeben.
Endlich, nach einer m.E. zähen und weitgehend unansehnlichen WM, steht das drittletzte Spiel an. Immerhin waren/sind in diesem Halbfinale die drei Mannschaften vertreten, die, zusammen mit Brasilien, am besten Fußball spielen können. Leider taten das die Franzosen, Belgier und Kroaten auch nicht immer, insbesondere die Franzosen haben die grassierende Krankheit des (post-)modernen Fußballs, sie stehen hinten massiert, kompakt, geordnet, diszipliniert und körperlich sehr präsent und verzichten oft auf die offensive Initiative. Aber sie verfügen mit Pogba, Griezmann und Mbappe über Spieler von absoluter Weltklasse, die jederzeit durch außergewöhnliche Aktionen das Spiel entscheiden können und mit ihrer Technik das Auge des ästhetischen Fußballbetrachters erfreuen können.
Die vierten im Bunde, die Engländer, sind nicht dank ihres überschaubaren Könnens unter die letzten vier gelangt, aber danach fragt später niemand mehr. Seit über 40 Jahren beobachte ich nun schon das Phänomen, daß in England, sobald ein Spieler auftaucht, der etwas überdurchschnittlich kicken kann, jedes Augenmaß verloren geht und ernsthaft der WM-Titel erwartet wird. So war es zu Zeiten von Kevin Keegan, Bryan Robson, Gary Lineker, Paul Gascoigne, Michael Owen, David Beckham, Lampard / Gerrard (die nicht zusammen konnten, es spielte meist nur einer). Alle solide, wie gesagt überdurchschnittlich, aber nie Weltklasse, keine "Unterschied-Spieler". Den Engländern war es egal, so wie sie auch das diesjährige Team überhöhen und überschätzen.
Naja, als Deutscher sollte man da besser still sein, wir haben uns auch nicht bei jeder der vielen Halbfinalteilnahmen mit Ruhm bekleckert ('82, '86, '02). Genau genommen wurde die deutsche Mannschaft auch beim insgesamt nicht mal unverdient gewonnenen Turnier 1990 von Spiel zu Spiel schwächer, nach dem Achtelfinale gegen die Niederlande kam keine überzeugende Leistung mehr. 
Was mich zum deutschen Fußball bringt: kaum vorstellbar, aber die Verantwortlichen geben in der bisherigen Nachbetrachtung oder Aufarbeitung ein noch beschämenderes Bild ab als die Mannschaft es beim Turnier gezeigt hatte. Die wirklich relevanten Fragen sind m.E.: warum waren so viele Spieler außer Form oder haben keine Leistung abgerufen, warum wurde die Kaderauswahl so getroffen, warum war keine Spielidee erkennbar, warum fanden Leistungen bei Nominierung und Aufstellung so wenig Berücksichtigung und überhaupt, was war eigentlich mit Trainer Löw los? Im Gegensatz zu seiner zur Schau gestellten Tiefenentspanntheit schien der Bundestrainer nichts unter Kontrolle zu haben. Vorbereitung? Training? Taktische Ausrichtung, Handeln der Spieler auf dem Platz und im Quartier? Verhalten von Menschen, die warum auch immer auf der Bank saßen? Löw wirkte so, als habe er mit all dem nichts zu schaffen. Aber immer die Ruhe bewahrt. Was den Eindruck, er nehme gar nicht Anteil oder interessiere sich gar nicht für das, was da passiert noch unterstreicht. Was wiederum auch zu seiner Entrücktheit passen würde, die neben der Entspanntheit der führende äußere Eindruck von ihm ist, der nach der WM zurückbleibt.  Und jetzt? Man (Grindel und Bierhoff) hat entschieden, eine Kampagne gegen Özil zu starten. Anstatt sich o.g. Fragen zu stellen. Mit dem Trainer fraglich abgestimmt. Wenn er nicht hinter diesem Bauernopfer stehen sollte, warum springt er Özil dann nicht zur Seite? Özil gehört sicher nicht zu denen, die am weitesten von ihrem Potenzial entfernt agiert haben. Geradezu absurd muteten die Darbietungen von Müller an, auch Kroos, den man versucht hatte, zum Gesicht der Mannschaft zu stilisieren, mangels Weltklassespielern, war bestenfalls grenzwertig in seinen Leistungen. Sicherheits- und Alibipässe, Ballverluste und halbherziges Zurückarbeiten - so sehe ich seine Turnierbilanz. Sein Anteil an den Erfolgen von Real Madrid wird in Deutschland vielleicht auch etwas überschätzt. Ein spielentscheidender Kreativspieler war er jedenfalls m.E. nur vor vielen Jahren im Trikot von Leverkusen. Und zu Özil und Gündogan: Wann hat jemals ein Beckenbauer, Overath, Maier oder Müller, Breitner, Schuhmacher, Rumenigge oder Matthäus beteuert, wie viel es ihm bedeutet, für Deutschland zu spielen? Die Nationalhymne singen? Dazu fallen mir vor allem der Kaugummi mampfende Schuhmacher, die stoisch-starren Minen von Kaltz und Rumenigge beim Abspielen der Hymne ein. Beckenbauer habe ich als Spieler nie mitsingen sehen und was Breitner gesagt hätte, wenn Hermann Neuberger verlangt hätte, die Spieler sollten die Hymne singen, das kann sich jeder vorstellen, der ihn als Aktiven erlebt hat (als er noch nicht der dummschwätzende Markenbotschafter des FCB war, sondern ein kritischer, mündiger und erfolgsbesessener Spieler). Also höre man mir bitte mit diesem patriotisch-nationalistischen Quatsch auf, wenn es um eine Mannschaft aus in erster Linie am eigenen Fortkommen interessierten Einzelspielern geht. 
Sieht man einen Luca Modric  (33) spät in der Verlängerung gegen Russland über das halbe Spielfeld im Vollsprint einem Ball hinterherjagen, um diesen am Überschreiten der Auslinie zu hindern, dann weiß man jedenfalls, warum Deutschland mit Recht nicht die K.O.-Phase erreicht hat. Und natürlich auch, weil wir keinen James, keinen Mbappe, keinen Pogba, Griezmann, Hazard, noch nicht mal einen Kane haben. 
Deutschland abgehängt, sehenden Auges in diese Lage geraten.
Ansonsten bleibt mir nach dieser WM vor allem die Frage, wann bei der FIFA endlich der gesunde Menschenverstand einsetzt und die reine Spielzeit eingeführt wird. Wenn schon der Fußball immer unattraktiver wird, dann sollte wenigstens endlich das unsägliche Zeitspiel, das so oft als zusätzliches taktisches Mittel eingesetzt wird, eliminiert werden. Und der Videoassistent sollte verstärkt gegen grobe Unsportlichkeiten zur Anwendung kommen. Ich stelle mir in kühnen Phantasien vor, daß es vor dem Spiel eine klare Ansage des Schiedsrichters gibt, daß Spieler, die wissen, daß es keinen (relevanten) Kontakt in einem Zweikampf gab und dennoch simulieren, sie seien gefoult worden, grundsätzlich mit gelb bestraft werden und umgekehrt Spieler, die wissen, daß es einen Kontakt gab und dennoch sofort reklamieren, es habe keinen gegeben, ebenfalls. Dank der Videotechnik wissen die Spieler ja, daß sie jederzeit zu überführen sind.
Eine der Szenen der WM war für mich, als im Viertelfinale BRA-BEL Neymar nach seiner Schwalbe im Belgischen Strafraum sein übliches Herumwälzen aufgab, aufsprang und auf Weiterspielen drängte, während einige Brasilianer noch den Videoassistenten forderten. Er wusste, daß die eindeutige Schwalbe eine gelbe Karte zur Folge hätte haben können, was eine Sperre für das Halbfinale nach sich gezogen hätte!  
Unter dem Strich verstehe ich nach Russland 2018 besser, warum das Spiel in den USA nicht ernst- und angenommen wird (zumal, wenn ich die bestenfalls zweitklassigen Spiele der Major League Soccer anschaue). Es passiert einfach zu wenig. Inzwischen gibt es ja auch Statistiken über die "echten" Torschüsse, analog zum Eishockey. Zählt man nur die Schüsse, die aufs Tor kommen und nicht wie bisher üblich alles, was zwischen den Eckfahnen ins Aus geht, so wird aus zweistelligen Torschüssen eine an einer Hand abzählbare Menge, nur ausnahmsweise pariert ein Torhüter einmal mehr als fünf Schüsse in einem Spiel. Ansonsten ereignisarme Abwehrschlachten wo man hinsieht. Auch ohne Italiener. 
Wird Zeit, daß die WM endet und endlich Fußballpause ist.