Uli Hoeneß, der wie kein zweiter die Schlagzeilen beherrschte und der Bundesliga jahrzehntelang seinen Stempel aufdrückte wie kaum ein anderer, scheint am Ziel seiner Träume angekommen. Zuletzt machte er kurzen Prozeß mit der bayerischen Justiz, nahm großherzig und tapfer das gnädige Urteil an, und kämpft so ganz nebenbei noch gegen Windmühlen. Er sei "plötzlich" ein "Schwein" und ein "Arschloch" hieß es im Vorfeld seiner Verurteilung. Leute, die Bücher über ihn schreiben, wollen damit Geld verdienen! Also wenn es ihn beruhigt, in den Print- und elektronischen Medien, die ich konsumiere, wurde er weder Schwein noch Arschloch genannt und Geld für ein Buch über ihn habe ich auch noch nie ausgegeben. Bemerkenswert, wie Hoeneß sich durch all die Krisen und Unannehmlichkeiten treu geblieben ist: nach wie vor keine Anmutung von Demut, Einsicht, Reflektion, Selbstkritik in seinen öffentlichen Stellungnahmen. Weder zur Steuersache, wo er in erster Linie bedauert, daß es herausgekommen ist, noch zu seiner Rolle als Abteilung Attacke in den letzten 30 Jahren. Seine Aussage, er habe in den letzten Wochen vor der Verurteilung Hass kennengelernt, war selbst für seine Verhältnisse dreist. Der Mann, der Aggressivität und Hass verkörperte, diese Qualitäten vor über dreißig Jahren in die Umgangsformen der Liga hereingebracht hat! Geifernd und keifend vorgebrachte Haßtiraden gegen jeden, der es wagte, dem FCB irgendetwas streitig zu machen. Wutreden gegen Lemke u.a., der unappettitliche Schauprozeß gegen Daum im Sportstudio usw. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Vor Hoeneß kannte man in den Chefetagen der Vereine solches Gebahren nicht, Grashof und Schwan einander anbrüllend? Dr. Krohn und Champagner-Willy? Achaz von Thümen und Waldemar Klein? Hämisches übereinander Herziehen? Danke Hoeneß für über 30 Jahre Haß. Daß Sie einem Leben ohne Fußball nie etwas abgewinnen konnten, tut mir leid für Sie, auch wenn das jetzt zu spät kommt. Ein gescheiter Mensch, der mit 22 schon alle Erfolge erreicht hat und der das Glück hat, mit 27 aus diesem Fußballerleben durch Verletzung herausgerissen zu werden, hätte sicher etwas sinnvolleres machen können. Klar, Sie haben Millionen Menschen glücklich gemacht, aber was haben Sie aus sich selbst gemacht? Die (viel) Fleisch gewordene hässliche Fratze des Gierigen, Erfolgsbesessenen, der Macht und Sieg um jeden Preis anstrebt. Nun, da diese Worte längst überholt scheinen, Schnee von gestern, da wird erst deutlich, wie gut seine Saat aufgegangen ist. Die Bayern beherrschen alles, die Meisterschaft wird zur Farce, passend zum Mauerfalljubiläum gleicht der Kampf um die Meisterschaft der einstigen Herrschaft Dynamo Berlins der Mielke-Ära. Fehlen nur die merkwürdigen Schiedsrichterentscheidungen zugunsten des Clubs. Ausgerechnet jetzt, da der Club endlich eine Mannschaft strategisch passend zu einer Spielidee zusammengestellt hat, nachdem vorher nur das Prinzip herrschte, anderen Spieler wegzunehmen, damit die geschwächt wurden, wird es unerträglich. Wen interessiert noch, ob sie 2:0 oder 4:0 gewinnen? Wie lange noch, bis die Zuschauerzahlen deutlicher zurückgehen als jetzt schon - gefühlt. Wann haben wir die spanischen oder italienischen Verhältnisse, wo zu Spielen nur noch, bzw. wieder, 15.000 kommen?
Noch eine Saat scheint aufgegangen. Rummenigge schickt sich an, eine Reinkarnation von Hoeneß (im übrigen quicklebendig und sicher noch nicht am Ende seines Wirkens) zu werden. Bekämpft unsichtbare oder gewähnte Gegner, indem er auf die Intoleranz der Deutschen schimpft, wenn jemand wagt, Bedenken über mehrere Kadermitglieder aus Spanien zu äußern. Dabei scheint es gar nicht so abwegig, sich vorzustellen, daß Pep in ein bis zwei Jahren wieder weg ist und im Lederhosenaufgebot dann sechs Spanier stehen, mit denen der neue Trainer nichts anfangen kann. Hat mit Fremdenfeindlichkeit nichts zu tun, sich das vorzustellen. Kalle sorgt sich auch um die Spieler angesichts des vollen Spielplans. Er kann ja nichts dafür, daß die reichen und mächtigen Clubs Europas die Championsleague so aufgebläht haben, daß sie inzwischen mehr die verkappte Europaliga verkörpert, von der in München einst fabuliert wurde, als einen Wettbewerb der Landesmeister. Aus Fürsorge wird der Westfale, gelernter Bankkaufmann bevor er in die FCB-Ursupatorenschule ging, wohl demnächst laut über die Abschaffung der Nationalmannschaft nachdenken.
Natürlich hat es nicht nur mit Hoeneß/Rumenigge und dem FC Bayern zu tun, daß mich die Bundesliga insgesamt nicht mehr interessiert. Partien Augsburg gegen Hoffenheim, Wolfsburg gegen Mainz, Paderborn gegen jeden, interessieren mich in Zeiten immer gesichtsloser werdender Mannschaften ohnehin nicht. Die Bayern und das Verhalten derer, die ihnen nacheifern, wie z.B. Schalke, machen die Sache aber immer unappetittlicher.
Mich interessiert eigentlich nur noch, ob die Eintracht drinbleibt. Dazu muß ich nicht mal mehr die Sportschau gucken, selbst in den Zusammenfassungen ist das Gekicke ja kaum anzusehen.
Vielleicht ist auch nur nach dem WM-Triumpf die Luft raus und ich mag Fußball bald wieder. Bis dahin tröste ich mich mit Nostalgie, schaue mir den tollen Bildband "The beautiful game" aus dem Taschen-Verlag an, auch wenn hier die Bundesliga deutlich unterrepräsentiert ist. Erinnere mich an die Zeiten, als fast alle Mannschaften der Liga ihre Korsettstangen, Aushängeschilder, Galleonsfiguren hatten und man keine Stadionzeitung brauchte, um die Spieler zu kennen.
A propos WM-Sieg. Der DFB tut sein übriges, mir den Fußball zu verleiden. Wie viele andere Erfolgreiche und Mächtige verliert er zunehmend den Kontakt zum gemeinen Volk, zur Basis. Anstosszeiten der Länderspiele um 20.45, so daß man Schulkinder nicht bis zum Abpfiff zusehen lassen kann, Corporate Design mit Knebelkonditionen sogar beim Trainingsplatz (siehe St. Pauli) sind nur die eklatantesten Belege für die Arroganz der Macht, wo der Fan nur zu stören scheint. Darüber kann auch ein nett anzusehender aber komplett an der Oberfläche bleibender Film über den WM-Triumpf nicht hinwegtäuschen, der den Kritiken zufolge wohl auch einer Nordkoreanischen PR-Agentur gut zu Gesicht stünde.