Gerade hatte ich etwas über den erbärmlichen, vor Haß geifernden Mob aus Gelsenkirchen schreiben wollen, der am letzten Wochenende wieder einmal das hässliche Gesicht des Fußballs offenbart hat. Obwohl das ja nur eine Randerscheinung des Spieles ist. An allem Möglichen arme Menschen, die völlig aus der Fassung geraten, weil ein junger Spitzenspieler ein paar Monate zuvor einen hoch verschuldeten Chaosclub verlassen hat, zugunsten eines Jobs beim Topunternehmen der heimischen Branche. Was fehlt diesen Menschen alles, daß sich derartig die Emotionen Bahn brechen können? Wut und Haß im Stadion, weil im eigenen Leben so wenig Befriedigung und narzißtische Gratifikation gefunden wird? Identifikation mit einem Fußballverein, der dermaßen vereinnahmt wird, weil im Selbst Leere herrscht? (W. Droste "wem sonst keiner steht, dem steht Identität"). Was Du meinem Verein tust, tust Du mir. Leute, lebt!
Aber dann kommt ein neues Ereignis und die Schalker Fans und die unterbliebene Zivilcourage des Clubs im Umgang mit den Ereignissen werden überholt. Ralf Rangnick kann nicht mehr, schmeißt hin, Burnout heißt es. Der ehemalige Wunschtrainer von Heribert Bruchhagen, der der Eintracht leider abgesagt hatte, unter anderem wegen der schlechten Strukturen, mangelnden Einflusses der Profiabteilung auf den Nachwuchs, ist vorerst am Ende. Es ist ihm zu wünschen, daß es ihm bald wieder besser geht, er einen Weg findet, besser mit sich umzugehen und glücklich wird.
Nun melden sich wieder die schönredenden Funktionäre, Kollegen und vor allem die Experten, überwiegend sogenannte "Sportpsychologen", aber auch einen "Facharzt für Burnout" habe ich heute im Fernshen gesehen. Man sollte nicht alles glauben, was im Fernsehen so gesendet wird. Es gibt Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für psychosomatische Medizin und auch für psychotherapeutische Medizin, aber keinen solchen für Burnout, genausowenig wie für Depression, Schizophrenie, Angststörung oder Magersucht. Was von Sportpsychologen zu halten ist, habe ich schon mal an anderer Stelle geäußert. Das sind im Allgemeinen bestenfalls diplomierte Psychologen. Ihre Aufgaben sind in den meisten Fällen, Mannschaften zu begleiten um den Spielern ein möglichst störungsfreies Abrufen der Leistungen unter allen Umständen zu ermöglichen, vergleichbar Motivationstrainern oder "Coaches", die in Wirtschaftsunternehmen selbiges bei den Mitarbeitern bewirken sollen. "Sportpsychologen" sind keine Therapeuten, sie haben in der Regel keine Psychotherapieausbildung, keine Aprobation. Eine solche Ausbildung nimmt mehrere Jahre in Anspruch und beinhaltet zwingend die mehrjährige Behandlung von psychisch kranken Menschen, begleitet von Supervision durch erfahrene Therapeuten u.a. Zu ihrer Verteidigung muß man den "Sportpsychologen" zu gute halten, daß sie oft auch nicht vorgeben, Therapeuten zu sein. Dennoch bleibt es eine Täuschung, wenn behauptet wird, die Vereine täten etwas Verantwortliches, wenn sie "Sportpsychologen" beschäftigen, zögen damit Konsequenzen aus den Fällen Deisler und Enke. Wo es sich doch nur um den Versuch der Leistungssteigerung durch Manipulation handelt, somit eine Erhaltung des Systems.
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Psychotherapie schadet nicht, ist in vielen Fällen besser, als einfach weitermachen wie immer |
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Nach dem Abpfiff: versöhnliche Geste zwischen Freud und Jung |
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Hier (Ulm) war noch alles in Ordnung, ein neuer Finke stieg auf am Fußballhimmel. Da die Eintracht Rangnick nie bekam, holte sie konsequenterweise seinen Nachfolger (Andermatt) - und scheiterte |
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Vielleicht doch nicht so schlecht: in so einer unwirtlichen Schüssel fällt es nicht weiter auf, wenn ein paar Dissoziale 100 Meter vom Spielfeld entfernt brüllen, sabbern, die Fäuste ballen usw. |